Dienstag, 31. Januar 2012

Das Wechseln der Räder am fahrenden Zug

Immer wieder verspüre ich dieses sonderbare Gefühl der absoluten Vergänglichkeit. Ich versuche, den Schnellzug namens Leben aufzuhalten, ihn zu zwingen, etwas langsamer zu fahren - aber er fährt mit ungebremsten Tempo -Destination unbekannt- fort und bedient viele Haltestellen nicht.

Und dann gibt es auch Momente, wo der Schnellzug doch bloss ein harmloser Regionalzug ist. Er fährt langsam durch die Gegend, hält auch an und lässt 
uns Fahrgäste ein- und aussteigen. Umsteigemöglichkeiten sind dabei gegeben - noch.
Das Wechseln der Räder am fahrenden Zug jedoch ist ein schwieriges Unterfangen.  

Montag, 30. Januar 2012

Heute vor 79 Jahren

Noch gerade realisiert vor dem Zähneputzen:
heute vor 79 Jahren ist Hitler zum Reichskanzler ernannt worden. Hindenburg glaubte, mit der Wahl Hitlers die Nazis einbinden zu können. Wir wissen, dass die Fehleinschätzung des greisen Hindenburg fatale Folgen hatte.




Der heuchlerisch-demutsvolle Händedruck spricht Bände, und nur kurze Zeit später brannte der Reichstag und bald darauf Europa und die ganze Welt.

Im Altersheim

Heute habe ich beim Zubereiten des Abendessens an meinen verstorbenen Vater denken müssen. Was ich vor meinem geistigen Auge sah, während ich gedankenversunken die Currysauce zubereitete:

Samstagmorgen, 0930 Uhr. Die Bewohnerinnen und Bewohner des Altersheims plaudern bei Kaffee und frischen Brötchen. Es riecht nach Bodenwichse und Filterkaffee. An einem der Tische sitzt mein Vater. Als er mich sieht, freut er sich über meinen Besuch. Viel plaudern mag er nicht. Da, auf einmal, wird ein Sarg an den Tischen vorbei getragen. Es sei wieder jemand gestorben, sagt einer laut. Ja, wer denn, will eine Dame wissen. Achselzucken, während ein anderer meint, es sei wohl der Fritz, der da im "hölzernen Pyjama" liege. Mein Vater schweigt und tut so, als gehe ihm dies alles nichts an. Ob das denn immer so sei, will ich wissen, dass die Särge der frisch Verstorbenen durch das Kaffeehaus getragen werden. Ja, das sei so. Weil halt die Hintertüre zu klein sein. Schweigen an unserem Tisch, während an anderen Tischen munter weitergeplaudert, geschwiegen, gestritten oder gelesen wird. Dann denke ich mir: hier warten alle auf den Tod, so wie wir ja auch. Die einen verdrängen den Tod, die anderen reden über ihn. Andere schauen beim Anblick des Sarges demonstrativ weg, ein anderer steht auf, wieder jemand anders beginnt irgend ein Lied zu singen (oh du schöne Heimat).

Altersheim - schon der Name macht mich halbwegs krank. So lange es irgendwie geht, bleiben die Menschen zu Hause, die spitalexterne Betreuung, wie das bei uns heisst, macht es möglich. Mein Vater war leicht bis mittelschwer dement und zu schwach -und vor allem auch meine Mutter, die es nicht mehr aushielt-, um zu Hause bleiben zu können. Ihm blieb nichts anderes übrig. Ich sehe noch sein Zimmer, nein: sein Zimmerchen. Rechts das Waschbecken (Lavabo, wie es in der Schweiz heisst), links das Bett, ein kleines Sofa, ein kleiner Schrank - fertig. Ansonsten: jeder tut, was er will, Altersheime sind heute keine Gefängnisse mehr. Mein Vater ging anfänglich noch ein und aus - und verirrte sich prompt einige Male. Einmal irrte er an einem frühen Sonntagmorgen mitten in der Stadt umher - es war kalt, grau, Herbst. Die Polizei fand ihn und brachte ihn zurück, man informierte mich darauf. Keine schönen Geschichten.

Ja, solche und weitere Bilder kommen mir zeitweise in den Sinn - wie angeschossen, so wie heute Abend, an diesem grauen, kalten Januarabend, beim Zubereiten des Abendessens. Ich stehe mitten im Leben und doch lauert er auch auf mich, ich weiss es, so wie er überall lauert, täglich, und er kann jederzeit zuschlagen, in welcher Form auch immer.

Und ich stelle mir vor, wie es heute im Altersheim wohl war: das übliche Tagesprogramm für jene, die mitmachen wollen. Gemeinsames Singen und etwas Turnen. Nachmittags kommt vielleicht in Clown vorbei mit Hund, alte Menschen werden oftmals wie Kinder wahrgenommen und behandelt. Und morgen wird vielleicht wieder ein Sarg vorbei getragen, wenn Kaffee und frische Brötchen aufgetischt sind und Frau Müller und Herr Maier Geschichten aus vergangenen Zeiten erzählen. Und ich werde arbeiten und so tun, als gehe mich dies alles nichts, aber auch gar nichts an. 

Sonntag, 29. Januar 2012

Gute-Nacht-Lied

Und jetzt noch dies, weil es irgendwie sein muss in dieser noch jungen, trüben Nacht bei leisem Schneefall.

Samstagsbilanz

Notiert:
entspannter Tag, doch zu wenig Bewegung, abends in der Oper mit den üblichen Emotionen. Meine Tochter hat mich begleitet. Und nun: müde und glücklich (was heisst das schon), und dennoch mit einer gewissen Leere werde ich bald ins Bett gehen. Ratlosigkeit in einem gewissen Sinn, ja. 

Donnerstag, 26. Januar 2012

Die vernichteten Liebesbriefe

Heute Abend habe ich über die von mir in den letzten Jahren vernichteten Liebesbriefe aus der eigenen Sturm- und Drangzeit nachgedacht. Es tut mir leid, dass ich sie allesamt vernichtet habe, jene Briefe aus der Jugend, die heute vergilbt und Zeugen längst vergangener Gefühle und Geschichten wären. Wie gerne würde ich sie jetzt hervorkramen und darin lesen wollen, was mir namentlich Denise, Eva, Silvia und Maria damals schrieben - teils mit überschäumender Freude, teils mit Tränen zwischen den Zeilen.

Wie gerne würde ich mit den Augen durch diese Zeilen wandern und den damaligen Gefühlen, Irrungen und Wirrungen nachspüren wollen. Nochmals das Papier zwischen den Händen halten, nochmals daran riechen (Silvia, ich weiss es noch genau, parfümierte ihr Briefpapier, fertigte Zeichnungen an und legte auch mal eine getrocknete Blume bei), die Schrift auf mich einwirken lassen, die Satzkonstruktionen, die damaligen Sehnsüchte, Fragen, Hoffnungen und, ja, Zukunftspläne nochmals durchgehen. Ich vermisse sie. 

Keine Frage von entweder/oder

Notos schreibt in seinem jüngsten Beitrag
Schott sagt, eine Haupt- und eine Nebenbeziehung sei keine Frage von „entweder“ und  „oder“, sondern die Frage von Liebe. Eine Freundschaft wird auch nicht seriell geteilt, sondern nebenher gelebt.
Ich kann dem nur zustimmen. Warum die nach meiner Überzeugung übermenschliche Forderung aufstellen, nur einen Menschen -und dies nach Möglichkeit ein Leben lang!- lieben zu können, genauer: nur einen Menschen lieben zu dürfen? Als ob ein Mensch all die Bedürfnisse und Sehnsüchte eines anderen Menschen umfassend und abschliessend abdecken bzw. erfüllen könnte. 
Nochmals an dieser Stelle sei gesagt: wer das Monopol in Sachen Liebe will, will herrschen. Es geht ihm dabei nicht in erster Linie um Liebe, sondern um die Durchsetzung seines Besitzanspruchs über eine Person. Was hätte dies mit Liebe zu tun? Liebe geht immer einher mit Freiheit, Liebe und Freiheit sind ein Zweiklang: das eine ist ohne das andere etwas Halbfertiges. Es klingt dann jedenfalls nicht nach Harmonie, sondern nach Unterdrückung. 

Mittwoch, 25. Januar 2012

Über den Durst trinken

Bald bin ich in der Stadt und werde an einer langen Theke ein Bier bestellen, vielleicht auch ein zweites. Was danach folgt, weiss ich nicht. Und morgen werde ich, was auch geschehen mag, zur gewohnten Zeit aufstehen und meine Arbeit erledigen.

Und dann habe ich mich heute dazu durchgerungen, eine Wagneroper reinzuziehen. Vermutlich werde ich diese stundenlange Vorstellung in Zürich verdauen müssen. Was sagte Woody Allen zu Wagner? "Wenn ich zu viel Wagner höre verspüre ich das Bedürfnis, Polen erobern zu müssen". Wunderbare Ironie, treffsicher und auf den Punkt gebracht. An jenem Abend werde ich, Wagner sei Dank, Grund genug haben, über den Durst trinken zu müssen.

Montag, 23. Januar 2012

Im Grunde der Dinge nichts

Heute Abend sass ich nach der Erledigung all meiner Pflichten einfach auf dem Sofa und saugte die Ruhe des Raumes auf. Ich wollte bewusst nichts lesen, nichts hören, wollte nur die Stille in mir und um mich wahrnehmen. Später läutete das Telefon, smalltalk war angesagt. So geht auch dieser Montag vorbei ohne jegliches Spektakel, ohne dass irgend etwas Bedeutendes vorgefallen wäre. 

Sonntag, 22. Januar 2012

Sonntagabend

Der Sonntagabend erfüllt mich immer wieder mit einer gewissen Melancholie, nur weiss ich nicht, wie ich diese einzuordnen habe. Ich schaue zurück auf die vergangene Woche und überlege mir, was gut gelang und was weniger. Dann folgt der Blick auf die anstehende Woche, nur dass ich dabei oft im luftleeren Raum stehe. Zwar weiss ich, was mich geschäftlich erwartet, ansonsten stochere ich im Trüben. Manchmal freue ich mich auf die neue Woche (ohne dass ich dafür einen handfesten Grund hätte), manchmal fürchte ich mich aber auch vor ihr (auch hier: ohne ersichtlichen Grund).

Der Sonntagabend als Ort des existenziell Verlorenseins, als Dreh- und Ausgangspunkt zwischen Vergangenem und Zukünftigem, aber auch als Symbol des ewig Wiederkehrenden. Auch akustisch scheint der Sonntagabend anders zu sein, er klingt merkwürdig still, ja manchmal geradezu feierlich. Zeitweise ertappe ich mich, wie ich mich abzulenken versuche, vorzüglich mit einem TV-Krimi. Ich lasse es aber meistens sein und blättere durch dieses oder jenes Buch oder schreibe an Texten, um mich diesem sonderbaren Gefühl zu stellen. So wie jetzt. Und (als ob mich das Leben rufen würde) meine Tochter will noch eine Gute-Nacht-Geschichte. Die kleine Hexe, das lese ich gerne. 

Eva Liebau

Wer ihre Stimme nur einmal gehört hat,
will sie immer wieder hören.
Sanftes Sopran,
sinnlich daher kommend,
schwebend,
nie übertrieben in den Koloraturen,
unglaublich schön.
Zu bewundern am Opernhaus Zürich.

Violetta und ihre Hände

Ein Glas Rotwein mit Violetta
bequem auf dem Sofa
und dann
später
sich bezaubern lassen von ihren Händen
das fehlt mir in dieser dunklen, stürmischen Nacht,
die partout keinen Schlaf zulassen will

Samstag, 21. Januar 2012

Bitte keine Vorhänge

Notiert:
Übrigens mag ich keine Vorhänge.
Und auch keine Rollos oder wie die Dinger heissen.
Ich will freie Sicht haben aus meiner Wohnung.
Will den grauen oder blauen Himmel sehen,
die Vögel und den Wagen der Müllabfuhr,
den Nieselregen oder den Hagel.
Ich mag die Morgen-, Mittags- und Abendsonne.
Aber auch die dunkle Nacht und die Sterne am Himmel.
Ich kann lange am Fenster stehen und auf die Stadt blicken.
Am Liebsten
erblicke ich das ferne Morgen- oder Abendrot der Alpen.
Dann relativiert sich Manches,
und Vieles demaskiert sich als das, was es ist:
als blosse Nichtigkeiten des Daseins,
als allzu Menschliches,
als Eifersüchteleien und dumme Eitelkeiten. 

Nachlese

Nachwirkungen eines Fondue-Abends:
akuter Durst und daher dringendes Bedürfnis nach kaltem Wasser.
Beinahe in der ganzen Wohnung riecht es wie in einer Käserei.
Bedürfnis, lange durchzulüften. Frische Luft bitte!
Aber: kein Brummschädel (immerhin).
Die Tochter schläft noch tief und fest.
Und dabei ist es schon 10 vor 10!
Heute werde ich wohl nicht viel Vernünftiges anstellen. 

Freitag, 20. Januar 2012

Fondue-Abend

Nach diesem Fondue-Abend bin ich leicht beschwipst. Zu viel Käse, zu viel Weisswein aus dem Waadtland, zu viel Kirsch aus Zug. Palaver, einen ganzen Abend lang. Streit über den Humor von Woody Allen, heftige Diskussionen über Wagner (mein alter Kumpel ist Wagnerianer), dazwischen viel Gelächter, viel Weisswein, Kirsch sowieso. In solchen Momenten scheine ich wie alles vergessen zu können, ja, es war ein schöner Abend. Vergängliche Momente, wie alles im Leben, aber schöne Momente. Und das Wochenende steht vor der  Tür, da kann ich nur sagen: zum Glück.

Schlaf ist angesagt, derweil die Tochter munter duscht und eine Mozartarie trällert. Und ich bin etwas beschwipst. Sehnsucht macht sich breit, immer wieder. Warum verfolgt sie mich mit dieser Hartnäckigkeit? Deshalb, weil ich sie zulasse und durch sie deine Nähe spüre. 

Donnerstag, 19. Januar 2012

Vernunft versus Liebe

Ist man ab einer gewissen Lebensphase (freiwilliger) Gefangener seines eigenen Lebensentwurfs? Was tun, wenn die sogenannte Vernunft stärker ist als die sogenannte Liebe, die man zu einem Menschen empfindet mit dem Resultat, dass man dort verweilt, wo man eigentlich gar nicht verweilen möchte, es aber trotzdem tut, weil  dadurch vordergründig "weniger Probleme" entstehen?

Es braucht immer wieder Kraft, um die Diskrepanz zwischen Wollen und Können, zwischen Bequemlichkeit und Aufbruch, zwischen Sicherheitsbedürfnis und Risikobereitschaft, einigermassen ertragen zu können. 

Mittwoch, 18. Januar 2012

Frau Dirigentin

Was für einen Beruf mag diese hübsche Frau ausüben? Vieles ist denkbar.

Barkeeper?
Kellnerin, Ärztin, Bergsteigerin?
Lehrerin, Physiotherapeutin?

Hausfrau, vollamtlich?

All dies könnte zutreffen, und manch Anderes auch.

Doch sie ist Musikerin,
genauer: Dirigentin.
Ich freue mich, sie bald dirigieren zu sehen.
Mozart und Beethoven stehen auf dem Programm.


Meine Tochter staunte nicht schlecht, als ich ihr davon erzählte. Sie dachte, dirigieren sei Männern vorbehalten.
Denkste!

Hände, die sich berühren (XVIII)

Er hat sich schon ein Weilchen nicht mehr bei ihr gemeldet -
sie sich bei ihm auch nicht.
Funkstille.
Es war ihm recht so.
Er vermisst sie nicht,
überhaupt nicht.
Und sie ihn wohl auch nicht,
überhaupt nicht.

Und neulich trafen sie sich per Zufall auf der Strasse.

Ah, wie geht es dir?
Oh, es geht mir gut, und dir?
Oh, auch ganz gut.
Schön (Pause - es folgt ein Smalltalk. Nochmals Pause)
Ja, ich sollte jetzt auf den Zug (Pause)
Ja, dann tue das. Schön, dich getroffen zu haben!

Ja, danke dir, ich melde mich.
Ja ja, tue das.

Kein Abschiedskuss.
Weshalb denn auch?
Er wusste: wenn ich sie nicht vermisse, dann sagt das alles aus.
Und er dachte sich: sie hat dieselbe Erfahrung gemacht.

Vielleicht werden sie dereinst darüber reden,
wie es sich anfühlt,
wenn Gefühle sich davon schleichen,
ehe sie überhaupt angekommen sind.

Kleiner Willkommensgruss

Ich begrüsse ganz herzlich die hier neu zugestossenen Leserinnen. Ich mag stille Leserinnen, aber auch und vor allem solche, die ihre Sicht der Dinge deponieren und dabei auch Widerspruch zu meinen Texten anmelden.

In diesem Sinne: Merci für aktives Mitlesen/Mitdenken/Mitstreiten!

Dienstag, 17. Januar 2012

Der coole Lehrer

Heute erzählte mir meine Tochter von ihrem aktuellen Schullehrer, der die kranke Klassenlehrerin vertritt.
Er wolle besonders cool sein, sagte sie mir.

Und wie zeigt sich das?
Er rülpst während des Unterrichts, 
und dann flucht er auch dazwischen. 
Und dann trägt er so komische Hosen, die ihm irgendwie viel zu gross sind. 
Und er will unbedingt, dass man ihn duzt. 
Und Du findest das nicht cool, will ich weiter wissen.
Nein. Cool ist man dann, wenn man es gar nicht zeigen muss.

Bizarre Gedanken

Notiert:
Spätabends kommen mir manchmal bizarre Gedanken hoch, die kaum weiterführend sind.
Da absolut spekulativ.
Und doch treiben sie mich an und lassen Unruhe aufkommen.
So wie jetzt.
Wo stehe ich in 10 Jahren?
Die Frage allein erfüllt mich mit Unbehagen.

Ja, nur ein Tropferl im Meer.


Montag, 16. Januar 2012

Ein gewöhnlicher Tag

Heute habe ich einfach meine Arbeit erledigt - weder euphorisch noch freudlos.
Bin einkaufen gegangen und liess mich nicht aus der Ruhe bringen.
Abends gekocht und mit meiner Tochter musiziert.
Dann das übliche Tamtam in der Küche mit Aufräumen, Putzen usw.

Ich habe im Grunde der Dinge heute nichts erlebt, was aussergewöhnlich gewesen wäre.
Oftmals kann ich mit dieser Tatsache leben.
Oder ich suche nach kleinen Erlebnissen und denke mir dann: der Alltag hat eine unglaubliche Breite an Erlebnissen, man muss sie nur entdecken, sehen, dann ist jeder Tag ein aussergewöhnlicher Tag.
Mag sein.
Doch nicht nur heute sehe ich nichts dergleichen.
Sehe und spüre bloss den Alltagstrott.

Ein gutes Buch tut jetzt Not, und ein kühles Bier dazu,
ein Stückchen Käse und Nussbrot.
Möge der Schlaf bald kommen.
Und ja, morgen ist auch ein Tag.
Alltag.
Ich werde genauer hinschauen.

Samstag, 14. Januar 2012

Angst

Was täte ich, gäbe es das Angstgefühl nicht?
Welche Handlungen würde ich tun, wenn es die Angst nicht gäbe bzw.
wenn ich sie nicht spüren würde?
Wäre das Leben fundamental anders?

Die Frage bleibt hypothetischer Natur, da deren Beantwortung nur angstfrei zu haben ist. Zu vermuten ist, dass Angst auch ein Schutz darstellt, aber in erster Linie doch ein hemmender Faktor ist, der sich uns in unserem Leben oftmals entgegenstellt. 

Donnerstag, 12. Januar 2012

Gute-Nacht-Lied

Notiert:
dichter Nebel, kalt.
Ich lümmle in der Wohnung umher.
Bilanz des heutigen Abends: durchzogen.
Lese da und dort - unkonzentriert.
Ja ja, genau: déjà-vu.

Mit der Mutter beim Kaffee

Heute bin ich mit meiner alten Mutter Kaffee trinken gegangen. Bald wird sie 90, und ist dennoch ganz gut im Schuss. Sie hat ihre festgefahrenen Rituale, ihre Tage sind klar durchstrukturiert, obwohl -oder vielleicht gerade deswegen- sie nicht in einem Altersheim wohnt, sondern immer noch zu Hause. Morgens immer dasselbe Kaffeehaus aufsuchen, dann immer derselbe Weg durch die Innenstadt, das Einkaufen, dann der städtische Bus. Sie geht immer nach derselben Zeit ausser Haus, und kommt immer zur gleichen Zeit nach Hause, abgesehen von geplanten Abweichungen von der Regel. Und die Momente der Einsamkeit, natürlich, auch die kommen und gehen, je nach Tageszeit und Tagesform.

Da hab ich mich gefragt, ob dieses Leben, das sie führt, ein durchaus angenehmes Leben ist. Sie hat keine Aufregungen mehr zu verzeichnen, keine Kämpfe zu führen, keine Liebeleien zu erdulden, sie steht auf, geht in die Stadt, immer das Gleiche, kommt nach Hause, beginnt mit dem Kochen des Mittagessens, jede Handbewegung ist internalisiert, dann aufräumen etc. etc. etc. Und abends gibts am TV einen Krimi. Und dann hat sie Angst, jemand sei in der Wohnung. Auch dies: immer nach demselben Muster.

Irgendwann werde ich wohl auch so leben.
Wenn ich denn überhaupt so lange leben werde.
Doch ich hüte mich vor voreiligen Schlüssen:
meine Mutter lebt - und so lange sie lebt, lebt sie, ganz nach ihren Überzeugungen und Ritualen.
Sie hat keinen Grund, sich zu beklagen.
Ob ich an ihrer Stelle einen hätte?

Mittwoch, 11. Januar 2012

Gute-Nacht-Lied

Weil es einfach gerade passt zu meiner aktuellen Laune

Vom Bügeln

Das eherne Gesetz der Akkumulation, von dem Marx sprach, erlebe ich vor allem beim Betrachten des Wäschekorbs. Von Woche zu Woche türmt sich immer mehr Wäsche auf, die darauf wartet, endlich gebügelt zu werden. Nur mit Schwierigkeiten kann ich mich nach langem Hinauszögern dazu aufraffen, mich endlich dieser herkulischen Aufgabe zu stellen und damit zu beginnen, Kleidungsstück um Kleidungsstück einwandfrei zu bügeln. Dazu gucke ich in die Röhre und lass mich von alten Derrick-Serien berieseln. Der Alltag kann manchmal sehr lange sein und irgendwie trostlos. 

Abends auf dem Nachhauseweg

Nach der Arbeit gehe ich meistens zu Fuss nach Hause. Oftmals, wenn ich dann im abendlichen Strassenverkehr stehe und unter der Strassenlampe beim Fussgängerstreifen warte, bis ich die Strasse überqueren kann, verspüre ich so etwas wie existenzieller Ekel. Einsamkeit ergreift mich, auch wenn ich mit Kollegen unterwegs bin - darum geht es nicht.

Es ist vielmehr eine tief in mir schlummernde Einsamkeit, die sich in jenem Moment bemerkbar macht. Dieses Gefühl habe ich nur in Städten, in den Bergen passiert mir das nicht. Vermutlich deshalb, weil Berge erden und unumstösslich sind. Unerschütterlich stehen sie da und trotzen der Zeit. Abendlicher Strassenverkehr erinnert mich demgegenüber an die absolute Vergänglichkeit und permanente Rastlosigkeit. 

Montag, 9. Januar 2012

Liebe strömen lassen

Ich dachte, ich könnte Abschied nehmen.
Doch intuitiv wusste ich, dass ich es nicht kann.
Mehr noch: dass ich es auch gar nicht will.
Zu viel an Energie, zu viel an zärtlichen Gefühlen
und Vertrautheit,
als ich dies ad acta legen könnte.
Bin ich traurig?
Ich werde gleich den Geschirrspüler leeren,
den Stubbe vom Samstag reinziehen
und bald schlafen gehen.


Nicht mehr über
Beziehungen sprechen
Sondern Liebe
Strömen lassen
Den Hals
Mal wirklich
Hinhalten

Kersten Flenter

Samstag, 7. Januar 2012

In der Kälte

Leichter Schneefall.
Kalt.
Kinder toben sich aus.
Ich sehe mich als Kind
wie es damals spielte
so wie jetzt diese Kinder.
Unbekümmert sein.
Frei von Sorgen sein, noch.
Ich spüre die feinen Schneeflocken auf meinem Gesicht.
Tiefes Durchatmen.
Ich liebe die Kälte
weil
man sich später umso besser aufwärmen kann.
Schneeballschlacht mit kichernden Mädchen.
Unbekümmert sein
für einen kleinen Augenblick.

Doch nun
kalte Füsse, kalte Hände.
Warmes Herz und trotzdem nackt.
Zeit einzukehren.
Es schneit immer noch.

Freitag, 6. Januar 2012

Schlaflos

Gestern Nacht
0430 Uhr
hellwach
wiederum aussichtsloser Kampf
gegen die Schlaflosigkeit.
Im Durcheinandertal.
Wandere da und dort durch meine Gedanken.
Aufstehen mochte ich nicht (mein Fehler)
stattdessen: sich hin und her wälzen
dem Wind zuhören, wie er an die Lamellenstoren rüttelt.
Lichtblicke um 0525 Uhr: frischer Kaffee von Nespresso,
dazu ein Rondo von Mozart.
Später schlafe ich doch noch ein.
0700 Uhr, Morgennachrichten.
Was geht mich Herr Wulff an?
Und man vernimmt ferner von einer Selbstverbrennung in Tunesien.
Aus Protest, vom Arbeitsminister nicht empfangen worden zu sein.
Kein guter Start in den Tag.

Donnerstag, 5. Januar 2012

Auf der Suche nach der Gegenwart

Heute habe ich versucht, jede Handlung, jede Handbewegung, jeden Atemzug ganz bewusst zu tun. Ich versuchte, möglichst viel aus meiner unmittelbaren Nähe aufzunehmen, dem alten Mann zuzuschauen, wie er im Supermarkt ratlos vor den vielen Gurkengläsern steht und sich nicht entscheiden kann, oder der Verkäuferin, wie sie seelenruhig die Kasse bedient und sich ob der langen Warteschlange nicht aus der Ruhe bringen lässt. Wenn es mir gelingt, ganz im Jetzt zu sein, werde ich ruhiger, nehme meinen Atem bewusst wahr und freue mich später, als ich den auf mich niederprasselnden Regen spüre. Nach dem Abendessen spiele ich eine ganze Stunde Karten mit meiner Tochter.

Doch nein, es gelingt mir nicht, die Erinnerungen gänzlich ruhen zu lassen, sie sind da, wie die Spielkarten da sind oder der Esstisch. Gegenwart als entwickelte Vergangenheit. 

Mittwoch, 4. Januar 2012

Den Berg runterdonnern

Heute Abend verspüre ich eine tiefe Müdigkeit, die umfassend ist. Ich werde mich gottlob ins Wochenende flüchten und bald den Berg runterdonnern und später den Kirsch runterspülen können.
Und ich werde versuchen, nicht dauernd an dich denken zu müssen.

Doch wer behauptet, ich hätte geweint, der lügt sich was in die Tasche
Wolf Biermann

Lebenskompromiss und Lebenslüge


Mit der Amputation allein ist die Wurzel eines Problems noch nicht gelöst, sprich: ist die Radikalität der Problemlösung noch nicht konsequent zu Ende gedacht. Was nützt es einem starken Raucher, dass man ihm sein Raucherbein amputiert und er doch nicht mit dem Rauchen aufhören kann?

So ist es auch mit der Liebe. Wenn man, salopp gesagt, „den falschen Menschen“ liebt, falsch deshalb, weil er bereits „besetzt“ ist: kann man in einer solchen Situation die Begegnung als solche leugnen bzw. abbrechen und darauf hoffen, das Problem sei damit gelöst? Löse ich es tatsächlich dadurch, dass ich jenen Menschen einfach nicht mehr sehe bzw. ignoriere und so tue, als existiere er nicht (mehr) in meinem Leben, getreu dem Motto: aus den Augen, aus dem Sinn? Kann ich, nachdem ich mit jenem Menschen gebrochen habe, meiner Frau anders begegnen und ihr jubelnd und mit einem bunten Blumenstrauss in der Hand zurufen: ach meine Liebe, wie liebe ich dich doch!

Ich nenne dies reine Symptombekämpfung, weil dadurch das Problem nicht an der Wurzel gepackt wird, und das hiesse: zu problematisieren, weshalb ich meine Frau oder meinen Mann nicht mehr liebe. Dies wäre die ehrliche, radikale Frage, die ich zunächst einmal im stillen Kämmerlein für mich zu beantworten hätte. Der nächste Schritt wäre, mit meiner Frau offen darüber zu sprechen und auszuloten, weshalb dies so ist, weshalb es dazu gekommen ist, was mir fehlt bzw. auch was ihr fehlt, was meine Sehnsüchte sind und weshalb sie diese nicht (hinreichend) erfüllen kann. Daraus resultierte der logische Folgeschritt: was, wenn überhaupt, können wir gemeinsam tun, um die Partnerschaft zu retten?

Oder anders gesagt: ich lege meine Lebenslüge ab und versuche, in der Wahrheit zu leben.

Aber oftmals gehen wir nicht so weit. Wir klemmen ab und wägen sorgsam ab, einem Richter gleich, der eine Güterabwägung vornimmt. Stecken den Kopf in den Sand und denken: schwamm darüber, ich arrangiere mich in meinem Lebenskompromiss (huch, ich fühle mich am Rande auch ertappt). oder sollte ich eher sagen: in meiner Lebenslüge? Nun ja, das ist durchaus eine mögliche Haltung, die ich nicht verurteile, weil auch ich kein Held bin und radikale Veränderungen in meinem Leben nicht unbedingt suche oder schätze. Oder weil ich Angst habe vor tatsächlich oder vermeintlich unangenehmen Konsequenzen, die da wären: Scheidung, Trennung, finanzielle Einbussen, und ja ja, mein guter Ruf könnte ja leiden!! Ich kenne auf Anhieb mindestens drei Paare aus meiner nächsten Umgebung, die so leben. Die sich nicht mehr viel zu sagen haben, die sich zwar gegenseitig durchaus unterstützen, der eine kocht, der andere wäscht ab, nun ja, man tut, was man kann, und abends ist man zusammen (zuerst zur Tagesschau, dann zu einem netten Spielfilm) und ist es doch nicht, und das Thema Sexualität will ich hier in diesem Kontext schon gar nicht thematisieren.

Als zeitweiliger Zauderer kenne ich den vermeintlich bequemen Weg des Lebenskompromisses. Doch weil ich diesen Weg kenne, weiss ich auch, wohin er früher oder später führen wird und zu welchem Preis er aufrecht zu erhalten ist. 

Montag, 2. Januar 2012

Sexquote
























Beinahe 20% der Befragten hatten in einem Zeitraum von vier Wochen keinen Sex.
Und weit über die Hälfte (57%) hatte innerhalb eines Monats maximal nur einmal pro Woche Sex.

Die Häufigkeit sagt ja bekanntlich noch nichts aus über die Qualität. Und auch im Sexleben gilt: weniger kann auch mehr sein, keine Frage, und: viel Sex ist nicht gleichzusetzen mit gutem Sex, oh Nein. Dieser zentrale Aspekt wird in der oben wiedergegebenen Umfrage nicht thematisiert.

Aber ich denke schon, dass auf quantitativer Ebene der gute alte Luther recht hatte: zweimal pro Woche Sex, ich erlaube zu ergänzen bzw. zu präzisieren, guter Sex, und dies über eine möglicht lange Zeitperiode, wäre als Zielgrösse eine schöne, ja geradezu himmlische Quote, die anzustreben bleibt.

Guter Sex hat man dann, wenn frivole Leidenschaft im Spiel ist.
Und grenzenlose Lust aufeinander, bei der es keine Schere im Kopf gibt.
Wenn die Begegnung nicht nur auf körperlicher, sondern auch auf geistig-emotionaler Ebene stattfindet, bei der sich selbst die Seelen begegnen.

Nun ja, davon bin ich weit entfernt.
Meine Vorsätze fürs 2012 sind bescheidener ausgefallen.