Mittwoch, 31. März 2010

ein neuer Tag - déjà vu

Noch weiss ich nicht, ob ich mich auf diesen Tag freuen soll. Im Geschäft erwartet mich ein strenger Tag, Sitzung hier, Sitzung dort. Dann Mittagessen mit meiner Exfrau, wie üblich am Mittwoch. Nachmittags Berichte schreiben, spätnachmittags joggen mit der Exfrau, wie üblich am Mittwoch. Dann gemeinsames Abendessen, die Tochter wird von ihrem Tag berichten und allerlei Geschichten auftischen, Wahrheit und Dichtung nahe beieinander.

Alltag halt. Zu ihm gibt es keine realistische Alternative, höchstens kleine Fluchten, immerhin, und Oasen der Ablenkung, Anregung und Entspannung.

Dienstag, 30. März 2010

von Märchen und Prinzessinnen

Märchen, Königinnen und Prinzen - was für ein schöner Stoff für Kinder. Meine Tochter lässt sich jeweils gänzlich verzaubern von dieser Märchenwelt, zusammen mit ihren kleinen Freundinnen spielen sie Szenen aus Büchern und Opern nach, verkleiden sich, tanzen und singen dazu. Dann bricht das heillose Chaos aus, innen wie aussen. Gut so.

Manchmal möchte ich gerne diesen Zauber in meinem Alltag integrieren können, als Teil meiner Phantasie, und ansatzweise tue ich es ja auch, wenn ich mich im Spiel mit meiner Tochter ganz vergessen kann. Aber ganz im Ernst: ich glaube weder an Prinzen noch an Prinzessinnen. Zwar wäre es schön, daran zu glauben, noch schöner vielleicht wäre es, der leibhaftigen Prinzessin zu begegnen, aber in der realen Welt bleibt kein Platz übrig für solche Hirngespinste. Als Prinz taugte ich ohnehin nicht, habe meine Macken und vor allem meine negativen Seiten, das will ich gar nicht wegdiskutieren. Ich habe auch meine Vorzüge, und die möchte ich nicht unters Licht stellen. Aber ich bin nur als Gesamtpaket zu haben. Prinzen und Prinzessinnen sind demgegenüber makellos, durch und durch schön, wohl ewig schön, mutig, tapfer und furchtlos. Tamino verliebt sich augenblicklich in Pamina - und umgekehrt auch. Schön für die beiden, aber das dürfte wohl nur in der Märchenwelt möglich sein, denn Beziehungen bedürfen anspruchsvoller Arbeit, Beziehungsarbeit eben. Gerne würde ich jener Pamina begegnen, die mich so sehr begehrt und die ich so sehr begehre, und dies ohne Zweifel, ohne Wenn und Aber, ohne Vorbehalte.

Die Erwachsenenwelt lässt aber keinen Raum zu für Prinzen und Prinzessinnen. Die Entzauberung der Welt ist unaufhaltsam. Meine Tochter, die im Herbst 8 wird, glaubt nicht mehr an den Weihnachtsmann, und den Trick mit den Ostereiern hat sie schon seit längerem durchschaut. Die Phantasie verkümmert - und ich warte vergeblich auf meine Prinzessin - suchen mag ich sie schon gar nicht mehr.

Montag, 29. März 2010

schreckliche, nagende Unruhe

Heute Abend attackiert mich eine unbeschreibliche, nagende und unbarmherzige Unruhe, ich weiss nicht, woher sie kommt, ich kann sie nicht lokalisieren, aber sie verfolgt mich auf Schritt und Tritt. Nichts kann mich trösten, und wenn doch, dann für einen Moment, immerhin, Musik, oder Literatur, ich lese wieder vermehrt Frisch, namentlich seine Tagebücher. Wohin geht die Lebensreise, jetzt, wo man "mitten im Leben" steht? Ich weiss es nicht. Alles bleibt im Fragmentarischen, es gibt keine Sicherheit. Anstrengend ist das Leben. Was ich vor allem vermisse ist eine gewisse Gnade, eine Gnade des Lebens. Aber Gnade lässt sich nicht verordnen, man findet sie vor oder eben nicht. Man muss an ihr glauben. Allein, mir fehlt dieser Glaube.

Zur Zeit liebe ich die Musik von Sophie Hunger, vor allem in solchen Augenblicken nagender Unruhe, erstaunlich, dass mich Musik einer 29 jährigen Frau so fesseln kann. Sie bringt etwas zum Ausdruck, das mich tief berührt und erschaudern lässt.
Genau so fühle ich mich heute Abend, wie dieser Song - Rise and Fall.

Wochenausblick

Eine "tochterfreie" Woche steht mir bevor - ich gebe die Kleine heute meiner Exfrau ab, so wie immer am Montagabend, dann findet stets der Schichtwechsel statt. Wir essen dann jeweils noch zusammen, ehe ich von dannen ziehe.
Was werde ich in dieser Woche machen? Nun, es wird eine kurze Woche sein, über die Ostertage machen wir ohnehin etwas zusammen - je nach Wetter gehen wir in die Berge. Ich habe also den bevorstehenden Abend sowie Dienstag- und Mittwochabend frei, am Donnerstag gehen wir in die Oper ("la finta giardiniera", Mozarts erste Oper, komponiert hat er sie mit 19 Jahren). Die Voraussetzungen für gemütliche Abende sind nicht schlecht, zumindest heute haben wir schönstes Frühlingswetter, ich habe auf meiner kleinen Terrasse Abendsonne. Lesen möchte ich wieder, ungestört und in vollen Zügen. Doch ich weiss, dass mich meine Konzentration im Stich lassen wird, die innere Unruhe wird sich wieder melden und mich herumtigern lassen. Dieser Zustand ist unproduktiv, aber ich kann im Moment nichts dagegen tun, auch Sport hilft wenig. Eines würde helfen: das Akzeptieren der aktuellen Situation, versuchen, das Beste daraus zu machen und versuchen, diese auch als Chance wahrzunehmen. Ich gebe zu, dass mich diese Situation herausfordert, je später der Abend, umso grösser die Unruhe und das Grübeln. Aber das ist, leider, auch nichts Neues.

Sonntag, 28. März 2010

Sonntagsbilanz

Sonntag - wenn ich eine Sonntgsbilanz ziehen müsste, würde sie lauten: gemütlich, aber letztlich von Traurigkeit geprägt. Morgens das übliche Sonntagsritual mit den Zeitungen, die Tochter spielt, zeitweise auch mit mir, dann kommt das Sonntagsmärchen auf KIKA, derweil ich das Mittagessen zubereite, dies mit Unterstützung meiner Exfrau, die inzwischen angekommen ist. Wir plaudern über dieses und jenes und haben auch beschlossen, im Sommer gemeinsam in die Ferien zu fahren an die Ostsee. Dann: essen, schwatzen, Küche wieder aufräumen, meine Exfrau geht dann wieder, ich spiele noch etwas mit der Tochter. Eine Stunde später brechen wir auf, um an ein Konzert zu gehen ("Bach und seine Söhne"). Meine Exfrau ist auch dabei, sie liebt den guten JS Bach auch. Die Tochter ist müde, ihr gefällt Bach auch, aber was seine Söhne komponiert haben, weniger, und ich muss sagen: mir gefällts auch nicht, die Musik lässt mich kalt. Nach dem Konzert gehen wir nach Hause, diesmal getrennte Wege, die Tochter ist noch heute Abend bei mir. Zu Hause angekommen: Nachtessen zubereiten, die Kleine duscht noch, dann das übliche Abendritual. Das war also mein Sonntag.
Nun sagt mir meine Vernunft bzw. meine Müdigkeit, dass ich ins Bett gehen sollte, aber ich mag nicht ins Bett gehen. Ich bin in einem gewissen Sinne unzufrieden, den Gedanken an nächste Woche verdränge ich, so gut es geht. Ich bin ausgelaugt, verspüre tiefe Sehnsucht in mir, kann sie aber nicht genau benennen, es ist Sehnsucht nach Ruhe, Verlässlichkeit, Liebe, Geborgenheit. Die berühmte Schulter, an die man sich eben anlehnen kann. Doch da ist nichts dergleichen vorhanden. Affären genügen mir nicht, die brauche ich zwar auch, weil ich nun mal ein Mensch bin mit einem Sexualtrieb, der noch da ist und mich manchmal gehörig aufpeitscht. Aber das allein kann es ja nicht gewesen sein. Nihilismus macht sich breit, zeitweise zumindest. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als da durchzugehen, es ist eine Wanderung ohne klares Ziel, ohne erkennbare Perspektive, die Wetterverhältnisse sind weitgehend unbekannt, alles in allem eine eher unangenehme Reise, die ich antrete bzw. seit langem mache. So werde ich diesen verfluchten Montag bald in Angriff nehmen, werde aufstehen, mich duschen, rasieren, halt das übliche Ritual des Morgens durchlaufen, die Kleine dann wecken, Frühstücken, zum Schulhaus laufen, dann den Tag in Angriff nehmen.
Und bei all dem werde ich mir sagen: schon wieder eine Woche vorüber, schon wieder eine neue Woche bevorstehend. Das Leben als etwas immer Wiederkehrendes...und ich denke an die Worte Nietzsches:
Dieses Leben, wie du es jetzt lebst und gelebt hast, wirst du noch einmal und noch unzählige Male leben müssen; und es wird nichts Neues daran sein, sondern jeder Schmerz und jede Lust und jeder Gedanke und Seufzer und alles unsäglich Kleine und Grosse deines Lebens muss dir wiederkommen, und Alles in der selben Reihe und Folge – und ebenso diese Spinne und dieses Mondlicht zwischen den Bäumen, und ebenso dieser Augenblick und ich selber. Die ewige Sanduhr des Daseins wird immer wieder umgedreht – und du mit ihr, Stäubchen vom Staube!“

Samstag, 27. März 2010

Treten vor Ort

Heute war dieses Frühlingsfest auf dem Schulhausareal. Bei regnerischem und kühlem Wetter spielten und johlten die Kinder, verkauften dieses oder jenes, dort ein Stand mit würzigen Speisen, hier ein Stand mit Sirup aus biologischer Produktion, dort eine Schülerband, hier ein Zeichnungswettbewerb für Kindergartenkinder. Ich begegne allerlei Leuten, ein Gruss hier, ein Schwätzchen dort. Ich beobachte, wie meine Tochter mit grosser Lebensfreude umher springt und spielt und von wilden Buben gejagt wird. Eine schöne Stimmung, und gleichzeitig spüre ich wiederum dieses sonderbare Gefühl absoluter Einsamkeit. Dunkle Wolken ziehen über uns, der kalte Wind durchdringt die Kleider, grau ist es.

Womit beschäftige ich mich aktuell in meinem Leben? Was tue ich hauptsächlich? Eigentlich bin ich zur Zeit vor allem Vater, dies ist meine Hauptfunktion. Darüber hinaus gehe ich meinem Beruf nach, ohne Freude allerdings, ich will da raus und suche intensiv nach einer neuen Herausforderung. Ansonsten ist wenig auszumachen, Routine, Alltag.

Was mich tröstet ist schreiben und Musik. Aber es bleibt Trost, mehr nicht. Und ich erlebe auch immer wieder Enttäuschungen und tappe immer wieder in die Falle des Wartenden. Ich hasse es zu warten, weil warten ein Zustand der Abhängigkeit ist. Aber so autonom und frei von äusseren Einflüssen, wie ich gerne sein möchte, bin ich nicht. Die Sehnsucht nach Stabilität und Verbindlichkeit ist stark und lässt sich nicht verleugnen. Ich wehre mich ja auch nicht dagegen, nur erlebe ich die Welt - meine Welt- als eben gerade instabil und wenig berechenbar. Die Verlässlichkeit, nach der ich mich sehne, bleibt aus, es kommt mir vor, als sei vieles, ja alles im Unverbindlichen und Vorläufigen. Ja, Unverbindlichkeit und Instabilität als sichere Werte, so paradox dies klingen mag.

Gegengifte: Musik. Heute Abend bin ich in einer sehr eigentümlichen Stimmung, die nach Bach ruft. Bach beruhigt und nimmt meine melancholische Stimmung ganz auf, ich kann mich von seiner Musik treiben lassen, sie entführt mich in ganz andere Sphären jenseits jeglicher Beschreibungen. Mozart treibt mich an, Bach hingegen holt mich genau dort ab, wo ich stehe.
Und wenn dann noch Hilary Hahn, die oben auf dem Bild zu sehen ist, Bach spielt, bin ich ganz und gar weg. Nicht mehr ansprechbar. Genau das brauche ich jetzt noch heute Abend vor dem Einschlafen.

Freitag, 26. März 2010

Der Schnellzug

Ein Wochenende steht wieder bevor. Morgen wird es dauernd regnen, ausgerechnet wenn meine Tochter mit ihrer Klasse das Frühlingsfest begeht. Na ja, für solche Dinge gibt es schliesslich gute Kleider gegen Regen :-).
Ansonsten: nichts, was zu vermerken wäre, ich habe kein aufregendes Leben, aber das brauche ich nicht, was ich brauche, ist ein Rahmen, an dem ich mich orientieren kann. Ich möchte gerne autonomer sein, autonomer von äusseren Bedingungen, aber das gelingt mir nur ansatzweise. Ich stehe mitten im Leben und habe manchmal das Gefühl, vieles zu verpassen, das Bild des Schnellzuges nistet sich ein, ich bin im rasenden Zug, ich kann ihn aber nicht anhalten, obwohl ich eigentlich aussteigen möchte, um die Landschaft zu erkunden, frische Luft zu schnappen - einfach draussen sein und leben, aber nein, der Zug rollt und rollt gnadenlos weiter, ich habe keine Chance, ihn aufzuhalten. So kommt mir manchmal das Leben vor, ein Wettrennen gegen die verlorene Zeit. Die Tage, sie gehen so schnell vorbei, und oftmals dieses verfluchte Gefühl, dabei etwas verpasst zu haben.
Heute Abend ist Sophie Zelmani ganz in meiner Nähe, sie gibt hier ein Konzert, aber leider ist alles ausverkauft. Ach, wie schade, ich würde bei diesem Song so gerne live dabei sein....

Mittwoch, 24. März 2010

Begegnungen im Kinderkleiderladen

Heute Mittag habe ich für meine Tochter im Hinblick auf unseren Trip zum Roten Meer Kleider eingekauft - ich kenne in der Zwischenzeit den Stil meiner Tochter gut, also kann ich mir das auch leisten :-). Also, nichts wie los.
Im Laden angekommen sehe ich lauter Mütter, von Vätern keine Spur. Was machen bloss die Väter, denke ich mir, glauben die, dass dies nicht zu ihrem Job gehört? Offenbar gehöre ich diesbezüglich zu sonderbaren Exoten, die das tun, ich begutachte Hosen, T-Shirts, Röcke, Blusen, Socken und dergleichen mehr. Ich komme mir dabei beobachtet vor, gewisse Mütter scheinen sich darob zu amüsieren, andere finden das wohl rührend. Ich komme mit einer jungen Mutter ins Gespräch. Das tue ihr Mann nicht, sagt sie mir gleich zu Beginn des Gesprächs. Ach so, sage ich, ja weshalb denn nicht? Weil er glaubt, dass dies meine Aufgabe sei und er anderes zu tun habe. Aha, war meine saloppe Antwort. Pause, dann weiterer Wortwechsel über das Wetter und den Frühling. Und dann ich, ob sie Zeit für einen Kaffee hätte. Sie hat Zeit.
Fortsetzung folgt - vielleicht.

Dienstag, 23. März 2010

Warum seid Ihr so traurig?

Warum syt dir so truurig?
Wohl, me gseht nech's doch a
Söttet emal öiji Gsichter
Gseh, wenn der sitzet im Büro
Söttet emal öiji Gsichter
Gseh, wenn der fahret im Tram

Warum syt dir so truurig?
S'geit doch so wi der's weit
Frou u Chind sy doch zwäg, im
Pruef geit's geng e chly vorwärts
S'längt doch ou hie und da
Scho für nes chlys Drübery
Warum syt dir so truurig?
Förchtet der das, wo chönnt cho?
Aber dir syt doch versicheret
Gäge die mügleche Zuefäll
Und wenn ds Alter de chunnt
Heit der e rächti Pension

Warum syt dir so truurig?
Nei, dir wüsset ke Grund
Vilicht, wenn der e Grund hättet
Wäret der weniger truurig
Mänge, wenn ds Läben ihm wehtuet
Bsinnt sech derdür wider dra


Ich mag diesen Text von Mani Matter, weil er, typisch für Matter, so schlicht daher kommt. Ich übersetze ihn an dieser Stelle sinngemäss auf Hochdeutsch.

Warum seid ihr so traurig?
Doch, man sieht es euch an.
Ihr solltet mal eure Gesichter sehen im Geschäft
Ihr solltet mal eure Gesichter sehen in der Strassenbahn

Warum seid ihr so traurig?
Es geht doch so, wie ihr wollt
Frau und Kind sind doch gesund
und im Beruf geht es immer etwas vorwärts
es reicht sogar hie und da
für einen kleinen Luxus

Warum seid ihr so traurig?
Fürchtet ihr Euch vor dem, was noch kommen mag?
Aber ihr habt doch eine Versicherung gegen alle möglichen Zufälle
Und wenn dann das Alter kommt, habt ihr doch eine schöne Pension

Warum seid ihr so traurig?
Nein, ihr könnt keinen Grund nennen
Wenn ihr einen Grund hättet, wäre die Trauer weniger gross
Manch einer, wenn ihm das Leben wirklich weh tut
wird sich daran erinnern

Montag, 22. März 2010

naive Bedürfnisse

Heute Nachmittag habe ich meine Tochter von der Schule abgeholt. Montags mache ich dies regelmässig. Ich sah auf dem Schulhausplatz spielende Kinder, die scheinbar völlig sorglos herumtobten und die sanfte Sonne genossen. Dort spielende Mädchen mit einem Springseil, dort Knaben, die so tun, als würden sie Fussball spielen. Die Umgebung ist auch friedlich, ein ruhiges Quartier (Viertel) mit viel Grünflächen, der grosse Wald ist in unmittelbarer Nähe.

Ich hatte heute bei diesem Anblick einmal mehr das naive Bedürfnis, die Kindheit nochmals erleben zu dürfen, einfach nur da sein zu dürfen, spielen, nicht an morgen denken, nicht an drohende Rechnungen der Steuerbehörden, frei von Zukunftsängsten, frei von schweren Gedanken und im Hier und Jetzt lebend. Ich will damit die Kindheit nicht romantisch verklären, aber eine behütete Kindheit ist etwas sehr Schönes und Unbeschwertes - und etwas absolut Elementares. Aber ich weiss gleichzeitig, dass mein naives Bedürfnis letztlich dem Wunsch entspringt, im Paradies zu leben, also dort, wo Milch und Honig fliessen.

Auch ich bin aber froh darüber, dass sich Eva von der Schlange verführen liess und vom Baum der Erkenntnis die verbotene Frucht zu sich nahm. Zwar wurden die Menschen als Strafe aus dem Paradies vertrieben, dafür erhielten sie die Freiheit. Freiheit, selber zu denken und Entscheidungen zu treffen, vor allem aber frei entscheiden zu können über Gut und Böse. Der Preis der Freiheit ist hoch, aber es gibt zur Freiheit keine valable Alternative, nur Knechtschaft.

Kinder dürfen und sollen möglichst sorglos aufwachsen können, bewusst jenseits der Erwachsenenlogik und damit jenseits der sog. "Sachzwänge". Ich versuche jeweils, ein Stück von diesem "Kinderkuchen" für mich abzuschneiden, indem ich mich für einen Augenblick ganz auf die Welt des Kindes einlasse, indem auch ich mich verkleide, Sandburgen baue, den Räuber spiele, kurz: indem ich das kindliche Ich in mir aktiviere und aufblühen lasse. Das gelingt nicht immer, der Druck des Alltags wiegt manchmal allzu schwer und verunmöglicht es mir, mein kindliches Ich zur Entfaltung zu bringen. Der Preis der Freiheit und der Mündigkeit ist hoch.

Sonntag, 21. März 2010

Skeptizismus

Sonntagabend - ich verzichte auf einen Wochenrückblick, wozu denn auch. Morgen beginnt eine neue Woche, ich trete sie ohne Illusionen an, ohne Hoffnung auch. Das heisst nicht, dass ich hoffnungslos wäre, aber ich hüte mich vor billigem Optimismus. Ich schütze mich damit auch vor Enttäuschungen und habe somit auch keine Erwartungen. Ich denke, dass Skeptiker die fröhlicheren Menschen sind, weil sie sich nicht so schnell aus der Bahn werfen lassen, weil sie der Welt mit Nüchternheit begegnen.

Mein Leben gleicht einer gut geölten Maschine, routiniert, alles geht seinen sozialistischen Gang, und manchmal erfasst mich ob dieser Tatsache der Ekel: 0600 Uhr läutet der Radiowecker, die Nachrichten werden gehört. Dann die Wetterprognosen, es ist mittlerweile 0620 Uhr. Dann langsam aufstehen, Mozart auflegen, Frühstück zubereiten, dann duschen, rasieren, Frühstück einnehmen, Kaffee trinken, die Kleine holen, das Morgenritual mit ihr durchführen, dann das Geschirr abräumen, Zähneputzen, Wohnung durchlüften, die Kanarienvögel verpflegen, dann langsam raus aus der Wohnung.

Und so weiter.
Ich sehe zu all dem keine Alternativen, und ich gestehe, dass mich die Routine auch beruhigt. Unvorhergesehenes mag ich nicht so sehr. Das heisst, ich bin ambivalent.

Und schrecklich melancholisch an diesem Sonntagabend.

Sonntag

Was tut man an einem freien Sonntag? Zum Beispiel Bilanz des Vorabends ziehen. Nun, es war so, wie ich es vermutete mit jener Frau, die um einige Jahre jünger ist als ich. Sie ist auf der Suche nach einem neuen Partner - und sie wünscht sich noch Kinder. Und sie erzählt mir von ihrer Liebelei der letzten Wochen. Ich nicke, mache mein kluges Gesicht und erzähle meinerseits über dieses und jenes. Schön, willkommen am Samstagabend im Beziehungsmarkt. Ich gestehe, dass das Ganze mich in einer gewissen Weise ermüdet. Dieses Spiel um Angebot und Nachfrage geht mir auf den Geist, dieses immerwährende sich erklären, sich erläutern, darstellen. Andererseits will ich nicht passiv zu Hause sitzen, Wunder geschehen bekanntlich keine, oder nur dann, wenn man daran glaubt, und ich glaube nun mal nicht an Wunder.

Ich habe spontan beschlossen, an diesem regnerisch-trüben Sonntag ins Opernhaus nach Zürich zu fahren, ich nehme die Kleine mit, weil ich sie erfolgreich :-) mit dem Mozartvirus angesteckt habe und sie sich -buchstäblich- wie eben ein kleines Kind darauf freut, in diesem imposanten grossen Haus den schönen Stimmen und Chören zu lauschen - und dabei die Phantasie walten lässt, um sich ins Reich der Märchen und Träume entführen zu lassen. Auf dem Programm steht La Clemenza di Tito, die Geschichte des römischen Kaisers Titus, der, scheinbar unbeteiligt, dem Lauf der Dinge freien Lauf lässt und Milde walten liess, auch gegenüber seinen Widersachern, Feinden und Verrätern - Rache liegt ihm nicht, Todesurteile des Senats unterzeichnet er nicht, vielmehr übt er Gnade aus. Titus als Vorläufer des aufgeklärten Absolutismus.
Also: heute Nachmittag 1400 Uhr, Opernhaus Zürich - wer mich sucht, ich sitze im Parkett, Reihe 2 rechts :-).

Samstag, 20. März 2010

Samstagabend

Was macht man an einem Samstagabend, zumal wenn die Tochter bei der Mama ist? Ich habe gewissermassen frei, und ich werde heute Abend nicht zu Hause sitzen, sondern mich mit einer Frau treffen. Ich habe sie erst kürzlich kennengelernt, diese kluge Frau, Mutter eines Kleinkindes, alleinerziehend, Psychologin, auf der Suche nach einem neuen Partner. Das hat sie mir nicht so direkt verkündet, aber man merkt ja bald einmal, wer ein kurzlebiges "Abenteuer" oder wer eher etwas "Seriöses" sucht. Natürlich, das Gefühl kann täuschen, aber ich gehe mal davon aus, dass ich intuitiv richtig liege. Ich habe keinerlei Erwartungen, ich werde im italienischen Restaurant in aller Ruhe meine Pasta essen und den toskanischen Wein dazu geniessen, ich erwarte nichts, vermutlich um mich vor Enttäuschungen zu schützen. Ich selber suche mit dieser Frau aber auch kein Abenteuer, eigentlich weiss ich gar nicht, was ich suche oder ob ich suche, ich lasse mich einfach auf diesen Prozess ein. Ich wünsche mir lediglich einen entspannten Abend und ein kluges Gespräch - das wäre ja schon viel. Meine Gefühlslage würde ich heute Abend als diffus bezeichnen.

Freitag, 19. März 2010

Ferienreif

Ich bin ferienreif - müde und abgekämpft fühle ich mich an diesem Freitagabend. Deshalb habe ich heute spontan eine Woche Ferien am Roten Meer gebucht. Mitte April fliege ich mit meiner Tochter nach Ägypten, um auszuspannen, Sandburgen zu bauen, zu schwimmen, tauchen... endlich wieder einmal dieses Geschäft Geschäft sein lassen, die Seele baumeln lassen und allerlei Unfug treiben. Ich freue mich schon jetzt darauf - und die Kleine ist schon jetzt ganz aufgeregt und glaubt, endlich dem wahrhaftigen Schnappi zu begegnen, der ja bekanntlich am Nil zu Hause ist.

Donnerstag, 18. März 2010

Erinnerungen an die letzten Tage der DDR

Heute vor exakt 20 Jahren fanden in der DDR die ersten freien Wahlen statt, die den Weg zur Wiedervereinigung ebneten. Ich war damals in Ostberlin und habe mitgefiebert, ich wollte diesen historischen Moment hautnah miterleben. Samstagnachmittags sind wir von Parteizentrale zu Parteizentrale gezogen, haben die letzten Wortschlachten, Versprechungen und grossen Reden mitbekommen. Ich sehe mich noch in einem unglaublich grossen Saal voller Menschen, die laut skandierten und so taten, als hätten sie schon immer Wahlkampf geführt, ganz vorne Gysi auf der Bühne und andere suspekte Figuren. Mein damaliger Kumpel in Ostberlin votierte für die angeblich neue SED, als überzeugter Kommunist konnte er nicht über seinen eigenen Schatten springen. Am Tag der Wahl, also am Sonntag des 18. März 1990, waren wir abends in den Strassen unterwegs, wir erlebten eine unglaubliche Aufbruchstimmung, es war wie Fieber, das sich breit machte. Auch ich und meine damaligen Kolleginnen und Kollegen sind von dieser eigenartigen und einmaligen Stimmung erfasst worden, wir liessen uns anstecken und waren die ganze Nacht lang auf und zogen durch die fiebrigen Strassen Ostberlins. Wir staunten, als wir zur Kenntnis nehmen mussten, dass die CDU und ihre "Allianz für Deutschland" die Wahlen gewinnen würde.

Das waren schöne Momente, damals in Ostberlin.

Mittwoch, 17. März 2010

Meine Exfrau

Ich bin heute mit meiner Exfrau Mittagessen gegangen, genauer: sie hat mich in einem französischen Bistrot zu einem feinen Essen eingeladen. Seit wir uns getrennt haben, kommen wir viel besser miteinander aus. Wir sehen uns regelmässig, das heisst beinahe täglich, wir gehen zusammen joggen, essen, trinken, manchmal in die Oper, ins Kino, natürlich auch auf den Kinderspielplatz, in den Zoo, zum Jazzkonzert. Wir helfen einander, wo wir können. Ich habe ihre Steuererklärung ausgefüllt, dafür lädt sich mich dann zu einem Essen oder einem feinen Tropfen Wein ein. Oder sie prüft mein Bewerbungsdossier und greift schnell zum Rotstift. usw. Neuerdings delegiert sie ihre Wahl- und Abstimmungsunterlagen an mich, mandatiert mich natürlich mit ihren Wahl- und Abstimmungsparolen, und ich fülle dies selbstverständlich nach ihren Vorgaben aus - es wird nicht gemogelt :-), was auch nicht nötig wäre, wir sind uns in mindestens 90 % der Fälle einig.

Meine Exfrau ist gewissermassen zu meiner Schwester geworden, und ich bin wohl so etwas wie ihr Bruder (sie hat aber bereits deren drei im Original). Wir führen oftmals Streitgespräche, durchaus kultiviert, aber wir sagen einander die Meinung, deutsch und deutlich, wir schonen uns nicht. Vor allem reden wir über den Beruf, über die Mühen des Alltags, natürlich über das gemeinsame Kind, aber auch über verpasste Chancen und nicht realisierte Liebschaften - halt über Gott und die Welt. Am Wochenende gehen wir wieder wandern, mit Vorliebe einem Gewässer entlang, die Tochter kann so wunderbar spielen, derweil wir plaudern können, aber wir halten auch das Schweigen aus.

Geschieden sind wir im übrigen nicht - und wir haben auch nicht die Absicht, dies in absehbarer Zeit zu tun. Weshalb denn bloss?

Dienstag, 16. März 2010

Bewerbung - und Sophie Zelmani

Ich habe mich vor eingier Zeit um eine neue Stelle beworben, mehr aus Verlegenheit als auch echtem Interesse, und nicht zuletzt auch um meine Marktchancen mal wieder zu testen. Resultat: durchzogen. Zwar habe ich drei Runden überlebt, in der letzten Runde war nur noch ein Konkurrent vorhanden, und diesem ist schlussendlich der Vorzug gegeben worden. Die Gründe konnte mir der Verantwortliche des Prozedere nicht genau benennen, es sei ein schwieriger Entscheid gewesen, am Schluss spiele halt auch die Chemie eine Rolle und politische Überlegungen. Na gut, ich bin nicht erschüttert, eher müde und abgeklärt. Bewerbungsrituale haben etwas Ermüdendes, zumal wenn sie sich über einen Zeitraum von über zwei Monaten erstrecken.
Was ich jetzt tue an diesem Dienstagabend? ein Melissenbad nehmen, Mozart hören, zu guter Letzt einen Krimi 'reinziehen. Und versuchen, aus diesem Marathon etwas zu lernen. Was wichtig ist: Gelassenheit und die Zuversicht, dass es beim nächsten oder übernächsten Mal klappen wird. Glücklicherweise bin ich zeitlich nicht unter Druck. Aber ich merke schon; das, was ich jetzt beruflich tue, mache ich aus Vernunft - von Passion kann keine Rede mehr sein.

Übrigens: ich habe nicht nur eine Schwäche für Sophie Hunger, nein, auch Sophie Zelmani erwärmt mein Herz - und wie.

Montag, 15. März 2010

Sophie Hunger

Was für eine schöne Frau, was für eine Ausdruckskraft, was für eine Stimme.
Ich mag sie, Sophie Hunger, geboren am 31. März 1983 in Bern, hier zu bestaunen in einer Adaption eines wunderschön-traurig-melancholischen Liedes von Jacques Brel.

Verlass mich nicht

Wir müssen vergessen,
alles kann man vergessen
was sowieso schon vergangen ist,
die Zeit vergessen
die Missverständnisse,
und die vergeudete Zeit,
man sollte wissen wie
man diese Stunden vergessen kann,
die manchmal durch die Frage
"Warum ?" das Glück töten können,
Verlass mich nicht (4x)

Ich werde dir Regentropfen anbieten
die aus Ländern kommen,
in denen es nicht regnet.
Ich werde in der Erde graben
bis nach meinem Tod
um deinen Körper mit Gold und Glanz
zu bedecken
Ich werde Dir ein Reich erschaffen
wo die Liebe regieren wird
wo Liebe das Gesetz sein wird
wo du die Königin sein wirst.
Verlass mich nicht (4x)

Ich werde für dich verrückte Worte erfinden,
die nur du verstehen wirst,
Ich werde dir
von jenen Verliebten erzählen,
die zweimal gesehen haben, wie ihre Herzen
sich umarmten.
Ich werde dir die Geschichte jenes Königs erzählen,
der starb, weil er dich nicht treffen konnte.
Verlass mich nicht (4x)

Man hat oft einen alten Vulkan Feuer speien sehen, von dem man dachte er sei zu alt dafür.
Asche als Dünger gibt mehr Getreide
als ein guter April.
Und wenn der Abend kommt,
wenn der Himmel auflodert rot und schwarz
dann vermischen sich die Farben nicht.
Verlass mich nicht (4x)

Ich werde nicht mehr weinen
Ich werde nicht mehr reden
Ich verstecke mich dort
um dich beim tanzen und lächeln anzusehen
und um dir zuzuhören
beim singen und dann beim lachen
Lass mich der Schatten deines Schattens werden,
der Schatten deiner Hand
der Schatten deines Hundes
Verlass mich nicht (4)

Sonntag, 14. März 2010

Vom falschen Dosenöffner

Heute hat mir meine Exfrau das folgende Geschichtchen erzählt: sie hätte letzte Woche ihren Dosenöffner gesucht, um sich einen feinen Thonsalat zu machen. Sie sei überzeugt gewesen, einen weissen Dosenöffner zu haben, und den habe sie fieberhaft gesucht. In der Küche: nichts, auch in den anderen Räumen habe sich das Ding nicht verirrt. Und die Nachbarn waren alle weg. Also kein Thonsalat.

Das habe sie aber genervt, sie wollte unbedingt einen Thonsalat. Was tun? Halt nochmals suchen. Dann überlegte sie nochmals und meinte dann zu sich selbst: Herrgott, ist denn dieser Dosenöffner wirklich weiss? Nein, kam es ihr plötzlich in den Sinn, der habe ja zwei schwarze Griffe. Und prompt hat sie dann ihren Dosenöffner gefunden - und der Thonsalat war ganz fein.

Natürlich, das ist eine wunderbare Metapher. Krampfhaft habe sie nach dem weissen Dosenöffner gesucht und darum den tatsächlich vorhandenen Dosenöffner nicht gesehen. Ja, geht es uns im Leben oftmals nicht ebenso? Wir haben fixe Ideen und Vorstellungen und sehen gerade darum das Naheliegende nicht. Vieles, was vorhanden wäre, wird nicht entdeckt, bleibt liegen, die fixe Idee dominiert und beherrscht unsere Sinne.

Man sieht nur das, was man kennt - und man sieht nur das, was man sich im Kopf bereitgestellt hat.

Samstag, 13. März 2010

Illusionen

Heute Abend war ich an der Geburtstagsfeier meines deutschen Kollegen - das war ein netter Abend, mit vielen Leuten und einigen Kindern, die Ramba-Zamba gemacht haben. Wir feierten seinen 48. Geburtstag - den habe ich schon gefeiert, mein 49. Geburtstag steht mir dieses Jahr noch bevor.
Was war da los an diesem Geburtstagsfest? Menschen kamen zusammen, die in der sog. Lebensmitte stehen. Dort ein Anwalt, hier eine Strafrechtlerin, neben mir eine Verwaltungsjuristin, links daneben ein Architekt usw. Ich unterhalte mich mit einer Juristin, die gerade mal rund 10 Jahre älter ist als ich. Was ich sah: eine alte Frau, voller Falten, klug, analytisch, durchaus sympathisch, aber alt. Und sie war keine 10 Jahre älter als ich. Ich stellte mir vor, wie es wäre, eine solche Frau zu küssen, und es lief mir eiskalt den Rücken herunter. Panik nahm von mir Besitz, der schwere Burgunder, der kredenzt worden ist, liess mich zusätzlich schwitzen. Sehe ich auch so alt aus bzw. werde ich bald auch so alt aussehen, schoss es mir durch den Kopf. Ich schaue dann weiter in die Runde und sehe Menschen, die mehr oder weniger zu meiner Generation gehören. Ich erschrecke ein wenig, und dann, wie angeschossen, denke ich mir: verdammt, du verpasst irgend was in deinem Leben. Was ich verpasse, weiss ich nicht, es ist ein diffuses Gefühl an diesem Abend, die Leute lachen, reden über sich, ihr Leben und ihre Karrieren, ich selber gebe nett Auskunft über mich und denke mir: was tue ich da? Ich empfinde für einen Augenblick ein seltsames Gefühl von Entfremdung.
Dann spielte ich mit den Kindern, spiele den Clown, Räuber und Polizisten, den Kindern gefällt's, die Post geht ab. Ich merke: Kinder tun mir gut. Sie vermitteln die Illusion, jung zu sein bzw. jung zu bleiben. Sie johlen, wenn ich Faxen mache oder das eine oder andere Kind durch die Luft wirbeln lasse.
Manchmal tut es gut, in Illusionen zu leben - nur für eine kurze Zeit, damit die Gegenwart erträglicher wird.
Was ich jetzt gerade mache, an diesem Abend nach der Geburtstagsfeier und nachdem die Kleine nun tief und friedlich schläft? Ja, ich höre Mozart, laut muss es sein, ich brauche diese tägliche Portion. Was für eine geniale Musik, die alles durchdringt. Ich lasse mich entführen, versinke in meine innere Welt und vergesse alles.
Meine tägliche Droge.

Mittwoch, 10. März 2010

120'000 Kisten Gold

Nicht einmal für 120'000 Kisten Gold würde mich meine Tochter verkaufen wollen :-), so die heutige Erklärung von ihr nach dem abendlichen Ritual. Wie beruhigend, dachte ich mir, dass ich also unverkäuflich bin.
Heute hatte ich einen ganz gewöhnlichen Mittwoch, ohne Aufregung, aber auch ohne jegliche Euphorie. Ich lerne, die kleinen Dinge des Lebens zu beachten, vermehrt gerade sie in den Mittelpunkt meiner täglichen Betrachtungen zu stellen. Und heute Abend werde ich mich vor die TV-Kiste stellen und einen Krimi 'reinziehen, mit Vorliebe einen Derrick, vermutlich deshalb, weil mich das an meine Jugend erinnert, immerhin bin ich mit diesem Duo gewissermassen gross geworden. Und wenn Harry schon mal den Wagen holt, ist die Welt für mich - halbwegs, aber immerhin - für einen Augenblick in Ordnung.

Dienstag, 9. März 2010

Willkommen im Beziehungsmarkt

Frage: Was fehlt Singles eigentlich?
Antwort: Sie haben in erster Linie niemanden, der sie in die Arme nimmt, der sie streichelt, sie aufmuntert. Selbst die besten Freunde, mit denen viel Emotionalität möglich ist, können das nicht ersetzen. Zärtlichkeit und Geborgenheit sind ein Lebenselixier.
Ja, so trivial ist das - und so wahr.
Willkommen im Beziehungsmarkt. Beziehungsmarkt - was für ein Wort. Über 10'000 Hinweise spuckt Google unter dem Stichwort hervor.
Beziehungsmarkt - also eine Frage von Angebot und Nachfrage, die Regeln der Marktwirtschaft kommen auch hier zum Tragen. Allerdings ist dieser Markt nicht transparent: man weiss ja nicht, ob jene Dame oder jener Herr auf der Suche nach einer Partnerschaft ist. Und wenn man es weiss, wird die Sache erst recht kompliziert. Oft wird behauptet, Männer hätten es auf diesem Markt einfacher. Mag sein, aber für beide Geschlechter ist es ein mühsamer Weg, mit zunehmendem Alter ohnehin: man hat seine (klaren) Vorstellungen, seine Ecken und Kanten und ist nicht mehr so sehr bereit wie mit 25, Kompromisse einzugehen. Die Vergangenheit ist da und lässt sich nicht entsorgen, im Gegenteil, man muss sie integrieren. Mit zunehmendem Alter wird die Erinnerung an sie umso dominanter und kann dabei schwer wiegen. Geräusche auf der Strasse lassen Erinnerungen hochschiessen, ebenso Plätze, Landschaften, Gerüche, überall sind sie da, die Erinnerungen, die uns umhüllen und uns dabei auch beinahe erdrücken können.

Doch bis man überhaupt so weit ist, eine potenzielle Partnerin bzw. Partner gefunden zu haben, kann viel Zeit vergehen. Bekanntlich laufen Menschen, die auf der Suche nach einer Partnerschaft sind, nicht mit einem entsprechenden Plakat umher, und die Wahrscheinlichkeit, dass es einmal abends unverhofft an der Tür läutet und die Wunschpartnerin da steht, ist doch eher klein :-). Niederlagen sind auf diesem Markt zu verarbeiten und auszuwerten, Leerläufe, Irrwege, Enttäuschungen und dergleichen mehr sind ohnehin Bestandteil des Lebens. Die einen können ob all dem resignieren, andere lassen sich dadurch nicht unterkriegen und geben die Hoffnung nicht auf.
Zärtlichkeit und Geborgenheit sind ein Lebenselixier.
Gerade in der sog. Lebensmitte wird es auf dem Beziehungsmarkt schwierig. Meistens sind Kinder betroffen, Kinder, die zur Kenntnis nehmen müssen, dass ihr Vater bzw. ihre Mutter eine neue Partnerschaft eingeht. Welche Rolle wird der neue Partner einnehmen? Ersatzpapa? Oder, je nach Konstellation, Kollege? Ratgeber, Rivale oder Spielonkel? Alles ist möglich. Und dann kann sich darüber hinaus die Kinderfrage stellen: will die potenzielle neue Partnerin bzw. der neue Partner noch Kinder? Will ich selber noch Kinder?
Ich habe mir eine der zahlreichen Online-Partneragenturen etwas näher angeschaut, aus Neugier und oberflächlichem Interesse. Es ist schon komisch, wie das Ganze aufgebaut ist: man klickt sich von Angebot zu Angebot (wie in den Regalen des Supermarkts), schaut sich gewisse "Profile" näher an ("bin tolerant und kinderliebend"), klickt dann weiter oder nimmt mit der besagten Person allenfalls Kontakt auf - nachdem man zahlendes Mitglied geworden ist. Bewerbung online, man preist sich an, so läuft offenbar das Spiel.
Bewerbung - nicht nur im Beruf, auch in Sachen Partnerschaft und Liebe. Und das gilt beileibe nicht nur bei der organisierten Partnersuche, sondern auch im städtischen Bus, in der Beiz, überall, wo Menschen zufälligerweise zusammenkommen, herrscht das Gesetz von Angebot und Nachfrage.
Zärtlichkeit und Geborgenheit sind ein Lebenselixier.
Was, wenn dieses zentrale Lebenselixier fehlt? Wenn Angebot und Nachfrage nicht im Einklang stehen?
Ein Leben ohne Sauerstoff ist nicht denkbar.

Montag, 8. März 2010

...kann doch nicht alles gewesen sein....

Immer wieder stosse ich auf dieses Lied, morgens, wenn ich aufwache, wenn ich unterwegs auf dem Fahrrad oder im städtischen Bus bin, oder mittags beim Essen, nachmittags bei der Kaffeepause, abends, ja vor allem abends, wenn es bei mir zu Hause ganz ruhig ist. Dann kommen sie, genau diese Gedanken, sie stacheln mich an, beunruhigen mich, fressen mich manchmal geradezu auf, vereinnahmen mich.
Leben - eben.

Wochenbeginn

Eine neue Woche startet, unspektakulär und in gewohnten Bahnen. Meine Tochter wird diese Woche bei mir sein und mich damit ablenken - ablenken vom Alltag, vom Ekel, vom Warten und von der Absurdität. Ja, so ist es nun einmal, wenn die Kleine da ist, bin ich ganz bei mir, da gibt es keinen Platz für Schwermut, manchmal flackern sie kurz auf, aber sie mögen mich nicht dominieren. Kinder merken viel, durchschauen uns, vor allem auch dann, wenn wir eine Maske tragen, unkonzentriert sind oder sonst wie geistig abwesend sind. Sie registrieren viel und sprechen das "Feinstoffliche" direkt an.
So werde ich diese Woche unbekümmert sein, herumalbern können, beim Basteln mit Holz mit der kleinen Säge herum experimentieren, morgens den Tamino aus voller Kehler imitieren, und kurz vor dem Abendessen werde auch ich kurz den Kinderkanal gucken, die Geschichten des Sandmännchens mögen auch mich beruhigen.

Sonntag, 7. März 2010

über das Warten

Heute Abend ist mir einmal mehr bewusst geworden, dass der Zustand des Wartens etwas Furchtbares ist. Warten auf irgend etwas oder irgend jemand macht letztlich krank, es versetzt uns in einen passiven Zustand und raubt uns damit das aktive Handeln. Becket hat sich bekanntlich in Warten auf Godot mit "dem Warten" auseinandergesetzt, ebenso Kafka (etwa im vor dem Gesetz) oder etwa auch, scheinbar trivial, Mani Matter in einem seiner Lieder über das Warten auf den nächsten Zug, der doch immer wieder verpasst wird.
Ich selber verharre oftmals auch in einen Zustand des "Wartens", ich projiziere vieles "auf die Zukunft", auf das, was "danach" kommen mag. Doch genau dies katapultiert mich oftmals in einen lähmenden Zustand. So verstanden wird "warten" zum Synonym von Passivität - derweil die Zeit wie verrückt verstreicht, unbarmherzig und gnadenlos, die Jahreszeiten kommen und gehen, aber das Warten ist immer da, als steter Begleiter. Nichts wird real, alles bleibt im Dunstkreise einer diffusen Zukunftshoffnung.
Hoffnung - Hoffnung ist gut, nur muss sie begründet sein. Einfach bloss hoffen, weil das Trost oder was weiss ich spenden soll, führt nicht weiter, im Gegenteil, es verschleiert bloss die tatsächliche Situation, in der sich der Mensch befindet. Begründete Hoffnung sehe ich im Moment keine - und Minotaurus dreht weiterhin seine Runden.

Mittwoch, 3. März 2010

Rosenkranz

Das ist sie also, die Kandidatin, die den amtierenden österreichischen Präsidenten herausfordern will.

Was sagt uns dieses Bild? Wir sehen eine nette Dame - sie könnte unsere Nachbarin sein - die sich liebevoll um ihr Enkelkind kümmert. Eine adrette Person.

Verheiratet ist sie mit einem Mann, dessen Kleinstpartei wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verboten worden ist. Sie selber sieht sich am liebsten als mutige Mutter, die es wagt, Klartext zu sprechen. Wer die Existenz von Gaskammern im Dritten Reich anzweifelt, wird von der netten Mutter insofern unterstützt, als solche Aussagen als Teil der Meinungsäusserungsfreiheit uminterpretiert werden. Geschichtliche Tatsachen mutieren so zu Mutmassungen, Annahmen und Imaginationen.

Was besonders beunruhigend ist: die Dame dürfte, begleitet vom Gefechtslärm der Kronenzeitung, ein ganz nettes Resultat erzielen, Horrorszenarien gehen bis zu 35 % Stimmenanteil aus.

Bilder können lügen, manipulieren, in die Irre leiten.
Die Dame sieht doch so nett aus.
Ein Wolf im Schafspelz.
Braunhemden laufen kaum mehr herum.
Und betrunkene Neonazis sieht die adrette Bürgerschaft auch nicht gerne.
Aber nette Damen, die sich so liebevoll um ihre Enkelkinder kümmern und so nett lächeln, sieht man gerne. Sie könnten unsere lieben Nachbarinnen sein - allzeit bereit zu einem kleinen netten Schwatz.
Die hässliche Fratze des Faschismus kann in der Tat ganz bieder daherkommen.
Da braucht es keine Kampfstiefel mehr, keine Braunhemden und schwarze Ledermäntel.
Eine Grossmutter genügt.
ps: Anna hat mich zu diesem Beitrag inspiriert.