Mittwoch, 27. Februar 2013

Natascha Kampusch

Ich habe mich mit der kafkaesken Geschichte von Natascha Kampusch nur selektiv beschäftigt. Ihr Buch habe ich nicht systematisch durchgearbeitet, nur auszugsweise dieses oder jenes Kapitel gelesen. Extremsituationen -welcher Art auch immer- haben mich seit je interessiert, vor allem aus dem Blickwinkel des Historikers. 

Was Natascha Kampusch erlebte, ist ja eine an sich ungeheuerliche Geschichte, die für Aussenstehende in ihrer Dimension und Tragweite schlicht nicht erfasst werden kann. Dass ihre Geschichte verfilmt würde, war abzusehen, zu sehr ist der Stoff "filmreif". Dass Kampusch den Film - "ihren" Film (?) - "freigegeben" hat (ohne ihn offenbar formell autorisiert zu haben), nehme ich zur Kenntnis. Was wird die Menschen dazu bewegen, den Film zu sehen? Ich gehe mal davon aus, dass er ein Kassenschlager wird, der nicht davon gefeit ist, mitunter auch Altherrenphantasien zu bedienen. Kampusch selbst hat in ihrem Buch zwangsläufig "das Thema" ansprechen müssen und blieb dabei, wer würde es ihr verübeln wollen, im Nebulösen. Er hätte nur kuscheln wollen und sei manchmal zu ihr ins Bett "geschlüpft" - mehr wollte sie in ihrem Buch dazu nicht schreiben, auch später in Interviews gab sie sich zugeknöpft und wollte so das Intimste nicht preisgeben (was absolut nachvollziehbar ist) - und heizte damit, gewiss ungewollt, umso mehr Spekulationen an, die von einschlägigen Erzeugnissen bewusst geputscht wurden nach dem Motto "verschleppt und missbraucht" - was in der Sache selbst zutreffend ist, aber in seiner Tonalität und medialen Inszenierung andere Motive verfolgt. Anders gesagt: sie konnte es nur falsch machen. 

Die Gier des Publikums -zumindest eines Teils davon- nach Sensationen liess die Filmemacher ganz offensichtlich kapitulieren, und ihr Produkt, man musste es ahnen, kommt ohne Sexszenen nicht aus, subtil gedreht, wie ich höre (und was immer dies bedeuten mag) und "nur angedeutet". Kampusch habe auch gegen diese Szenen nichts einzuwenden gehabt. Was hätte sie denn auch tun sollen? Sie steckt in der medialen und kommerziellen Falle und musste wohl oder übel mitmarschieren. Ein "Nein" von ihr hätte bloss nur die gierige und schlüpfrige Frage provoziert: wie war es dann?

Ich bin einigermassen ratlos ob diesem sich abzeichnenden Rummel. Ich sehe schon die langen Warteschlangen vor den Eingängen der Kinos. Gehe ich zu weit, wenn ich hier einen akuten Voyeurismus, der die unterschiedlichsten Schichten menschlicher Regungen bedient bzw. bedienen will, orte? Ich will den Film nicht auf diese Aspekte reduzieren, ich spreche von der möglichen Wahrnehmung bzw. den heterogenen und durchaus widersprüchlichen Erwartungen des Publikums und nicht in erster Linie von der Absicht der Filmemacher. Diese dürften aber gewiss nicht nur hehre Motive auf ihre Fahnen geschrieben haben. 

Sonntag, 24. Februar 2013

Fragen vor dem Sterben

Meine alte Mutter erzählt in letzter Zeit viel über ihre Kindheit.
Über mangelnde Liebe, die sie als Kind erfuhr,
über sehr einfache Verhältnisse in einer kleinen Stadt.
Vielleicht
wenn der Tod naht
will sich die Seele darauf vorbereiten,
und der Mensch befragt sich
intensiv
nach seinem
gelebten
und ungelebten Leben
und
nach dem,
was ihn schmerzte,
freute.
Ich vermute, dass das unbearbeitete,
mithin also das verdrängte,
bisher kaum ausgesprochene und
als Defizit wahrgenommene Leben
sich in diesen Momenten
eine adäquate Sprache sucht, um sich mitzuteilen.
Zu erklären, wie es damals war oder
hätte auch sein können.
Ich höre zu, versuche zu verstehen.
Nie zuvor hörte ich diese Geschichten in dieser
intensiven Form
und in ihrer erstaunlichen Detailtreue. 

Das Glück am Wegrand

Das Glück liegt am Wegrand, man muss es nur sehen. 
Wer einfach lebt, hat einen besseren Blick für das Wesentliche.
Hans Adelmann (der Bruder des gleichnamigen Milliardärs)

Gibt es dem etwas beizufügen? 

Heiliger und Sünder


Mit dem Alter und der Plage
stellt sich irgendwann die Frage:
Ist es besser zu erkalten,
lässt man alles schön beim Alten?

Soll man sich die Wunden lecken,
legt sich in gemachte Betten,
statt die Kissen mit Gefühlen
alten Trotzes aufzuwühlen?

Oder kann man immer weiter
wachsam sein und dennoch heiter,
soll man weiter revoluzzen
oder doch Laternen putzen?

Kann man wütend sein und weise,
laut sein und im Lauten leise,
macht gerechter Zorn nicht müde,
ist vielleicht nur Attitüde?

Eines fügt sich doch zum andern,
nichts besteht für sich allein.
Flüsse, die getrennt mäandern,
leiben sich dem Meere ein.

Gut poliert erscheint das Schlechte
oft in einem Strahlenkranz.
Sei ein Heiliger, ein Sünder,
gib dir alles! Werde ganz!

Hab mich niemals an Gesetze,
Dogmen oder Glaubenssätze,
Führer, höhere Gewalten
ohne Widerspruch gehalten.

Und mich führ´n auf meiner Reise
zum Verstehen viele Gleise.
Zwischen Zärtlichkeit und Wut
tut das Leben richtig gut.

Menschen müssen sich verändern,
um sich selber treu zu sein.
Nur das Wechseln von Gewändern
kann kein wahrer Wandel sein.

Mancher sagt: Nur meditieren,
essen, was zum Boden fiel,
sich im Ganzen zu verlieren,
sei das wahre Lebensziel.

Andre ritzen ihren Armen 
Hass und Rache blutig ein.
Sie sind viel zu schwer verwundet,
um im Herzen ganz zu sein.

Andre wiederum marschieren,
Fahnen werden stolz gehisst.
Und auch sie werden verlieren,
weil kein Sieg beständig ist.

Eines fügt sich doch zum andern...

Hoch gestiegen, tief gefallen,
zwischen Geistesblitz und Lallen
bin ich auf dem Weg zum Lieben
meinem Innern treu geblieben.

Denn mich führ´n auf meiner Reise
zum Verstehen viele Gleise.
Zwischen Zärtlichkeit und Wut
fasse ich zum Leben Mut.
**
Ich unterstreiche an dieser Stelle:

Sei ein Heiliger, ein Sünder, gib dir alles! Werde ganz!
In der Polarität liegt das ganze Leben.

Freitag, 22. Februar 2013

Frauen, Frauen, Frauen

Nur Frauen.
Soweit das Auge reicht.
Und sie spielen schlicht wunderbar.
Wann wohl das nächste Konzert stattfindet?
Ich bin sofort dabei, oh ja.

Heute vor 70 Jahren

Heute vor 70 Jahren
um  17 Uhr
wurde sie
und ihr Bruder umgebracht.
Enthauptet.

Und heute Mittag
war ich beim Italiener um die Ecke
mit einem alten Studienfreund.
Und er erzählte mir
von seinen Ängsten am Arbeitsplatz
und davon, dass das Duckmäusertum sich breit mache im Betrieb.
Nur nicht auffallen sei die Devise.
Vorauseilender Gehorsam mache die Runde.
Und ich nicke und verstehe.
Wir passen uns alle
irgendwie und
wenn auch bloss subtil an
und wollen nicht anecken.

Sophie und Hans Scholl
sind und bleiben
Symbol eines aufrechten Ganges.

Kleiner Willkommensgruss

Liebe Christianna, liebe Traumtänzerin Schattentänzerin: ich sage ganz schicht: Willkommen!
Gerne werde ich auch Eure Blogs besuchen und Eure Texte lesen.
Übrigens: Kommentare sind erwünscht  -  Danke und gute Lektüre. 

Donnerstag, 21. Februar 2013

Einschlafen mit Sophie

Notizen am Donnerstagabend

Immer wieder interessiert mich das Fremde in mir und die Frage, was mich im Tiefsten der Seele und des Herzens antreibt - im Beruf, im Alltag, wo auch immer. Welchen Anteil hat dabei dieses Fremde in mir, das ich nicht immer augenblicklich als solches zu erkennen vermag? Kannst Du, liebe Leserin, lieber Leser, diese Frage für Dich glasklar beantworten?
**
Heute war ich den ganzen Tag lang in Anspannung. Alles war minutiös vorbereitet, und doch: Pannen sind immer wieder möglich. Das Leben lässt sich nicht vom Zufall befreien.
**
Kaum zu Hause angekommen, habe ich heute Abend ein Bad genommen. Ich genoss das warme Nass und den Duft von Eucalyptus. Loslassen und den soeben verstrichenen Tag nicht einmal Revue passieren lassen, bloss nicht jetzt. Es gilt, Distanz zum Geschehenen einzunehmen, um überhaupt so etwas wie eine Bilanz zu ziehen.
**
Die Vorstellung, Abende lang in Bars, Clubs und dergleichen mehr herumzuhängen, um gezielt neue Frauen kennenzulernen, ermüdet mich. Manchmal erschreckt mich auch diese Vorstellung. Noch absurder die Vorstellung, später in einem ruhigen Restaurant die immer gleichen Geschichten zu erzählen, die selben Witze und Pointen und vor allem die intime Truhe des bisher gelebten Lebens zu öffnen. Der Zufall ist weit spannender und in jedem Fall unangestrengter.
**
Was für ein Lebensgefühl hat man wohl mit 70, 80 und mehr? Ich fürchte mich, ganz ehrlich, vor diesem rasenden Lebenstempo. Ich möchte es gemächlicher haben. Stattdessen zerrinnt mir die Zeit zwischen den Fingern. Es kommt mir vor, als sei ich erst kürzlich 35 geworden. Oder zumindest 40.
**
Am bevorstehenden Wochenende wird nichts geschehen. Jedenfalls nichts, was mich aus der Bahn werfen würde. Vermutlich wünsche ich mir auch gar nichts anderes: die ewige Wiederkehr des Gleichen kann auch beruhigen und so etwas wie Orientierung bieten. Für Nietzsche war sie Ausdruck höchster Lebensbejahung. 

Montag, 18. Februar 2013

über Pappnasen

Fasnacht - sprich Karneval- kann man auf unterschiedlichste Art und Weise feiern. Ich selber bin kein grosser "Fasnächtler", zu laut und schrill geht es nach meinem Geschmack zu und her.

Doch die Basler Fasnacht, die heute Morgen exakt um 0400 Uhr begonnen hat und bis am Mittwoch dauert, ist etwas ganz Besonderes, ja wohl etwas Einmaliges. Ich denke, dass man als Besucherin und Besucher bald begreifen wird, dass in Basel ein im besten Sinn des Wortes protestantischer Geist weht, auch und vor allem an der Fasnacht. Hier wird in geordneten Bahnen gefeiert und gelacht. Wer nicht fähig ist, die feinen Zwischentöne zu vernehmen an den zahlreichen Schnitzelbänken, verpasst vieles und hat womöglich die falsche Fasnacht gewählt, an der im übrigen Pappnasen absolut verpönt sind wie auch Filzhüte mit Bierhumpen. Und dergleichen mehr: hier die Liste der absoluten No go für all jene, die noch nie an der Basler Fasnacht waren.

Übrigens, liebe Leserinnen und Leser aus Deutschland: wenn in der besagten "Regelliste" vom "grossen Kanton" gesprochen wird, ist Deutschland damit gemeint. Womit wir also über 27 Kantone (26+1) verfügen - zumindest an der Fasnacht. Herzlich Willkommen!

Sophie Scholl - heute vor 70 Jahren


Heute vor 70 Jahren wurden Sophie Scholl und weitere Mitglieder der weissen Rose verhaftet, um wenig später nach einem Schauprozess hingerichtet zu werden. Sie steht stellvertretend für all die Menschen, die auch dann nicht schweigen, wenn die Lage aussichtslos erscheint. Sie ist die Antithese zum Opportunismus und zum Anpassertum, dem die meisten von uns, den Schreibenden eingeschlossen, bald einmal erliegen - aus Bequemlichkeit oder Feigheit, aus Unwissenheit oder Dummheit.

Sophie Scholl ist und bleibt auch und gerade in einer demokratischen Gesellschaft ein Ideal, dem wir uns, weil wir als Menschen immer wieder neu zur Aufklärung verpflichtet sind, stets annähern sollen. Ihr Tod sei uns Verpflichtung.

Randnotiz:
Just an jenem 18. Februar 1943 -welche Ironie der Geschichte- hielt Goebbels seine berüchtigte "Sportpalastrede" mit der fanatisch-rhetorischen Frage "wollt ihr den totalen Krieg?!" Ich kann mir keine grösseren Gegensätze vorstellen, die an einem und denselben Tag gleichzeitig stattfinden.

...und weil es gerade passt (hier nochmals eingebettet)...

Samstag, 16. Februar 2013

Heidi aus Luzern

Sie schreibt und singt schlichte Songs.
Und gute dazu.
Heidi Happy aus Luzern gefällt mir.
Dazu rüste ich die frischen Spargeln und freue mich,
warum auch immer, weil ich keinerlei Erwartungen habe,
auf den Samstagabend.

Jeder nach seiner Façon

Samstagmorgen.
Ausgeschlafen, gefrühstückt.
Mädchen im Haus - ihr Spiel ist manchmal laut und voller Kicher.
Leben.

Ich nutze die Zeit
und lese da und dort Blogs.
Was ich dabei auch entdecke:
Selbstdarsteller, die glauben, infolge Potenzstörungen ihren BMW im Netz präsentieren zu müssen, ihre jüngsten Einkäufe an der Zürcher Bahnhofstrasse (mit der obligaten Louis Vuitton-Tasche) und ihre damit einhergehenden Lebensweisheiten, das Ganze gewürzt mit nicht verstandenen Goethe-Zitaten. Sie glauben, mit dem Kauf teuren Weins im Globus hätten sie auch den guten Geschmack gekauft.

Ich bin sehr wohl offen für hedonistische Lebensmomente. Doch wenn die Oberflächlichkeit zum kategorischen Imperativ erklärt wird, habe ich meine liebe Mühe damit. Doch ich weiss: jeder soll nach seiner Façon selig werden. 

Donnerstag, 14. Februar 2013

Nachtzug nach Lissabon

Von tausend Erfahrungen, die wir machen, bringen wir höchstens eine zur Sprache, und auch diese bloss zufällig und ohne die Sorgfalt, die sie verdiente. Unter all den stummen Erfahrungen sind diejenigen verborgen, die unserem Leben unbemerkt seine Form, seine Färbung und seine Melodie geben. Wenn wir uns dann, als Archäologen der Seele, diesen Schätzen zuwenden, entdecken wir, wie verwirrend sie sind. Der Gegenstand der Betrachtung weigert sich stillzustehen, die Worte gleiten am Erlebten ab, und am Ende stehen lauter Widersprüche auf dem Papier. (Seite 28)

Es ist ein Irrtum zu glauben, die entscheidenden Momente eines Lebens, in denen sich seine gewohnte Richtung für immer ändert, müssten von lauter und greller Dramatik sein, unterspült von heftigen inneren Aufwallungen. (Seite 53)

Enttäuschung gilt als Übel. Ein unbedachtes Vorurteil. Wodurch, wenn nicht durch Enttäuschung, sollten wir entdecken, was wir erwartet und erhofft haben? Und worin, wenn nicht in dieser Entdeckung, sollte Selbsterkenntnis liegen? (Seite 262)


Ich freue mich auf die Vorstellung.

Von Blumen und anderen Geschenken

Vermutlich bin ich in den Augen einiger Frauen ein hoffnungsloser Fall, weil ich auch am heutigen Tag keine Blumengeschenke mache. Ich mag, ganz ehrlich, keine Blumen schenken. Erst recht nicht am Valentinstag. Ich will nicht Dinge tun, bloss weil dies einem breit akzeptierten Ritual entspricht. Ich schenke lieber andere Dinge. Ein gelungenes Abendessen zum Beispiel. Oder eine Opernaufführung. Oder ein schlichtes Fondue? Ja, das bestimmt auch, oder ein Buch (abgestimmt natürlich auf die Empfängerin), Ohrenringe (ist schon ein Weilchen her!) oder ein köstliches Glas Wein mit einem Häppchen dazu.

Hoppla, da fällt mir ein, dass ich einmal einer Frau tatsächlich Blumen geschenkt habe, aber das war absolut daneben von mir, weil ich dieses Geschenk in ihr Büro zustellen liess (Fleurop sei Dank) und sie sich dadurch von ihrer beruflichen Umwelt komplett beobachtet fühlte (Tratsch Tratsch) und bereits das Ende ihrer Beziehung kommen sah (was, gottlob, nicht eintrat). Ich tat es nicht aus Boshaftigkeit, sondern vielmehr aus mindestens tief empfundener Freundschaft (und, ja, aus Naivität). Die Blumenpracht konnte ich angesichts der räumlichen Distanz auch nicht persönlich überreichen. Das "sag es doch durch die Blume" kann manchmal ganz schön in den falschen Hals geraten. 

Mittwoch, 13. Februar 2013

Nächte durchlesen

xpentesilea's Rat:
...wie wäre es eine schlaflose nacht einmal zu genießen?? die stille zu hören und die einsamkeit zu spüren und dies einfach nur unglaublich schön zu finden. probier es aus und berichte mir wie es war...

Ja, liebe xpentesilea, das wär's.
Die Nacht als Raum der Stille wahrnehmen,
ihr rabenschwarzes Licht als Quelle von Eingebung anzapfen.
Sie nicht verscheuchen wollen,
sondern
durchatmen und sie befragen,
befragen nach unserem Innern
und nach dem, was wir vor lauter Herumspringen
zu verpassen drohen.
Ausgerüstet mit einem guten Buch,
einer warmen Decke
und
mit Bach im Hintergrund (Kunst der Fuge, ja das passt)
werde ich dieses Experiment eingehen,
wenn die Situation es zulassen wird.

Dienstag, 12. Februar 2013

Papst a.D.

Der Rücktritt des Papstes ist mir egal. Weil mir diese mit allzu menschlichem Pomp und Plüsch ausgestattete und kafkaesk konstruierte Institution mit ihren Konzilen, Glaubenskongregationen und unzähligen Kommissionen und Parallelwelten egal ist. Sie, die Wasser predigt und vornehmlich doch immer wieder aus den Tiefen aller möglichen Keller Wein trinkt. Diese Kirche ist nicht zu reformieren, weil eine grundlegende Reform ihre Daseinsberechtigung im Kern in Frage stellen würde. So staune ich über die mehrheitlich wohlwollenden Kommentare in der Tagespresse. Selbst sich liberal bezeichnende Kräfte machen da keine Ausnahme. Kritik, wenn überhaupt, wird behutsam formuliert. Zwischen den Zeilen, und sehr leise.

Es ist schon merkwürdig und entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet dieser Papst, der viele Dogmen aus der Mottenkiste katholischer Ideologie reaktivierte, mit einer Jahrtausend alten Tradition bricht und, man beachte die Kündigungsfrist, per Ende Februar von seinem Amt zurücktritt.
Womit nun die katholische Kirche einen Papst ausser Dienst hat - eine weitere Kategorie in der babylonisch anmutenden Kirchenhierarchie.

Und ja.
Päpste kommen und gehen - die Karawane zieht weiter. Wie lange noch? 

nächtliches Klingeln des Telefons

Was ich nicht ertrage ist das nächtliche Läuten des Telefons. Das bedeutet nie etwas Gutes. Wer nachts anruft, hat in der Regel keine guten Nachrichten zu übermitteln. Ich jedenfalls habe nie ein nächtliches Telefonat erhalten, um zum Beispiel die glückliche Geburt eines Kind mitzuteilen - die Nachricht kam später, gewiss nicht früher als 0800 Uhr. Stirbt hingegen jemand, wird sofort angerufen. 

Der Tod will unmittelbar mitgeteilt werden, 
ein neues Leben kann warten. 

Montag, 11. Februar 2013

Über das Schmeicheln

Aufgeschnappt beim Surfen:
Was schmeichelt Ihnen mehr: Wenn jemand feststellt, dass Sie Humor haben, oder wenn jemand feststellt, dass Sie gut aussehen?

Spontan....lasse ich die Antwort mal aus. Vielleicht werde ich nach dieser Nacht zu einer Erkenntnis kommen. Ich gebe aber zu: beide Optionen sind schmeichelhaft. Muss denn die eine über die andere obsiegen? 

Vom Doppel-S

Ich habe heute eine interessante Mail erhalten, die ich hier veröffentliche, weil der Inhalt nicht persönlicher Natur ist, sondern sich vielmehr mit meiner Schreibweise bezüglich des Doppel-s beschäftigt:


Wann immer ich Beiträge Deines Blogs lese, fällt mir auf, dass Du die korrekte Schreibweise von "ss" bzw. "ß" ignorierst. Und ich frage mich warum, wo Du doch sonst ein großer Verfechter der Einhaltung von Spielregeln bist. Nur für den Fall, dass es Dich interessiert: Nach der gültigen neuen Rechtschreibung wird dieser Doppellaut nach einem langgesprochenen Vokal oder Diphthong mit einem "ß" geschrieben und nach einem kurzen Vokal mit "ss" verschriftet.

Das "Doppel-S" (oder auch scharfes s genannt) wird in der Schweiz seit gut 40 Jahren nicht mehr verwendet. Zuletzt wurde es von der Neuen Zürcher Zeitung, meinem "Leibblatt", verwendet, ehe es 1974 auch da gänzlich aus dem Schriftbild verschwand. An Schulen und Universitäten ist das Doppel-S bei uns kein Thema, und ich wage zu behaupten, dass auch in Deutschland (und Österreich) dessen Verwendung zusehends anachronistisch wirkt. Ich denke, dass es sich hier um einen alten Zopf handelt, den man schadlos abschneiden kann. Übrigens: meine Tastatur verfügt nicht über das Doppel-S. Ich trage es mit Fassung.

Schlaflosigkeit (einmal mehr)

Schlaflose Nächte bzw. schlaflose Momente in der dunklen Nacht haben eine spezielle Energie. Sie lassen Gedanken und Ängste zu, die tagsüber kaum spürbar sind. Alles, was da verdrängt wird, lässt sich des Nachts nicht mehr verdrängen. Ich habe längst aufgehört, mich in solchen Momenten hin und her zu wälzen. Ich koche mir vielmehr einen Tee, lese etwas Oberflächliches, versuche mich zu entspannen. Die Nacht ist stark und fordert ihren Tribut, wenn man sie nicht bezwingen kann. Manchmal bin ich ihr hilflos ausgesetzt, setze mich ans Fenster und beobachte das heftige Schneetreiben oder den wolkenlosen, kalten Himmel. Die Nacht ist nichts für Mimosen, sie ist vielmehr die Angst einflössende Rumpelkammer unerledigter und nicht bewältigter (Alt)lasten, deren Entrümpelung enormer Anstrengung bedarf. Es ist besser, diese Arbeit tagsüber zu tun, weil dann zumindest eine Chance besteht, auch die schwer zugänglichen Ecken nachhaltig zu säubern. 

Sonntag, 10. Februar 2013

Sonntags unterwegs...

Schnee, so weit das Auge sieht.
Klirrende Kälte bei blauem Himmel.
Eiszapfen da und dort.
Zugefrorene Bäche, hüpfende Vögel.
Im tiefen Schnee versinken
und die wärmenden Sonnenstrahlen
auf dem Gesicht spüren.
Stampfen und den Augenblick wahrnehmen.






Samstag, 9. Februar 2013

Was fehlt Ihnen zum Glück?

Max Frisch, Frage 23:
Was fehlt Ihnen zum Glück?

Es fällt mir schwer, die Frage präzis zu beantworten. Ohnehin wäre es eine vorläufige und situativ geprägte Antwort. Eine Antwort, die mich vielleicht schon in zwei Tagen nicht mehr restlos überzeugen würde. Ich lasse sie offen, und ich weiss sehr wohl, dass sie mich noch lange verfolgen wird - ob beantwortet oder nicht.

Freitag, 8. Februar 2013

Wohn- und Lebensoase

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So lässt's sich wohnen.
Viel Glas, viel Holz.
Schnörkellose Eleganz.
Drinnen und draussen überschneiden sich...
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ein schlichtes Badezimmer mit grosszügiger Aussicht auf die Landschaft...

Quelle: Der Bund, Ausgabe 8.2.13

Goodville


Ich war noch nie in Goodville.
Doch einmal 
vielleicht
gehe ich dort hin. 
Weite Landschaften, Kornfelder.
Das Gefühl von unendlicher Bewegungsfreiheit. 
Ein gutes Gefühl. 

Notizen kreuz und quer

Zeitweise nötigt es mich in einem gewissen Sinne, zu schreiben. Darum auch dieses elektronische Tagebuch, das ich als Sudelheft bezeichne: ich feile nicht lange an meinen Texten herum, sondern male bewusst mit groben Pinselstrichen. Ich bin mit anderen Worten ein Handwerker, kein Architekt, der den Anspruch hätte, Texte wohlfeil konstruieren zu wollen. Nicht selten kann es passieren, dass ich wenige Tage später eigene Texte widerrufen möchte. So kann ich über meine Texte staunen, den Kopf schütteln, mich entsetzt zeigen. Beinahe alle Reaktionsmuster sind denkbar. Witzig wäre es, die eigenen Texte direkt zu kommentieren, mithin mit sich selbst in einen Dialog zu treten. Das mache ich zwar, aber stets bloss für mich im Kopf, mittels innerer Dialoge sozusagen. Und indem ich es tue, komme ich mir selbst auf die Spur. Oder eben gerade nicht. Schreiben ist so gesehen in jedem Fall ein Abenteuer, ein Prozess des Suchens, manchmal auch des Scheiterns.

Dieses Schreiben hat auch dazu geführt, dass ich zeitweise mit mir bislang völlig unbekannten Menschen in Kontakt trete. Daraus entwickelten sich auch reale Begegnungen, Freundschaften, ja feurige Begierden. Phasenweise zumindest, temporär. Aber es blieb dabei: die reale Welt neckte bloss, Lebenswege kreuzten sich irgendwo in der unendlichen Weite des Raumes, um sich bald wieder auseinander zu bewegen.
Vor etlichen Monaten -ich weiss den genauen Zeitpunkt nicht mehr- erreichte mich eine Mail, in der eine Frau den Vorschlag nach regelmässigem Gedankenaustausch machte. Meine Antwort muss sie enttäuscht haben, denn ich teilte ihr mit, dass ich dies sehr wohl und gerne tun könne, aber nicht in regelmässigen Abständen. Das war ihr zu wenig. Schade eigentlich. Denn weniger kann oftmals mehr sein. Überhaupt, diese Bloggerwelt. Ich lese zur Entspannung gerne verschiedene Blogs und stelle dabei fest, dass die allermeisten von Frauen geschrieben werden. Blogs von Männer sprechen mich demgegenüber weniger an, abgesehen von einzelnen Ausnahmen. Dies nur als flüchtige Randbemerkung. Komisch übrigens, dass jene direkten Kontakte, die ich via dieser Bloggerwelt habe, nach Deutschland führen.
**
In letzter Zeit schlafe ich schlecht. Ich erkenne keinen objektiven Grund für diesen Zustand. Nachts wache ich auf, meistens ist es 0330 Uhr. Ich kann tun, was ich will: ein Weiterschlafen ist nicht möglich, und wenn doch, dann gegen 0500 Uhr...und eine Stunde später klingelt der Wecker. Genauer: die 0600-Nachrichten wecken mich. Auch bei Katastrophenmeldungen bleibe ich jeweils ruhig liegen, was nicht heisst, dass ich abgebrüht wäre. Morgens nehme ich die Welt vielleicht weniger intensiv wahr als tagsüber.
**
Ich bin ferienreif. Doch Ferien kann ich aktuell keine beziehen. Ich warte und hoffe auf den April. Vielleicht reicht es bis dann für einen kleinen Trip nach Berlin oder Hamburg. Es gefällt mir, in einer Stadt, in der mich kein Mensch (oder fast keiner) kennt, mich einfach irgendwo hinzusetzen, die Zeitung hervorzunehmen, ein Glas Wein zu trinken und einfach die Grossstadt auf mich einwirken zu lassen, für einen Moment Teil ihres pulsierenden Lebens zu werden, ohne dass ich aber mit ihr näher verbandelt sein müsste. Und fremde Menschen anzusprechen, für einen kurzen Moment Einblick in ihr Leben zu erhalten, nicht aus voyeuristischen Motiven, sondern aus Interesse, wie es auch sein könnte mit dem eigenen Leben. Dann stelle ich mir vor: ich könnte irgendwo an der Chausseestrasse in Berlin leben, in einem Verlag arbeiten. Vielleicht hätte ich drei Kinder, eine Frau und einen Hund. Und bald würde sich aber auch an der Chausseestrasse die Routine bemerkbar machen. Der Alltag. Ich sehe keine Fluchtmöglichkeiten. Jeder muss sein Leben leben, der ihm, wie auch immer, auferlegt worden ist. Gewiss, es gibt so etwas wie Freiheit, freier Wille und Gestaltungskraft. Aber wir können nicht aus unserer Haut. Ich jedenfalls kann es nicht, und ich weiss nicht einmal, ob dies überhaupt erstrebenswert wäre. Und doch: die Vorstellung, die Biografie zumindest für einen Moment auszutauschen, mit ihr zu spielen, zu experimentieren, übt eine gewisse Faszination auf mich aus.
**
Wochenende. Schnee will ich spüren, viel Schnee. Und den Geruch des kalten Winters inhalieren, den Frost auf meiner Nasenspitze erahnen. Und abends ziellos durch die Gassen ziehen, weil mein Leben genug verplant ist. Etwas Chaos tut gut.

Dienstag, 5. Februar 2013

von geschönten Doktorarbeiten - hüben und drüben

Schon wieder eine geschönte "Doktorarbeit": ausgerechnet die Bildungsministerin muss ihren Doktortitel abgeben. Welche Ironie der Geschichte, sie, die sich so wortgewaltig von Guttenberg distanzierte und sich "schämte" ob dem, was geschehen war.

So weit, so gut.

Wer wissenschaftliche Kriterien nicht korrekt einhält, muss die Konsequenzen spüren.
Doch
gilt das für alle?
Und unter allen Umständen?
Wirklich?

Nun werden sie bald wieder anlaufen, die unzähligen Talkshows. Und ich sehe schon all die klugen Gesichter, die wild gestikulierend und empört "Rücktritt Rücktritt" rufen. Und dabei einiges arg vergessen, nein: verdrängen, was in aller Deutlichkeit gesagt werden muss.


Wie war bzw. wie ist das genau mit den erworbenen pseudoakademischen Doktortiteln namentlich (aber nicht nur dort) an der sog. "juristischen Hochschule" des Ministeriums für Staatssicherheit? Artikel 37 des Einigungsvertrages hält diesbezüglich klipp und klar fest: In der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik erworbene oder staatlich anerkannten berufliche und akademische Abschlüsse oder Befähigungsnachweise stehen nach Artikel 37 Abs. 1 des Einigungsvertrages den Abschlüssen oder Befähigungsnachweisen der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich des Grundgesetzes vor dem 03.10.1990 grundsätzlich gleich. Die erworbenen Berufsbezeichnungen, Grade und Titel können in der üblichen Form geführt werden.  

Ich frage:
was haben diese "Doktorarbeiten" für einen akademischen Wert? Ich mache es kurz und bündig und beantworte meine rhetorische Frage gleich selbst: sie sind akademischer Schrott und haben mit Wissenschaftlichkeit nichts zu tun. Man vergegenwärtige sich einmal die Titel dieser erworbenen "Doktorarbeiten" (Auswahl):


  • Die Auswertung des Informationsgehaltes handschriftlich gefertigter, anonymer oder pseudonymer Hetz- und Droh­briefe und deren praktische Bedeutung für die operative Fahndung nach dem Schrifturheber
  • Die Information als immanenter Bestandteil der politisch-operativen Arbeit und deren Leitung
  • Das System der Sicherheitsbeauftragten - ein neues wirksames Instrument der sozialistischen Staatsmacht, das unter Führung des Ministeriums für Staatssicherheit zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in der Volkswirtschaft, insbesondere zur Abwehr des Systems imperialistischer Kräfte beiträgt
  • Die staatsfeindlichen Gruppen Jugendlicher und jung Erwachsener und ihre vorbeugende Bekämpfung durch das Ministerium für Staatssicherheit
  • Der Kampf um die Durchsetzung demokratischer Entwicklungsprozesse in Westdeutschland sowie die politisch-operativen Aufgaben zur Förderung und Formierung fortschrittlich sozialer Kräfte und politischer Plattformen
  • Zur Bekämpfung der imperialistischen Störtätigkeit auf dem Gebiet des Außenhandels
  • Psychologische Grundsätze für die die Zusammenarbeit mit IM, die im Auftrage des MfS außerhalb des Territoriums der DDR tätig sind (Untersuchungen an IM der äußeren Spionageabwehr bei direkter Konfrontation mit den feindlichen Geheimdiensten)
  • Aufgaben der Diensteinheiten der Aufklärung des MfS bei der Erhöhung der Effektivität der Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbei­tern unter den Bedingungen der imperialistischen Konfrontationspolitik
  • Die weitere Entwicklung und Vervollkommnung der Objekt­bearbeitung durch die Diensteinheiten der HV A und die Abteilungen XV der Bezirksverwaltungen des MfS
Na tolle Leistung. 
Und diese Herren (Damen habe ich in der Liste keine entdeckt - da hat die DDR-Gleichstellungspolitik schlapp versagt) laufen heute in Deutschland erhobenen Hauptes in der Gegend herum. Und die Nachbarn halten sie für ehrenwerte Leute: es steht ja schliesslich "Dr. iur." an der Haustüre. 

Und ja, der Herr Dr. iur. Gregor Gysi, der grosse Politkommissar und Aufklärer aller Talkshows, wird sich in Sachen Bildungsministerin wohl auch bald empört und süffisant lächelnd zu Wort melden. Bloss: wer hat sich in Deutschland die Mühe genommen, seine "Doktorarbeit" zur Hand zu nehmen und einmal zu lesen? 

Draussen im Bademantel

Manche, die ich kenne, schätzen den Winter nicht. Sie sehnen den Frühling herbei, die wärmende Sonne und blühende Felder. Ich hingegen liebe den Winter aus Überzeugung. So auch heute Abend weiss ich ihn zu schätzen. Nach dem wärmenden Lavendelbad stehe ich auf meiner Terrasse und schaue in die dunkle, kalte Nacht. Intensiver Schneefall. Die wenigen Häuser mit den kaum beleuchteten Fenstern gegenüber meiner Wohnung sehe ich kaum, so inbrünstig lassen die Wolken die feinen Schneekristalle auf die Stadt fallen. In solchen Momenten stehe ich einfach da und schaue diesem Schauspiel wohlwollend, ja mit Glücksgefühlen zu. Ich friere nicht, obwohl ich im Bademantel stehe, barfuss. Und beinahe glaube ich für diesen einen Moment, dass ich zufrieden bin. Zufrieden mit mir und meiner Situation. Und ich weiss sehr wohl, dass es bald kippen kann. Morgen vielleicht schon, zum Beispiel beim Mittagessen, wenn ich das ganze momentane Leben aus einer anderen Perspektive betrachte. Dann könnte ich leicht in ein Jammertal geraten und all das, was eben war, widerrufen. Doch heute Abend schaue ich einfach dem Schneetreiben zu, atme tief die nach Winter riechende Luft ein und höre auf zu denken. Vielleicht, weil es innerlich so kribbelnd warm und draussen so behaglich kalt ist. Und ja, morgen kann alles anders sein - mental zumindest. 

Sonntag, 3. Februar 2013

Anna (von Hausswolff)

Sonntagabend, und alles ist okay.
Jetzt noch Musik reinziehen.
Gute Musik.
Zum Beispiel
Anna von Hausswolff aus Schweden.
Wunderschön.
Ich werde ihr noch heute
stundenlang zuhören.

Lügen

Gefühle sind oftmals Lügen, vor allem wenn sie ihre Nahrung aus Begebenheiten vergangener Zeiten beziehen. Wir konstruieren und glauben, es sei so gewesen. Ja, wir brauchen unsere Geschichten, damit wir unserer Gefühle sicher sind. Geschichten, die wir uns zurechtlegen und ex post Gefühle -welcher Art auch immer- in sie pumpen. Nicht immer, aber oft. Je älter man wird, vermutlich umso intensiver. Wir lieben die Lüge, so wir sie überhaupt durchschauen und verwechseln sie mit Leben. 

Samstag, 2. Februar 2013

Vom Leben verschüttet

Samstagsabend aufgeschnappt und notiert:

ich denke, ich werde verschüttet vom Leben, und das Schreiben ist dann ein Mich-Ausbuddeln. Ich suche mich am Faden des Schreibens hervorzuziehen (S. 203)

Ich flüchte einige Schritte ins Leben hinaus aus Angst vor der Zimmerhaft, und draussen sehne ich mich nach dem Schreiben aus Sorge um meinen Halt. (S. 199)

Paul Nizon, das Jahr der Liebe (1981)

Von Seelenruhe und Seelenfrieden

Anonym kommentiert und fragt:
Kommen in der Oper auch innere Ruhe und innerer Frieden vor?

Seelenruhe?
Seelenfrieden?
Der Zugang zum den inneren heiligen Raum?
Ein Wissen, das weit tiefer als Gefühle geht?
(...) 
Bestärkst Du Deine Tochter auch darin durch Türen zu gehen, die dem Begreifen über den Intellekt verschlossen sind?

Mozarts Musik öffnet uns einen Raum, dessen innere Architektur uns immer wird verschlossen bleiben, weil sie sich letztlich einer rationalen Betrachtung immer wieder zu entziehen vermag. Wir ahnen zwar, dass hier "etwas" ist, das weit über das hinausgeht, was wir üblicherweise in der Musik wahrnehmen und durch all unsere Sinne erleben können. Ja, ich gehe so weit zu sagen, dass bei Mozart der Schlüssel zum Zugang zum inneren heiligen Raum, wie Du so treffend und schön formulierst, vorliegt. Man muss ihn nur aufnehmen und das Schloss betätigen, um Zutritt zu erlangen. Manche mögen Mozart -oder überhaupt Musik- nur oberflächlich zur Kenntnis nehmen, weil sie nicht gelernt haben, sich jenem inneren Raum zu öffnen: nur wer über einen Empfänger verfügt, wird auch die Signale zu registrieren vermögen. Umso mehr müssten Kinder möglichst früh mit Musik konfrontiert werden, weil Kinder noch ganz offen sind und unmittelbaren und ungefilterten Zugang zu ihr finden.
Manche sagen, Mozarts Musik sei göttlich. Ich kann damit wenig anfangen und spreche lieber vom Mysterium, das wir durch seine Musik erahnen können. Gewiss, die Musik etwa eines J.S. Bach vermag Ähnliches zu vollbringen. Und doch glaube ich, dass die Seele des Menschen in der Musik Mozarts ihren adäquaten, ja vollkommenen Resonanzraum gefunden hat und darin badet, leidet und triumphiert.

Und noch dies:
Der Gorilla, der den kompliziertesten Computer erfindet und bedient, ist mir durchaus geläufig. Aber der Gorilla, der die g-moll-Sinfonie von Mozart schreibt (...), gibt es nicht.
N. Hornoncourt

Kindliche Erkenntnisse -treffend auf den Punkt gebracht

Dialog beim Frühstückstisch:
Du Papa, ich glaube, ich weiss jetzt, warum Don Giovanni als die Oper aller Opern bezeichnet wird. Weil in ihr alles verkommt, was man fühlen kann, Hass, Liebe, Eifersucht, dann kommt auch noch ein Mord vor, dann Rache, Verzweiflung, ja (überlegt und summt dabei die Arie von Donna Anna), alles kommt doch vor. Alles.

Entweder oder

Das Leben ist
zu gewinnen
oder
zu verlieren
lese ich
bei Paul Nizon

Nein
mit solchem
entweder/oder
kann ich nichts anfangen.
Das Leben spielt
sich vielmehr
zwischen den Extremen ab.
Tagtäglich.