Mittwoch, 4. Januar 2012

Lebenskompromiss und Lebenslüge


Mit der Amputation allein ist die Wurzel eines Problems noch nicht gelöst, sprich: ist die Radikalität der Problemlösung noch nicht konsequent zu Ende gedacht. Was nützt es einem starken Raucher, dass man ihm sein Raucherbein amputiert und er doch nicht mit dem Rauchen aufhören kann?

So ist es auch mit der Liebe. Wenn man, salopp gesagt, „den falschen Menschen“ liebt, falsch deshalb, weil er bereits „besetzt“ ist: kann man in einer solchen Situation die Begegnung als solche leugnen bzw. abbrechen und darauf hoffen, das Problem sei damit gelöst? Löse ich es tatsächlich dadurch, dass ich jenen Menschen einfach nicht mehr sehe bzw. ignoriere und so tue, als existiere er nicht (mehr) in meinem Leben, getreu dem Motto: aus den Augen, aus dem Sinn? Kann ich, nachdem ich mit jenem Menschen gebrochen habe, meiner Frau anders begegnen und ihr jubelnd und mit einem bunten Blumenstrauss in der Hand zurufen: ach meine Liebe, wie liebe ich dich doch!

Ich nenne dies reine Symptombekämpfung, weil dadurch das Problem nicht an der Wurzel gepackt wird, und das hiesse: zu problematisieren, weshalb ich meine Frau oder meinen Mann nicht mehr liebe. Dies wäre die ehrliche, radikale Frage, die ich zunächst einmal im stillen Kämmerlein für mich zu beantworten hätte. Der nächste Schritt wäre, mit meiner Frau offen darüber zu sprechen und auszuloten, weshalb dies so ist, weshalb es dazu gekommen ist, was mir fehlt bzw. auch was ihr fehlt, was meine Sehnsüchte sind und weshalb sie diese nicht (hinreichend) erfüllen kann. Daraus resultierte der logische Folgeschritt: was, wenn überhaupt, können wir gemeinsam tun, um die Partnerschaft zu retten?

Oder anders gesagt: ich lege meine Lebenslüge ab und versuche, in der Wahrheit zu leben.

Aber oftmals gehen wir nicht so weit. Wir klemmen ab und wägen sorgsam ab, einem Richter gleich, der eine Güterabwägung vornimmt. Stecken den Kopf in den Sand und denken: schwamm darüber, ich arrangiere mich in meinem Lebenskompromiss (huch, ich fühle mich am Rande auch ertappt). oder sollte ich eher sagen: in meiner Lebenslüge? Nun ja, das ist durchaus eine mögliche Haltung, die ich nicht verurteile, weil auch ich kein Held bin und radikale Veränderungen in meinem Leben nicht unbedingt suche oder schätze. Oder weil ich Angst habe vor tatsächlich oder vermeintlich unangenehmen Konsequenzen, die da wären: Scheidung, Trennung, finanzielle Einbussen, und ja ja, mein guter Ruf könnte ja leiden!! Ich kenne auf Anhieb mindestens drei Paare aus meiner nächsten Umgebung, die so leben. Die sich nicht mehr viel zu sagen haben, die sich zwar gegenseitig durchaus unterstützen, der eine kocht, der andere wäscht ab, nun ja, man tut, was man kann, und abends ist man zusammen (zuerst zur Tagesschau, dann zu einem netten Spielfilm) und ist es doch nicht, und das Thema Sexualität will ich hier in diesem Kontext schon gar nicht thematisieren.

Als zeitweiliger Zauderer kenne ich den vermeintlich bequemen Weg des Lebenskompromisses. Doch weil ich diesen Weg kenne, weiss ich auch, wohin er früher oder später führen wird und zu welchem Preis er aufrecht zu erhalten ist. 

1 Kommentar:

  1. Kompromisse "leben" heißt, den einfachen Weg zu wählen. Einfach, nur leider meistens nicht glücklich.
    Ich spreche aus Erfahrung und habe das Wort "Kompromisse" aus meinem Wortschatz gestrichen.
    Nicht immer einfach.

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