Donnerstag, 25. Februar 2010

Licht und Schatten

In beruflicher Hinsicht kann ich auf ein grosses Netzwerk zurückgreifen. Das ist schon sehr hilfreich. Heute erhalte ich die Rückmeldungen jener Personen, die ich als Referenzen angeben möchte, und sie sind allesamt einverstanden damit. Ich habe also nicht nur Negatives aus meinem Leben zu berichten.
Ansonsten: nichts Neues. Es regnet wieder, der Frühling war von kurzer Dauer. Der Tochter geht es gut bis sehr gut, das ist für mich eigentlich das Wesentliche. Ich leide auf hohem Niveau, manchmal beschleicht mich das Gefühl, ich hätte im Grunde der Dinge Luxusprobleme. Aber ich habe sie nun einmal, diese Gefühle des Ekels, die ich hier schon beschrieben habe. Ich freue mich auf das Wochenende, trotz allem, das ich ohne Pläne in Angriff nehmen werde.
Nun werde ich wieder einmal Bach hören, dessen Genialität wohl kaum zu übertreffen ist. Wenn es Trost geben kann, so ist es seine Musik, die direkt ins Herz und in die Seele dringt, jenseits jeglicher Sentimentalität.

Mittwoch, 24. Februar 2010

Gestern

Noch gestern sah es so aus, als gäbe es für mich keine Probleme. Und jetzt scheint es, als wollten sie gar nicht mehr verschwinden. Oh ja, ich glaube an Gestern.
Plötzlich bin ich nicht mehr annähernd der Mensch, der ich einmal war, ein Schatten hat sich über mich gelegt.
Ja, ja – gestern kam schnell.
Warum musste sie gehen? Sie wisse es auch nicht, hat sie gesagt. Stimmt was nicht?, hab ich sie gefragt. Ich wünschte, es wäre gestern...
Gestern noch war die Liebe für mich etwas Einfaches. Jetzt würde ich mich am liebsten in ein Mauseloch verkriechen. Oh ja, ich glaube an Gestern.

Ich habe ihn einmal live erlebt, in Zürich, das war vor gut 20 Jahren, ich erinnere mich noch sehr gut an dieses Konzert, an diese wunderbare Musik, die mich immer wieder berührt und mich in die Jugendzeit katapultiert, so wie in diesem Augenblick der Trostlosigkeit.
Ja, das ist das richtige, zutreffende Wort: Trostlosigkeit. Es gibt Momente, die einfach nur noch trostlos sind, weil es keinen Trost geben kann. Nirgends ist Trost zu finden, höchstens vielleicht Linderung, immerhin, Linderung kraft Musik, Literatur oder Bewegung.
Heute Abend bin ich schlicht hundemüde, gestern ging ich erst um 01 Uhr ins Bett, getrieben von innerer Unruhe war an Schlafen nicht zu denken. Die Müdigkeit bringt mich nun ins Bett und wird mich hoffentlich durchschlafen lassen.


Dienstag, 23. Februar 2010

Minotaurus

Friedrich Dürrenmatt hat sich mit der aus der griechischen Mythologie stammenden Figur des Minotaurus zeitlebens intensiv beschäftigt. Minotaurus ist halb Mensch, halb Stier, ein Ungeheuer, das furchterregend ist. Minotaurus bewegt sich in einem Labyrinth, ohne es jedoch zu wissen. So bewegt er sich durch die endlosen Schlaufen, kommt nur vermeintlich voran, dreht sich im Kreis, immerfort. Und als er sich im Spiegel betrachtet ahnt er nicht, dass er bloss sich selbst sieht. Minotaurus, der ahnungslos dahin Irrende.

Minotaurus ist für Dürrenmatt Sinnbild des modernen Menschen, der sich nur scheinbar souverän in der Welt bewegt, nicht wissend, dass er ein Gefangener ist, letztlich ein Gefangener seiner selbst, das Labyrinth als Symbol der Unübersichtlichkeit, der Täuschungen und der Irrwege.
Gibt es für Minotaurus Hoffnung? Ich weiss es nicht, ich selber schwanke immer wieder hin und her, mal glaube ich an die Gestaltungskraft und die Sinnhaftigkeit des Lebens, das andere Mal wiederum sehe ich mich als Kafkas Georg Samsa, der eines Morgens aus einem bösen Traum erwacht und feststellt, dass er über Nacht zu einem Ungeziefer mutiert ist, unfähig, sein Leben zu meistern.
Zur Zeit leide ich am Leben, obwohl ich heute in beruflicher Hinsicht erste erfreuliche Nachrichten -eine erste positive Rückmeldung- erhielt. Aber es gibt anderes, das mich plagt und nicht in Ruhe lässt, so die ständige Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Zeit (und damit der Vergänglichkeit) und mit der Liebe. Ich weiss, dass ich ihr weh getan habe, aus Unachtsamkeit, nicht aus Boshaftigkeit, vielleicht auch aus Unvermögen, ich weiss es nicht (darüber werde ich einen Beitrag schreiben, sobald ich dazu in der Lage bin). In solchen Momenten fühle ich mich ganz einsam, da dies nicht mitteilbar ist, ich merke, wie ich mich im Kreis bewege, versuchend, die Gefühle zu orten und nach innerer Ruhe ringend.
Heute habe ich auch meine Mutter gesehen - wie jeden Dienstag - und ich fand, sie hätte in Kürze einen Altersschub erfahren, nicht in mentaler Hinsicht, aber im Gesicht, wohl weil sie ihr Äusseres nicht mehr so pflegt wie auch schon, ein Besuch beim Frisör wäre dringend angebracht, was ich ihr auch sagte, ja, sie wisse es, aber es koste doch wieder Geld, worauf ich erwiderte, ich würde sie noch diese Woche zu einem Essen einladen, was sie postwendend gerne annahm (:-).
Meine Lebenssituation ist aktuell nicht gerade zu beneiden, aber ich will kein Mitleid erheischen, ich erlebe nur das Labyrinth, das mich gefangen hält.
Das Labyrinth als konstitutives Element menschlicher Existenz, wie Dürrenmatt es beschrieb? Ich weiss es nicht, noch glaube ich an die Befreiung des Minotaurus, an seine Fähigkeit zu lernen und zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Aber ich ahne auch, wie unbarmherzig das Labyrinth ist, undurchschaubar und voller Fallen. Immerhin: Minotaurus wusste nichts von der Existenz des Labyrinths - war das für ihn ein Vor- oder Nachteil?

Bild des Minotaurus, gezeichnet von Dürrenmatt:http://ead.nb.admin.ch/html/fd/fdabi_144.html

Sonntag, 21. Februar 2010

Von der Vernunft

Glücklich ist, wer alle Dinge von der guten Seite nimmt
und sich von der Vernunft leiten lässt.
Was andere zum Weinen bringt, ist für ihn ein Grund zum Lachen
mitten in den Wirbeln der Welt wird er seine Ruhe finden.

So heisst es ganz am Schluss in der genialen Oper von Mozart 'Cosi fan tutte' in der Salzburger Aufführung 2009. Ich habe die Aufführung leider nicht live gesehen - ich will es aber demnächst in Berlin nachholen :-).
Die Vernunft als Heilmittel gegen Seelenschmerz? Vernunft als Trutzburg inmitten der Turbulenzen der Zeit? Ich weiss nicht. Gewiss, vernünftiges Handeln schützt uns vor allerhand Torheiten, und wer das Gleichgewicht zwischen Neigung und Pflicht findet, ist gemäss Schiller eine schöne Seele. Was für schöne Worte.
Was aber, wenn man wider alle Vernunft dieses oder jenes tut bzw. unterlässt, und dies unter Umständen ganz bewusst und nach reiflicher Überlegung? Wenn man, trotz Einsicht in die Notwendigkeit, etwas "Unvernünftiges" tut, ja tun will oder glaubt tun zu müssen? Gehört das Unvernünftig sein nicht per se zum menschlichen Dasein? Auch die Vernunft kann lähmen und den Menschen unglücklich machen. Ich will nicht immer vernünftig sein, weil ich das Menschliche und allzu Menschliche immer wieder spüren möchte.

Samstag, 20. Februar 2010

Zwischenhoch am Samstagmorgen

Samstagmorgen - ich schaue aus den Fenstern und sehe, wie der Tag verspricht, zu einem Vorfrühlingstag zu werden. Aus dem nahe gelegenen Wald sind Nebelschwaden zu sehen, über der Stadt ist es wolkenverhangen, die Alpen sind nicht zu sehen, doch zwischen den Wolken kämpft sich die Sonne immer mehr durch. Die Vögel machen sich bemerkbar, sie gehen wohl davon aus, der Frühling sei angebrochen, dabei ist es bloss ein Zwischenhoch.

Zwischenhoch - ein solches habe ich heute auch. Ich freue mich einfach, dass Samstag ist, so banal ist das. Meine Tochter ist jetzt bei ihrer Mama, ich werde sie bald abholen und mit ihr etwas unternehmen, vielleicht gehen wir ins Stadtzentrum oder ins interaktive Museum.

Ansonsten: nichts Neues. Oder vielleicht doch: ich stehe in der Tat vor einem beruflichen Scheideweg. Nächste Woche werde ich mehr in Erfahrung bringen können. Manchmal können Veränderungen im Leben sehr schnell vorangehen, doch der Kern des Seins bleibt unangetastet gleich. Man kann eben nicht vor sich selbst davonlaufen.

Donnerstag, 18. Februar 2010

Jacques Brel

Wenn ich traurig bin, muss ich nicht immer Mozart hören :-). Ich lausche zum Beispiel der Musik von Brel, dann geht es mir meistens wieder besser.

Was für geniale Wortspielereien, was für Musik, was für ein Ausdruck, was für eine Präsenz. Diese Musik erinnert mich stark an meine Jugend, mit 20 hörte ich viel Brel und Piaf.

Gibt es heute noch solche Künstler? Ich suche sie vergeblich.

Sie

Ich habe sie im globalen Dorf kennen gelernt, vor bald zwei Jahren. Ich war damals mitten drin im Trennungsprozess von meiner Frau und beschrieb dies alles in einem Blog - worauf sie sich dann und wann meldete und meine Beiträge auf kluge, sensible und subtile Weise kommentierte. Auch sie hatte eine Trennung hinter sich bzw. war gerade dabei, diese zu verarbeiten. Unsere virtuellen Begegnungen nahmen an Intensität zu, wir schrieben uns bald regelmässig, täglich, so häuften sich unsere emails und unsere Chat-Gespräche.

Sie wohnte nicht gerade um die Ecke, nein, ganz im Gegenteil. Ein Besuch würde insgesamt mehrere Reisestunden bedeuten, aber das war mir egal. So haben wir uns im Herbst 2008 - es war September, an einem Freitagabend, ich kam so gegen 2200 Uhr bei ihr an- zum ersten Mal gesehen - richtig gesehen, das heisst im realen Leben. Die Ängste, die zuvor durchaus da waren, waren im Nu verschwunden: sofort stellte sich eine Vertrautheit ein, eine Vertrautheit, die sich schon während des Schreibens manifestierte und sich nun beim ersten Treffen voll bestätigte. Zwei Fremde kommen sich bald sehr nahe, das gegenseitige Verlangen nach Wärme und Geborgenheit wird gestillt.

Und so haben wir uns regelmässig gesehen, im Schnitt alle 4 bis 5 Wochen. Ein einziges Mal war sie bei mir zu Besuch (zwar nicht direkt bei mir zu Hause, aber doch bloss eine Zugstunde von hier entfernt). So ist mit der Zeit eine Liebe und eine Leidenschaft entstanden, eine Liebe, die natürlich unter sehr erschwerten Bedingungen stand: da war zum einen die räumliche Distanz, die nicht zu leugnen war. Im weiteren waren die Umstände so, dass der jeweilige Trennungsprozess noch nicht abgeschlossen war. Das heisst, dass viele Bilder, Verhaltensmuster und dergleichen mehr bei beiden immer noch präsent waren, natürlich, und diese Vergangenheit, die eben noch nicht vergangen war, prägte auch unsere Beziehung.
Sodann mein zeitweises Unvermögen, die Gefühle - meine Gefühle - adäquat zum Ausdruck zu bringen. Ich muss oftmals als distanziert wahrgenommen worden sein. In der Tat ist es so, dass ich ob der räumlichen Distanz nicht so sehr litt wie sie bzw. dass ich dies anders verarbeitete als sie. Ich bin jemand, der in seiner eigenen Welt aufgehen kann, das heisst, ich neige zu Tagträumereien und kann mich in meiner kleinen Welt völlig verlieren, sei dies bei Musik, Literatur und dergleichen mehr. Das kam dann so an, als ob ich kein echtes Interesse an sie hätte, was nicht der Fall war - im Gegenteil - aber es wirkte so, und ich muss dies akzeptieren. Wahrnehmung ist Realität.

So hatte diese Beziehung von Anfang an kaum eine reelle Chance gehabt. Beide waren bzw. sind ortsgebunden, es sind Kinder da, die berufliche Situation kann auch nicht ignoriert werden, kurz: eigentlich wussten es ja beide von Anfang an...Aber ich war derjenige, der trotzdem immer wieder wollte, auch wenn sie zeitweise weg lief, ich kam immer wieder auf sie zu, ich konnte und wollte die Beziehung nicht abbrechen - ich konnte meine Gefühle nicht einfach ignorieren, ich fühlte mich angezogen und von ihr ernst genommen.

So ging das hin und her, mit diversen Krisen und Unterbrüchen, aber immer wieder kamen wir doch zusammen. Aber ich weiss: sie wollte mehr, wollte einen Partner, der nicht einfach bloss einmal im Monat auftaucht und dann wieder "untertaucht". Und dann die Tage der Einsamkeit, diese beschränken sich nicht bloss auf Weihnachten, Neujahr oder Ostern. Ich konnte besser damit umgehen, auch wenn ich oftmals das Bedürfnis hatte, sie einfach in die Arme zu nehmen, wissend aber, dass ich darauf noch x Wochen warten musste.

Bin ich eher gefühlskalt? Gefühlskalt deshalb, weil ich die jeweiligen Wochen zwischen unseren Begegnungen besser aushielt als sie, ja vielleicht gar nicht so sehr darunter litt (zumindest vermeintlich nicht darunter litt)? Scheinbar litt ich nicht darunter, aber es kam so bei ihr an, was ich im Nachhinein verstehen kann. Vielleicht ist mein Verhalten als "männlich" zu charakterisieren (?), ich konnte irgendwie meine Gefühlswelt "abspalten". Sie hingegen litt darunter, ich verstand sie so gut und litt mit, aber ich konnte dies nicht adäquat zum Ausdruck bringen. Eine verzwackte, ja verzweifelte Situation.

Möchte ich mit mir verheiratet sein? Manchmal schon, ich denke, ich sei im Grossen und Ganzen ein angenehmer Mensch, mit dem man es gut haben kann. Aber ich habe natürlich auch meine Macken, bin grüblerisch und gleichzeitig ein Genussmensch.

Mittwoch, 17. Februar 2010

Lichtblicke am Morgen

Mein Morgenritual ist unspektakulär: aufstehen, duschen, Kaffee trinken, etwas Kleines essen, rasieren, anziehen, die Wohnung durchlüften und sodann die Kleine zur Schule bringen. Letzteres ist so etwas wie ein morgendlicher Lichtblick, unterwegs erzählt mir meine Tochter allerlei Geschichten von Rittern, Schlössern, Prinzen, Lehrerinnen und dergleichen mehr. Unbeschwertheit macht sich bei mir breit. Dann, vor dem Schulhaus, sehe ich die vielen Kindern, wie sie umher rennen, herum blödeln, singen und sich auf den Tag freuen. Es reicht dann für diesen oder kleinen Schwatz mit einem Vater oder einer Mutter eines Kindes, das ins gleiche Schulhaus geht wie meine Tochter.

In solchen Situationen möchte ich, für einen Augenblick lang, auch wieder gerne Kind sein, einfach so den Tag in Angriff nehmen, ohne an diese oder jene Sorge denken zu müssen. Die Kindheit ist kurz, sehr kurz. Ich versuche, einen Stück dieser unbeschwerten Kindheit mit in den Erwachsenenalltag zu nehmen - manchmal gelingt es mir auch, und sei es bloss in Form einer momentanen Gabe, unbeschwert durch die Strassen zu laufen und die Vorboten des Frühlings ganz sachte zu entdecken, bis mich, im Büro angekommen, der gnadenlose Alltag wieder im Würgegriff hat.

Dienstag, 16. Februar 2010

Der Ekel holt mich wieder ein

Heute Abend bin ich in einem gewissen Sinne rastlos, getrieben von innerer Unruhe. Beruflich stehe ich an einem Scheideweg, und auch sonst geht bei mir einiges drunter und drüber. In solchen Situationen fehlt es mir oftmals an mentaler Stärke, ich hadere (jammere aber nicht) und fühle mich einsam - einsam im existenzialistischen Sinn.

Dann kommt der Ekel auf, die Existenz an sich wird zu einer schier unerträglichen Belastung. Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich a) nach draussen gehen soll, an die Kälte des späten Abends b) ein Bad c) Musik hören d) Gitarre spielen e) ein Buch lesen soll - oder was auch immer. In solchen Momenten ist Konzentration kaum möglich, schreiben wird zur Therapie, die immerhin temporär wirkt, solange ich schreibe, ich lasse mich treiben vom Schreiben, was mich beruhigt. Aber ich weiss: es ist eine vorübergehende und letztlich trügerische Therapie, weil sie nur momentan hilft, der Ekel ist da, er wird dominanter und wird mich des Nachts heimsuchen.

Was schwer wiegt, ist das Warten. Warten worauf? Auch dies ist nicht klar zu umschreiben, aber ich ahne, dass es ein Warten ist auf Befreiung, Befreiung von den Ängsten und Zwängen der Existenz. Auch habe ich mittlerweile erfahren müssen, dass diese Befreiung nur von Innen her kommen kann. Alles, was von Aussen "Abhilfe" verschafft (oder Abhilfe verspricht), ist volatil, unberechenbar und letztlich vergänglich.

Der Zustand des Ekels ist, zumindest für mich, gottlob vorübergehender Natur. Er kommt und geht in regelmässigen Abständen. Nicht Eingeweihte verwechseln diesen Zustand mit Depression oder depressiver Verstimmung, aber es hat nichts damit zu tun. Es ist vielmehr Leiden an der Existenz.

Antoine Roquentin widerfährt etwas Unglaubliches: Sein normales, belangloses Leben plätschert plötzlich nicht mehr so dahin wie vorher, sondern wird für ihn zur Belastung, zur Qual. Ein Stück Papier, ein Kieselstein, selbst seine eigene Hand erregen in ihm ein diffuses Unbehagen: den Ekel. Dieser Zustand verschlimmert sich zusehends. Die Menschen in der Bibliothek, seine verflossene Geliebte, seine Tischgenossen – alle rufen in ihm den Ekel hervor. Es braucht knapp 300 Seiten minutiöser Selbstbeobachtung, bis Roquentin herausfindet, was bei all diesen Gelegenheiten das Ekelgefühl in ihm ausgelöst hat: Es ist die schiere Existenz – und ihre Sinnlosigkeit. Angesichts einer Welt, in der alles ziel- und sinnlos existiert, muss sich der Mensch selbst sinnlos vorkommen. Mit Der Ekel stellte Sartre schon Jahre vor seinem philosophischen Hauptwerk Das Sein und das Nichts die Kernfragen des Existenzialismus vor. Das Buch ist schwierig, gerade weil es einen mühsamen Erkenntnisprozess beschreibt und weil Sartre unterschiedliche Darstellungsformen verwendet, um Roquentins Ekel zu schildern. Der Roman machte Sartre schlagartig bekannt und stellt die wichtigste literarische Verarbeitung seiner existenzialistischen Philosophie dar.

Rap oder was?

Heute bin ich mit einer etwa gleichaltrigen Berufskollegin Mittagessen gegangen. Sie erzählte mir unter anderem von ihrem Sohn und seiner Vorliebe für Rap. Aha, Rap, kenn ich nicht weiter, interessiert mich auch nicht besonders, war meine Reaktion. Sie meinte darauf, Rap sei durchaus interessant, man müsse genau hinhören, die Texte seien durchaus kritisch. Ja, mag sein. Aber ich mag einfach keinen Rap.

Ich habe am Nachmittag über meine Reaktion etwas nachgedacht. Ist meine Reaktion schlicht Ausdruck meines Alters? Ich bin ja nicht mehr 20 oder 30. Und 40 war ich auch schon, und das ist auch bereits ein kleines Weilchen her. Dann denke ich mir: Mensch, du wirst alt.

Es gehört wohl aber zum Alterungsprozess, dass man so etwas wie konservativ wird, dass man die Neugier auf "Neues" etwas verliert und sich vornehmlich in bekannten Bahnen bewegt. Meine Eltern mochten jedenfalls die Musik von Uriah Heep nicht (schon gar nicht ihr Song "Lady in black"), und mit den Stones konnten sie auch nichts anfangen.

Ich werde mich nicht anbiedern, so wie jener Vater, der rund 10 Jahre älter ist als ich und als bunter Vogel durch das Quartier stolziert und meint, Punk in seinem Alter zu hören sei cool. Das wirkt auf mich nur noch peinlich, und seine Kinder werden sich spätestens in der Pubertätsphase umso radikaler von ihm abwenden wollen und müssen, sobald sie ihn in seiner letztlich grenzenlosen "Bünzligkeit" (schweizerisch sinngemäss für kleinkarierte Beschränktheit) durchschaut haben.

Rap, House und dergleichen mehr: es ermüdet mich, nur schon wenn ich daran denke. Und trotzdem: irgendwie macht es mir Mühe, den "Anschluss" in einem gewissen Sinne zu verlieren. Ich habe Mühe mit den Begleiterscheinungen des Älterwerdens.

Auf dem Nachhauseweg begegnete ich heute einem ehemaligen Angestellten der Universitätsbibliothek. Ich bin erschrocken, als ich ihn sah, wie er alt geworden ist. Vor 20 Jahren, als ich ihm als Student erstmals begegnete, sah er ganz frisch aus, mit aufrechtem Gang, und jetzt....ist er ein alter Mann geworden. Werde ich in 20 Jahren auch so daher kommen, frage ich mich.

Und wenn mich darüber hinaus meine Tochter dann und wann beiläufig (und ganz liebevoll) darauf aufmerksam macht, dass ich da und dort ein weisses Haar habe, bin ich, ganz ehrlich, deprimiert.

Und trotzdem werde ich heute Abend keinen Rap hören.

Montag, 15. Februar 2010

Pardon

Ich lebe noch! – pardon, will sag‘n
bin noch nicht tot

Hab alles, was ich brauch, pardon
und bin in Not

Ich bin noch frisch! – pardon, will sag’n
noch nicht verfault

Hier bin ich gern! – pardon, das heißt:
noch nicht vergrault.

Ich fall nicht um! – pardon, will sag’n
ich liege schon

Ich mach den Held! – pardon, will sag’n
und bin ein Clown

Ich hab die Macht! – pardon, will sag’n
am Leib verspürt

Hab mit Vernunft kein’ Mensch, pardon
kein Schwein verführt.

Die Welt ist schön! – pardon, will sag’n
ganz schön am Rand

Ich bau auf euch! – pardon, will sag’n
ich bau auf Sand

Auf dem Planeten hier, will sagen:
Feuerball

Wird großer Friede sein! – pardon
erst nach dem Knall.

Ich hab euch lieb! – pardon will sag’n
ich halt euch aus

Mein Heim ist hier! – pardon, will sag’n
ich hab ’n Haus

Ich sing ganz gern – pardon, will sag’n
sonst müßt ich schrein

Ich geh mit euch! – pardon, das heißt:
ich bleib allein

Sonntag, 14. Februar 2010

Im Angesicht des Alltags

Was könnte bzw. müsste man aus dem Urlaub in den Alltag einbauen, also gewissermassen "hinüber retten"? Diese Frage stelle ich mir, nachdem ich zur Kenntnis nehmen muss, dass morgen der Alltag wieder anfängt mit all seinen Anforderungen, Tücken und Fallen. Ist es die Gabe, im Hier und Jetzt zu sein? Wieder lernen, die kleinen Dinge zu geniessen, und sei es bloss ein kleiner Augenblick der Freude?

Es muss darum gehen, sich vom Alltag nicht auffressen zu lassen, stets Distanz einzunehmen, sich aber auch nicht gegen ihn stemmen zu wollen. Den Alltag nicht zur Antithese des Urlaubs hochstilisieren, sondern ihn wahrnehmen, akzeptieren und letztlich bewältigen, nicht im Sinne von Mühsal, sondern bewusst und mit Humor.

Ich gebe zu: dies fällt mir nicht immer leicht, zumal einen Montag in Angriff zu nehmen. Aber es bleibt mir nichts anderes übrig. Weil dem so ist, versuche ich, den Alltag proaktiv anzugehen, mich auf ihn einzulassen. Es gibt hierzu keine Alternative.

Samstag, 13. Februar 2010

souveräne Einsamkeit

Im Hotel, wo ich oftmals -so wie jetzt - meine Ferien verbringe, hat es nicht wenige Einzelgänger. Abends bewundere ich sie, wie sie an ihren Tischen sitzen und das Abendessen geniessen. Sie essen in aller Ruhe, zelebrieren den Genuss des Weines, lesen zwischen den einzelnen Gängen ihre Bücher und lassen sich von den zahlreichen Kindern und Familien keineswegs ablenken. Auch wenn abends zum Essen das Haustrio spielt, die Kerzen auf den Tischen brennen, auch dann sind sie ganz in ihrer Mitte, grüssen kurz und lassen sich durch Nichts irritieren.

In solchen Momenten überlege ich mir immer wieder, ob ich denn das könnte. Die Antwort ist klar: nein, ich könnte es nicht. Ich wäre zu sehr unruhig, die vielen Familien mit Kindern würden mich beunruhigen, das Buch, das ich als Rettungsanker mit an den Tisch nehmen würde, würde ich mangels Konzentration und Musse nicht berühren können - und wenn doch, dann nur deshalb, um nicht hilflos im Essraum herum zu schauen und um meine Blicke nicht von Tisch zu Tisch schweifen zu lassen.

Wer in dieser Umgebung allein Ferien verbringen kann, ist in seiner Mitte angekommen. In ihm oder ihr muss offensichtlich grosse Ruhe und Gelassenheit herrschen. Und nach dem Dessert stehen sie auf und gehen in die grosse Bar, um weiter zu lesen oder sich einfach von der Musik treiben zu lassen. Worüber mögen sie beim Essen und trinken denken? Und warum verbringen sie allein Ferien? Vielleicht, weil sie so zu ihrer Ruhe kommen wollen? Weil sie beruflich so oft unter Menschen sind und nun endlich einmal allein sein wollen? Das mag eine Möglichkeit sein. Andere wiederum verbringen allein die Ferien, weil es, aus welchen Gründen auch immer, nicht anders geht. Weil sie also gewissermassen müssen.

Andererseits: Einsamkeit ist vielschichtig und kann von allen erfahren werden. So wie von jener Frau, die nach dem Abendessen mit ihrem Mann in die Bar geht - aber dort wechseln sie kein Wort miteinander, er sitzt mürrisch am Tisch und trinkt seine Cognacs, sie trinkt ihren Espresso und sitzt nur gelangweilt da, die Kinder und Enkelkinder sind zwar auch da, aber Dialoge finden kaum statt, es sind eher Monologe, die geführt werden. So jedenfalls mein Eindruck.

Das kann es ja auch nicht gewesen sein.

Doch wie auch immer: ich kann nicht alleine Ferien verbringen, schon gar nicht unter vielen Menschen. Wenn, dann irgendwo in einer Berghütte oder in einem kleinen Häuschen nahe des Meeres. Oder in einer grossen Stadt.

Aber wenn ich es mir genau überlege: auch dann nicht.
Wäre es dennoch ein Versuch Wert ??

Montag, 8. Februar 2010

In Sils-Maria

Endlich bin ich hier, in meinem geliebten Engadin, in Sils-Maria, auf 1'800 m über Meer, auf der Alpensüdseite, dort, wo das Sonnenlicht ein unglaubliches Schauspiel vollbringt, die Berge mal in Rot, mal in Braun, mal in Gold, mal in Orange, mal in Gelb versinken lässt, was für ein Schauspiel, das sich jeden spätnachmittag wiederholt.

Ich mag hier sein, dieser Ort übt eine Faszination auf mich aus. Der Silsersee, wie er jetzt zugefroren ist und sich dennoch lieblich präsentiert. Im Hotel wird die Illusion der Zeitlosigkeit zelebriert, hier bewegt sich scheinbar nichts, alles ist immer noch so, wie es schon vor 100 Jahren war, alles ist etwas schräg, hier wird der Kult des bewusst Altmodischen zelebriert, Kinder rennen umher, hier kann ein jeder und eine jede so sein, wie er nun einmal ist, hier werden keine Masken angezogen, nein, hier hat Individualität - im positiven Sinne verstanden - noch einen zentralen Wert.

Nun werde ich mich vor das Kamin setzen und Thomas Mann lesen und mich so treiben lassen, ganz versunken sein im Text, derweil im Hintergrund das Haustrio Schubert und Brahms spielt.

Altmodisch = in einem gewissen Sinne sich dem Diktat der sog. Sachzwänge widersetzen. Wie wohltuend in unserer Zeit der Schnelllebigkeit und Oberflächlichkeit.

Freitag, 5. Februar 2010

kurz vor dem Urlaub











Meine Ferienwoche steht nun unmittelbar bevor. Morgen gehe ich mit meiner Tochter in die Skiferien, genauer: in die Langlauf- und Schlittelferien. Endlich Abstand vom Alltag einnehmen, die Schneelandschaft, ein gutes Glas Wein und die frische Bergluft geniessen können.

Einfach sein und nicht immer funktionieren müssen.

Hier sass ich, wartend, wartend, — doch auf Nichts,

Jenseits von Gut und Böse, bald des Lichts

Geniessend, bald des Schattens, ganz nur Spiel,

Ganz See, ganz Mittag, ganz Zeit ohne Ziel.

Da, plötzlich, Freundin! wurde Eins zu Zwei —

— Und Zaratustra ging an mir vorbei ...


Friedrich Nietzsche

Donnerstag, 4. Februar 2010

Die kleinen Dinge des Lebens

Meine Tochter singt unter der Dusche, freut sich ob ganz kleinen Dingen, ist ganz begeistert, wenn sie nach dem Aufstehen die Alpen in der Morgenröte sieht, kurz: sie geniesst den jeweiligen Augenblick und geht mit grosser Phantasie in den Tag. Abends geniesst sie die wiederkehrenden Rituale, das zu-Bett-gehen, die Musik zum Einschlafen.

In Interviews werden Prominente und weniger Prominente oftmals gefragt, was für Vorbilder sie hätten. Die einen nennen Napoleon, andere Kennedy, wieder andere die Callas oder Merkel. Ich würde diese Frage ganz schlicht beantworten mit: meine Tochter.

Dienstag, 2. Februar 2010

Mut zur Entscheidung

Eine email an mich führt mich dazu, über Entscheidungen nachzudenken.

Wir sind in unserem Alltag ständig mit Entscheidungsoptionen konfrontiert: soll ich dieses tun, jenes unterlassen? Oft sind es banale Entscheidungen, die wir im Alltag treffen müssen, und oftmals entscheiden wir intuitiv und vielfach auch unbewusst. Es gibt jedoch Lebenssituationen, die eine bewusst aktive Entscheidung von uns abverlangen. Und in solchen Lebenssituationen sind wir oftmals hilflos, schieben die Entscheidung vor uns hin, verhalten uns passiv und lassen demzufolge zu, dass "die Umstände" für uns entscheiden und uns damit bevormunden. Auch in der Politik ist dieses Phänomen bestens bekannt und wird da und dort mit "aussitzen" umschrieben ("System Kohl").

Ich bin überzeugt, dass der Mensch vor allem dann leidet, wenn er nicht aktiv entscheidet und damit zum Spielball der Umstände wird. In einer solchen Konstellation sieht er sich dann auch (gerne) als Opfer der Umstände ("ich bin ein armer Kerl"). Ich kenne dieses Gefühl sehr wohl. Es ist ein, pardon, verschissenes Gefühl, ein Gefühl der Ohnmacht und oftmals auch der Verzweiflung. Ich habe lernen müssen (und muss weiter daran arbeiten), dass aktives Entscheiden die unabdingbare Grundvoraussetzung eines gelungenen Lebens ist. Ich muss und will mich bewusst für diese oder jene Option entscheiden.

Die Frage lautet nicht, was ich vom Leben erwarten darf, sondern: was erwarte ich vom Leben? In einem beruflichen Kontext habe ich diese an sich banale Erkenntnis einmal mehr erfahren dürfen/müssen. Ich werde niemandem gerecht, nicht zuletzt auch mir nicht, wenn ich passiv den Fluss des Lebens an mir vorbei ziehen lasse. Tue ich es dennoch, leide ich, treibe ich irgendwo hin und bin damit nicht Steuermann meines Lebens. Eine doch beängstigende Perspektive.

Aktiv und bewusst entscheiden heisst demgegenüber, den Weg der Freiheit zu wählen - Freiheit als Einsicht in die Notwendigkeit (Hegel).