Dienstag, 31. August 2010

unerfüllte Liebe

Ausgangspunkt meiner nachfolgenden Zeilen ist ein Beitrag von Anna.
In ihrem Blog schreibt sie heute unter anderem folgendes:

was geht in dir nur vor?
dass du dir einbildest, sehnsucht haben zu dürfen?
nach mir.
grausam gönn ich dir deine sehnsucht.
du sollst wissen, wie weh sie tut.
ich, für mich, will keine sehnsucht mehr haben.
genug ist genug.
deshalb tauche ich jetzt mal unter.
dorthin, wo deine sehnsucht mich nicht erreichen kann.

Anna liebt einen verheirateten Mann, einen Mann, von dem sie weiss, dass er seine Familie womöglich nie verlassen wird.

In beiden brennt das Feuer, die Leidenschaft und die Sehnsucht.

Und Anna gönnt ihm gar die brennende Sehnsucht, er soll wissen, wie sich das anfühlt. Nicht nur sie soll ob der Sehnsucht leiden, nein, auch er soll spüren, wie sich der Schmerz anfühlt. Und Anna will untertauchen, mag diese Sehnsucht nicht mehr aushalten, mag für seine Sehnsucht nicht erreichbar sein.

Anna und ich haben eine Gemeinsamkeit.

Wir lieben eine verheiratete Person und wissen, dass sie in ihrer Ehe bleiben wird, aus welchen Gründen auch immer.

Anna rebelliert gegen diese Lebensumstände.
Ich beginne, diese Lebensumstände zu akzeptieren.
Als Prozess - Rückschläge eingeschlossen.

Nicht, dass ich dies von Anfang an gekonnt hätte.

Ich litt.
Und jetzt?

Aus dem stechenden Schmerz ist eine wärmende Sehnsucht geworden.
Aus dem Schrei der Sehnsucht ist ein zärtliches Flüstern geworden.
Aus der Hoffnungslosigkeit Einsicht in die Notwendigkeit.

Weil Liebe auch akzeptieren bedeutet.
Weil Liebe Verzicht bedeutet.
Weil Liebe letztlich bedingungslos ist.

Wenn ich gar ahne, dass sie glückliche Momente mit ihrem Mann verbringt,
so erfüllt mich dies nicht zwingend mit Eifersucht.
Manchmal zwar schon.
Aber ich beginne, mich für sie zu freuen.
Weil es ihr gut geht.
Und weil ich weiss, dass man auch zwei Menschen lieben kann
ein jeder auf seine Weise.
Wider das Entweder-Oder-Denken

Ich will nicht missverstanden werden:
Ich bin kein Held.
Ich rebelliere zeitweise gegen diese monströsen Lebensumstände,
die ein Zusammenführen nicht erlauben.
Auch in mir brennt die Sehnsucht.
Und die Leidenschaft.
Und ich höre ihn nachts, den entfernten Zug, wie er vorbei rast und mir sagen möchte: komm, steh auf!
In mir machen sich Phantasien breit.
Ein nächtliches Telefonat, in welchem sie mir sagt:
mein Mann und ich trennen uns.

Und doch

auch wenn es nie so sein wird, und davon gehe ich zweifelsfrei aus -
sind und bleiben wir miteinander verbunden.
Können nicht die Finger voneinander lassen.
Ein Wochenende ohne Kontakt ist ein verlorenes, tristes Wochenende.
Zwei Menschen, die sich auf mysteriöse Weise kennen gelernt haben
und genau spüren, dass sie sich lieben.
Und dies immer wieder bezeugen.
Und dennoch nie zusammen kommen

Liebe heisst loslassen
Liebe heisst, den Schmerz der Abwesenheit zu ertragen
Mehr noch: Liebe heisst, den Augenblick zu geniessen, die pure Gegenwart.
Vor allem auch:
Liebe heisst zu würdigen, dass man sich überhaupt begegnet ist.

Glückliche Liebe, die gibt's nie

Die Kraft nicht, noch die Schwäche, nichs hat der Mensch auf Dauer,
sein Herz verblüht und breitet er dann die Arme aus,
kommt dabei an der Mauer ein Kreuz als Schatten raus.
Er lebt sein Leben hin, kaum krallt er sich sein Glück,
schon hat er es erwürgt!
Verlust ist sein Gewinn,
glückliche Liebe, die gibts nie.

Wolf Biermann

Montag, 30. August 2010

Institution Ehe

Ich lese in letzter Zeit wieder vermehrt das Tagebuch von Susan Sontag (Wiedergeboren, Einträge von 1947-63). Immer wieder fasziniert mich, was für eine luzide Denkerin sie war. Gerade mal 17 Jahre war sie alt, als sie heirate und Mutter wurde. Sie litt unter ihrer Ehe, ihre diesbezüglichen Einträge sprechen eine deutliche Sprache. Ich entnehme ihrer Notiz vom 4. September 1956 (damals war sie 23 Jahre alt und noch nicht geschieden) folgendes:

Wer immer die Ehe erfunden hat, war ein genialer Folterer. Die Ehe ist eine Institution, deren Ziel und Zweck die Abstumpfung der Gefühle ist. Es geht in ihr nur um Wiederholung. Bestenfalls schafft sie starke wechselseitige Abhängigkeiten. Streiten wird irgendwann sinnlos, es sei denn, man sei jederzeit bereit, die Konsequenzen zu ziehen - das heisst, die Ehe zu beenden. Und so hört man nach dem ersten Jahr auf, sich nach einem Streit wieder zu versöhnen, man verfällt einfach in verärgertes Schweigen, das in normales Schweigen übergeht, und dann macht man weiter wie zuvor (S. 106-07).

Ein hartes Urteil, aber leider allzu wahr, namentlich was die gegenseitigen Abhängigkeiten anbelangt. Streiten als sinnloses Unterfangen, da nicht weiterführend.
Ehe als Institution des Stillstands.

Ehe als Käfig und als letztlich nicht lebbare Gemeinschaft (stinkender Misthaufen). Am 6. Januar 1957 notiert sie:

Zwei Menschen, die neben einem Misthaufen aneinandergekettet sind, sollten sich nicht streiten. Dadurch wird der Misthaufen nur noch ein paar Zentimeter höher, und sie müssen mit seinem Gestank in der Nase leben. Streit ist für Freundschaften angemessen. Menschen, die zusammenleben, sollten nicht streiten (S. 128-29).

Starke Worte, starke Bilder. Natürlich muss dies alles nicht so sein. Aber die Grundkonstruktion der Ehe ist m.E. eine falsche, da sie von der unmöglichen Annahme ewiger und monogam angelegter (exklusiver) Liebe ausgeht. Ich fände es demgegenüber angemessener, wenn das Eheversprechen nach z.B. fünf Jahren stets erneuert werden müsste, ansonsten läuft der Ehevertrag schlicht und ergreifend aus.

Emmi

süsses Leben, saures Leben
Paradieschen wirds nie geben,
Höllen gibts schon eher....
also hau ich rein und mache weiter
weine, fluche, lache
unser Lebenslied: Ewig machen, ewig scheitern!

Wolf Biermann, süsses Leben, saures Leben, 1996
***
B. war über das Wochenende hier. Wir hatten es gut, ich kann auch sagen: nett, zeitweise gar lustig. Gestern hat es gar für eine kleine Bergwanderung gereicht.

Nachts kriegte ich Schweissausbrüche, weil ich die Nähe nicht ertrug, ihre Nähe. Ich dachte an Emmi (der ich in früheren Beiträgen den Namen A. gab, aber Emmi passt besser), verspürte den naiven Wunsch, sie zu berühren. Wie kindisch von mir, aber ich kann die Sehnsucht, meine Sehnsucht, nicht einfach unterdrücken mittels Knopfdruck im Kopf. Ich ahne, dass sie es besser hat, sie, der Kopfmensch, der mich mit ihrem letzten Mail aus ihrer Gedankenwelt gelöscht hat. Sie wird diesen Blog auch nicht mehr lesen, denn was vorbei ist, ist vorbei. Ich verstehe ihr Verhalten, sie ist schliesslich v.e.r.h.e.i.r.a.t.e.t, und dies bedeutet letztlich: entweder-oder, weil die Menschen darauf konditioniert werden.

Nachts erschrak ich ob der Feststellung, dass ihre mentalen Küsse mein Herz höher schlagen liessen als die realen von B, Mit Emmi war es ein Flirt mit der verbotenen Frucht, aber dadurch erfuhr ich, wie es sein könnte. Ich kann diese Erfahrung nicht rückgängig machen, und ich möchte sie auch nicht rückgängig machen. Der Referenzpunkt ist gesetzt, hinter den ich nicht zurück kann.

Der graue Punkt hinter ihrem Namen in meinem Google-Mailaccount bleibt grau wie das aktuelle Wetter. Dabei wäre grün die Farbe der Hoffnung.

Mein Bett war dieses Wochenende nicht leer.
Und dennoch war es in einer gewissen Weise leer, leerer als sonst.
Ich bin einsamer denn je.
Bin ich deswegen traurig, niedergeschlagen?
Ich bin vor allem müde, betrachte den wolkenverhangenen Himmel und höre dem Regen zu. Der Morgen erwacht.

Nächste Woche hätte ich Emmi gesehen. Da ich den Flug nicht mehr stornieren kann, werde ich vielleicht die Maschine dennoch nehmen, werde dem Rheinufer entlang laufen und einfach nachspüren.

Ich muss hoffnungslos verrückt sein.

Samstag, 28. August 2010

Ablenkung

Wochenende – ohne Tochter. Das gibt mir die Möglichkeit, zu lesen und zu schreiben. Eine Kaltfront hat mich erreicht, nicht nur in meteorologischer Hinsicht. Auf Entzug zu sein ist nicht angenehm. Der wolkenverhangene Himmel (bald wird es Regnen, so habe ich eine billige Ausrede, nicht joggen zu gehen) stört mich nicht, im Gegenteil. So ist der Kontrast zwischen innen und aussen besser auszuhalten.

Gestern Nacht weckt mich eine sms. B, so will ich sie nennen, will mich heute Abend sehen. Will mit mir kochen. Ich bin für Ablenkung dankbar. Ich habe alles Notwendige eingekauft, dem gemeinsamen Kochen steht nichts im Weg. B. mag mich. Sie ist jünger als ich, doch nicht so jung, als dass sie meine Tochter sein könnte (darauf kann ich gut verzichten). B. ist geschieden (sie hatte, so sagte sie mir neulich beiläufig, mit ihrem, nach eigenem Bekunden autoritären Mann, nur schlechten Sex, ich fragte nicht nach, was sie darunter verstehe) und kinderlos (ihr Mann hätte keine Kinder gewollt). Ich ahne, dass sie heute bei mir übernachten will, weshalb ich prophylaktisch das Sonntagsfrühstück auch eingekauft habe. Im Keller habe ich schweren Burgunder, den ich zum Kalbsfilet auftischen werde.

Ich lenke mich ab.

Und sonst? Ich lese kreuz und quer in diversen Büchern (A. Nin, M. Frisch, S. Sontag) und in meinen Tageszeitungen, erledige gleichzeitig die Wäsche, lasse mich von Bach berieseln (Mozart wäre aktuell nicht auszuhalten), höre mir am Radio Wortbeiträge an. In einem gewissen Sinne geniesse ich diesen Samstag, geniesse die Ruhe und die grauen Wolken. Vielleicht werde ich mich gleich aufraffen und im nahe gelegenen Wald joggen gehen, aus reinen Vernunftgründen.

Ich spiele niemandem etwas vor.

******
Nachtrag (1400 Uhr)

Das Joggen hat gut getan, ich fühle mich einigermassen gut.
Ich gebe zu: ich vermisse die Zeilen von Emmi.

Nachtrag (1600 Uhr)

Dieses Lied wird mich verfolgen, wenn ich heute Abend (mit)kochen werde. Ich kann nicht anders (aus den Augen, aus dem Sinn - so schnell funktioniert das nicht)

Freitag, 27. August 2010

Keine sieben Wellen

Emmi und Leo aus dem Roman von Daniel Glattauer „gut gegen Nordwind“ kommen nach intensivem Mailkontakt bekanntlich doch nicht zusammen. Das hat dem Autor Ärger eingebracht, denn manche Leserinnen und Leser mochten ihm dies schlicht nicht verzeihen. Deshalb wohl hat er Emmi und Leo im Fortsetzungsroman „alle sieben Wellen“ zusammen kommen lassen.

Ich hatte in den letzten fünf Monaten eine ähnliche Geschichte erfahren: Ich hatte per Zufall meine Emmi kennengelernt. Schnell schlug es ein, bald schrieben wir uns täglich mehrere Mails, deren Form und Inhalte immer vertrauter wurden, bald darauf hatten wir auch zeitweise (intensiven) telefonischen Kontakt. Bis zum heutigen Tag sind so rund 500 Mails zusammengekommen, versehen mit persönlichen Fotos, Videoausschnitten und weiteren Anhängen. Wenn ich die jeweiligen Antworten dazu zähle, dürften es über 1000 Mails sein, die sich in den letzten Monaten auf diese Weise anhäuften.

Nach wenigen Wochen mussten wir uns treffen, die Vertrautheit war so stark, dass es schlicht nicht anders ging. So kamen wir für einen Tag am Ufer des Rheins zusammen und genossen den milden Frühlingstag, gingen zusammen Hand in Hand spazieren, Kaffee trinken, Mittag essen, über Gott und die Welt plaudernd. Meine Emmi hatte mir von Anfang an klaren Wein eingeschenkt: Ich wusste, dass für sie eine Trennung von ihrem Mann nicht in Frage käme. Wir lebten/leben demzufolge in unterschiedlichen Konstellationen, sind auch unterschiedlich sozialisiert worden, haben einen anderen Hintergrund, und doch: wir verstanden uns von Anfang an sehr gut, wir mochten uns sehr und freuten uns über jede Zeile, die täglich jeweils morgens, mittags, nachmittags, abends und vor dem ins-Bett-gehen jeweils eintraf. Wir hatten uns viel zu erzählen, über unser Leben, unseren Beruf, unsere Vorlieben, Ängsten, Sorgen und Hoffnungen. Natürlich wussten wir nicht, wohin dies alles führen würde. Trotzdem blieben wir „am Ball“ und küssten uns, virtuell, täglich. Die Gefühle wurden immer intensiver, die Atmosphäre immer vertrauter. Wir waren verliebt.

Nächsten Monat hätten wir uns erneut sehen sollen – aber daraus wird nichts. Ihr Leben sei schon jetzt kompliziert, und ein erneutes Treffen mit mir würde es nur noch komplizierter machen. So, wie Emmi in meinem Leben aufgetaucht ist, nämlich buchstäblich aus dem Nichts, so schnell verschwindet sie wieder, taucht auf Nimmerwiedersehen und Nimmerwiederschreiben unter, und Tschüss und weg.

Die sieben Wellen, sie werden uns nicht forttragen.

Bin ich traurig? Ich fühle jetzt vor allem eine innere Leere, bin müde und in einem gewissen Sinne ausgelaugt. Ich ahne, dass ich die Zeilen von Emmi vermissen werde. Ich bin sozusagen auf Entzug, auf kaltem Entzug. Ich werde die Mails nicht löschen. Ich werde Emmi auch nicht so schnell vergessen können, zu intensiv war diese Brieffreundschaft, die mein Herz berührte und höher schlagen liess. Auch wenn ich wusste: „daraus wird nichts“, liebte ich Emmi.

Der kalte Entzug ist hart und tut weh.

Donnerstag, 26. August 2010

Allein einschlafen, allein aufwachen, allein frühstücken

Manchmal leide ich darunter, allein einzuschlafen bzw. aufzuwachen und zu frühstücken, vielleicht, weil ich mich in meinen Zukunftsphantasien (die ich als mögliche Szenarien unter mehreren verstehe) zeitweise verliere und mich zum Beispiel als alten Mann sehe, der allein im Altersheim sitzt und über sein verflossenes Leben nachdenkt. In der letzten Zeit bin ich mir jedoch gar nicht mehr so sicher, ob ich den Zustand des "allein sein" nachhaltig ändern möchte. Weil sich, ich ahne es, bald einmal die Routine (und damit die Selbstverständlichkeiten) einschleichen würde, und wenn die Routine das Geschehen zu dominieren beginnt, so ist man letztlich wieder allein, weil die Routine das Leben und damit das Lebendige und Spontane wenn nicht ausschliesst, so doch einschränkt. Viele Paare, die sogenannt zusammen leben, schlafen faktisch allein ein (auch wenn sie im gleichen Bett liegen), wachen allein auf (auch wenn sie, wie am Abend zuvor, morgens immer noch im gleichen Bett liegen) und frühstücken allein (auch wenn sie am gleichen Tisch sitzen). Weil sie sich wenig oder gar nichts (mehr) zu sagen haben, weil das Feuer nicht mehr lodert, weil die Routine den Alltag beherrscht, weil, trivial gesprochen, die Liebe, genauer: die Leidenschaft und die gegenseitige Neugier in einem gewissen Sinne erloschen sind, und weil der Alltag halt auch seinen Tribut fordert.

Ich stelle mir vor
Sie: ich gehe jetzt schlafen, es ist 22 Uhr, ich muss morgen früh aufstehen.
Er: Ich schaue den Film noch zu Ende
Sie (tut überrascht): Muss das sein?
Er (gelangweilt): Nichts muss sein, aber ich will den Schluss noch sehen. Ob sie ihn wirklich umgebracht hat? Ich glaube, es war doch der Koch?
Sie (vorwurfsvoll): Hast Du die Einzahlungen eigentlich schon gemacht?
Er (in provokativ ruhigem Ton): Kümmere dich um deine Hausaufgaben, und ich erledige meine.
Sie (nach einer kurzen Pause): ich warte, bis du auch ins Bett kommst.
Er (überrascht): wozu denn? Ich bin müde.
Sie (leicht genervt): Eben, dann komm ins Bett
Er (leicht trotzig): Nein, ich komme, wenn der Film beendet ist .
Sie (gelangweilt): du kannst ihn ja aufnehmen
Er (bestimmt): Nerv mich bitte nicht mehr, okay?
Sie (ebenso bestimmt): ich gehe jetzt schlafen, Tschüss!
Er (gelangweilt): Tschüss, schlaf gut und bis morgen!
Sie (nach einer Weile): komm doch jetzt, ich bin im Bett
Er (gähnend): ja, jetzt komm ich auch, bin hundemüde.
Sie (gähnend): ich auch
Er (immer noch gähnend, jetzt aber noch lauter): sehr gut

Vielleicht rede ich mir dies alles bloss ein, das heisst, ich konstruiere aus meiner aktuellen Lebenssituation (die ich allenfalls als bedrohlich empfinde, nur dass ich mir dies nicht eingestehen möchte) eine Stärke, mime also den souveränen Menschen, der die Mechanismen von Partnerschaften zu durchschauen glaubt und liebend gerne darauf verzichtet.

Und dabei würde ich doch insgeheim noch so gerne nicht mehr allein
- einschlafen
- aufwachen
- frühstücken wollen

Was gilt jetzt wohl?
Ich weiss es ehrlich gesagt nicht.
Ich müsste es vermutlich ausprobieren.

Samstag, 21. August 2010

Herrschaft der Kompromisse?

Ich frage mich, inwieweit ich Kompromisse eingehen soll bzw. muss. Natürlich müssen wir alle Kompromisse eingehen, sie gehören zu unserem Alltag, und jede demokratische Ordnung lebt vom Kompromiss. Was ich hier meine sind ganz persönliche Kompromisse, die Kernfragen des Lebens und der eigenen Identität betreffen.

Die Frage stellt sich zum Beispiel im Hinblick auf einen Stellenwechsel: soll ich eine neue Stelle auch dann antreten, wenn ich nur halbwegs von ihr bzw. vom Arbeitsinhalt überzeugt bin? Kann ich mir den Luxus überhaupt leisten, auf die Idealstelle zu warten? Dasselbe gilt auch im Hinblick auf eine neue Partnerschaft. Auf die Märchenprinzessin zu warten dürfte abwegig bzw. naiv sein, also bin ich zu Kompromissen gezwungen. Der Gedanke des Kompromisses stört mich allerdings, und allein die Vorstellung, mit einer Person unterwegs zu sein, die man nicht mit ganzem Herzen liebt (von Seelenverwandtschaft will ich schon gar nicht sprechen), widert mich an sich an, weil ich letztlich etwas vorspielen müsste, partiell zumindest. Auch ich habe meine Bedürfnisse wie jeder Mensch, brauche dann und wann meine Streicheleinheiten, brauche eine Person, mit der man sich auch intellektuell auseinandersetzen und mit der man letztlich gemeinsam einen Weg beschreiten kann. Herrgott, ich weiss bzw. ahne, dass jene Person, die mein Herz ganz berühren würde, womöglich meinen Lebensweg gar nie kreuzen wird (und jene, die es bereits getan hat, kommt faktisch von einem anderen Stern, sprich: ist unerreichbar für mich und wird es immer bleiben so sicher wie das sonntägliche Amen in der Kirche). Die Vorstellung, nicht zu entdecken bzw. nicht entdeckt zu werden, beängstigt mich, und das Bild der Nadel im Heuhaufen verfolgt mich. Ich bin ja keine 20 mehr, so viel Zeit habe ich also nicht (schon wieder kommt hier meine Angst vor der gnadenlos tickenden Uhr zum Ausdruck).

Meine Ansprüche kann ich nicht einfach negieren und so tun, als könnte ich mich mit dem, was ich aktuell „vorfinde“, einfach zufrieden geben (Frieden, Freude, Eierkuchen, nein, das klappt bei mir nicht). Ich wüsste eben zu gut, wie es sein könnte. Ja, ich bin ratlos. Vermutlich, so denke ich, ist der Leidensdruck noch nicht so stark, dass ich Kompromisse eingehen und damit letztlich meine wahren Bedürfnisse negieren müsste, teilweise zumindest negieren müsste. Der Tag wird aber kommen (so meine Intuition), an dem ich mir schlicht sagen muss: sei froh, dass es für dich überhaupt eine Person gibt, die bereit ist, deine Macken des Alltags zu ertragen. Diesen Tag will ich hinausschieben so lange es geht, vermutlich weil ich gerne mit Illusionen lebe.

schlafe, bis dein Glück erwacht!
da, mein Bild will ich dir geben,
schau, wie freundlich es dir lacht:
Ihr süßen Träume, wiegt ihn ein,
und lasset seinem Wunsch am Ende
die wollustreichen Gegenstände
zu reifer Wirklichkeit gedeihn.

Dienstag, 17. August 2010

Wenn die Uhr anders tickte

Büroalltag - ich sitze hinter dem Computer und lasse mich von meinen Gedanken und damit von meinen Sätzen treiben. Meine Arbeitsmotivation ist an einem kleinen Ort, dies ist keine neue Erkenntnis. Termine nehme ich nur ungern wahr, lieber lasse ich mich von meinen Tagträumen treiben. Die Tage gleichen sich, heute ist gestern und morgen ist heute.

Kürzlich hat ein Astrophysiker in einem Radiointerview erklärt, dass aus physikalischer Sicht die Definition dessen, was Zeit sei, soweit geklärt sei. Allerdings könne die Physik die Frage nicht beantworten, weshalb die Zeit immer vorwärts gerichtet sei und nicht rückwärts. Aus physikalischer Sicht wäre es durchaus plausibel, dass die Zeit sich auch "zurück" bewegen könnte. Ein faszinierender Gedanke. Was wäre alles möglich, wenn uns die Physik dies erlauben würde, eine Reise zu unserer eigenen Vergangenheit zu unternehmen? Dabei all jene Wendepunkte der eigenen Biografie nochmals durchzugehen und sie allenfalls neu zu gestalten. Würden wir anders handeln, wenn wir nochmals könnten? Ich weiss es nicht, aber es wäre ein lohnenswerter Versuch, meine ich. Die Physik schliesst diese Möglichkeit nicht aus - vielleicht wache ich eines Morgens auf und stelle fest, dass die Uhr nicht nach Vorne, sondern nach Hinten tickt.

Und ich schaue nun auf die Uhr und stelle fest, dass sie nach wie vor nach Vorne tickt, bald ist Mittag, bald ist Essenszeit, das Menü mag sich ändern, gewiss. Und sonst?

Mittwoch, 11. August 2010

Von den besseren Zeiten

Es gibt Tage, da habe ich das Gefühl, einem ewig dauernden Trott unterworfen zu sein, der mein Leben beherrscht. Alles scheint vorgegeben zu sein, mehr noch: alles Relevante scheint unabänderlich zu sein. Gestern Abend war ich in Genf, traf mich mit meinem alten Unikollegen. Ein netter Abend unter netten Menschen in der Genfer Altstadt, feines Essen, feiner Wein, Im Hintergrund höre ich Mozart, Studierende der Musikhochschule scheinen dann und wann auf diesem Platz zu üben und verdienen sich so einige Franken dazu. Das alles sind schöne Momente, aber davon kann ich letztlich ja nicht leben. In einem gewissen Sinn lebe ich ausschliesslich ent-körperlicht, ich funktioniere stark mit dem Kopf, aber ich spüre meinen Körper nicht (mehr), und wenn ich ihn spüre, dann aufgrund sportlicher Tätigkeiten wie Wandern, Fahrrad fahren oder Schwimmen. Fehlen mir sexuelle Beziehungen? Aus Erfahrung weiss ich, dass sexuelle Beziehungen allein eine Zeit lang zumindest die Illusion vermitteln, man sei nicht einsam. Es ist höchst unangenehm (so jedenfalls meine Empfindung - vielleicht könnte ich hier auch von Peinlichkeit sprechen), morgens am Frühstückstisch zu sitzen und mit jener Frau, mit der man in der Nacht zuvor geschlafen hat, kein vernünftiges Gespräch zu führen, weil man sich nichts zu sagen hat. Sex ist das eine, Liebe und Zuneigung das andere. Mein alter Kumpel mag diese und andere Gedanken von mir nachvollziehen, aber er lebt in einer anderen Situation als ich.

Was ich wirklich nicht mehr erleben möchte: Nachts wärmten wir unsere kalten Füsse nicht mehr aneinander, und immer öfter schliefen wir Rücken an Rücken ein. Kein Schutz mehr für unsere Einsamkeit, nein, nun griffen uns unsere Einsamkeiten unerbittlich an, liessen uns von innen her erfrieren und erstarren und manchmal auch grausam werden. Kein Kraut war dagegen gewachsen- wir wussten es und brauchten doch so lange, es auch auszusprechen, am Anfang nur leise. Was ich uns hoch anrechne: dass wir uns diese Fremdheit in dieser Sterbephase unserer Verbindung fast nie vorgeworfen haben, selbst als der Schmerz angesichts der fratzengleichen Leere, die wir uns gegenseitig spiegelten, fast unerträglich wurde. Und dass wir uns mit Zärtlichkeit – und nach einiger Zeit auch wieder mit Humor (inzwischen schwarz eingefärbt) – in unsere nun getrennten Leben begleitet haben.

Ich mag diesen Text (meine Exfrau hat ihn verfasst), weil er grundehrlich ist und trotzdem keiner Anklageschrift gleichkommt, sondern in seiner Nüchternheit die Dinge beim Namen nennt: Ja, die Fremdheit in der Beziehung, die unerbittliche Einsamkeit und gleichzeitig das Schweigen. All dies möchte ich nicht mehr erleben. Doch jene Hand, die ich halten möchte, ist weit weg, unnahbar auf immer und ewig. Hat Calvin am Schluss doch Recht, dass das Leben prädestiniert, also vorausbestimmt ist? Demzufolge könnten wir tun und lassen was wir wollen, unser Gestaltungswille und –kraft kämen einer Chimäre gleich. Ich weiss nicht, was ich als Agnostiker mit all dem anfangen soll. Das Grübeln bringt mich nicht weiter, und doch wache ich manchmal nachts auf und kann nicht weiter schlafen. Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als in Demut zu akzeptieren, was ist (ach, es fällt mir zeitweise so schwer). Ohnehin kann ich morgen tot sein, von der Strassenbahn überfahren oder wie auch immer umgekommen.

Und trotzdem – ich will nicht passiv auf „bessere Zeiten warten“. Das Leben will aktiv gestaltet werden, auch wenn man immer wieder auf die Schnauze fällt muss man aufstehen. So wie es Biermann formuliert: nicht auf bessere Zeiten warten, sondern die besseren Zeiten aktiv zu gestalten versuchen.

Sofern das Leben halt doch nicht vorausbestimmt ist….

Warte nicht auf bessre Zeiten

Wartest du auf bessere Zeiten
Wartest du mit deinem Mut
Gleich dem Tor, der Tag für Tag
An des Flusses Ufer wartet
Bis die Wasser abgeflossen
Die doch ewig fliessen
(…)
Manche hoffen, dass des Flusses
Wasser nicht mehr fliessen kann
Doch im Frühjahr, wenn das Eis taut
fängt es erst richtig an
Manche wollen diese Zeiten
wie den Winter überstehn (…)

Freitag, 6. August 2010

Luftschloss

Ich möchte nicht das Ich sein, das meine Geschichten erlebt, Geschichten, die ich mir vorstellen kann...Dann wieder zweifle ich, ob die Geschichten, die ich mir vorstellen kann, nicht doch mein Leben sind. Ich glaub's nicht. Ich kann nicht glauben, dass das, was ich sehe, schon der Lauf der Welt ist.
Max Frisch (mein Name sei Gantenbein)

Seit einer Woche bin ich wieder im Alltag integriert, d.h. ich funktioniere und erledige meine Arbeit. Ansonsten trödle ich umher und muss mich oftmals überwinden, abends noch etwas zu unternehmen. Wenn es das Wetter erlaubt gehe ich schwimmen oder gehe mit dem Fahrrad irgendwo hin. Ich habe das Gefühl, dem Hamster gleich mich in einem Laufrad zu drehen und zu drehen, ganz der Diktatur der Zeit und damit der Vergänglichkeit unterworfen zu sein. Mit dem Schreiben versuche ich, dem entgegenzuwirken, indem ich diese Gefühle festhalte und beschreibe. Indem ich dies versuche, kommen mir allerlei Geschichten in den Sinn, alternative Lebensentwürfe, die sich jenem Gefühl der Leere zu entziehen vermögen. Vieles könnte möglich sein, weil ich meiner Phantasie keine Grenzen auferlegen will. Das, was real (also unmittelbar physisch "da ist") gegeben ist, interessiert mich (mit Ausnahme meiner Tochter) nicht, es löst vielmehr Gähnen, ja zeitweise und je nach Situation auch Unbehagen aus. Lieber lasse ich mich von meinen eigenen Geschichten treiben, denke im Konjunktiv und baue damit, wie meine Tochter, Luftschlösser. Luftschlösser können schön sein, behaglich, sinnlich, Wärme spendend. Mein Luftschloss ist nicht überdimensioniert, es ist modern und hat viele Fenster. Darin wohnen zumindest eine Frau und ein Mann. Sie müssen nicht verheiratet sein (weshalb auch), aber sie lieben sich umso mehr. Gemeinsam gehen sie ihren Weg, aber jeder kann auf seine Art und Weise gedeihen.

Ich wäre gerne vermehrt Architekt meines Lebens.

Sonntag, 1. August 2010

1. August

An Schlafen ist zur Zeit nicht zu denken, zu gross ist die Knallerei wegen des 1. Augusts. Also schreibe ich. Was ich heute getan habe:
  • 4 stündige Wanderung mit meiner Exfrau
  • anschliessend schwimmen mit meiner Exfrau im Fluss
  • Abendessen mit meiner Exfrau
  • Wein getrunken mit meiner Exfrau
  • Gespräche geführt mit meiner Exfrau über Gott und die Welt
Tage mit meiner Exfrau sind gut, weil es keine "falschen" Erwartungen gibt. Man gibt sich exakt so, wie man ist. Man versteckt sich nicht, man sagt vielmehr das. was man denkt und fühlt, direkt und unverblümt. Sie erzählt mir allerlei aus ihrem Leben, ich tue es auch. Sie erzählt mir von unerfüllter Liebe, ich auch. Wortlos nimmt sie ein Taschentuch zur Hand und drückt mir ohne jegliche Vorwarnung einen kleinen Pickel im Gesicht aus. Und erzählt dann weiter, und ich auch. Unsere Tochter ist zur Zeit nicht da, sie ist bei Verwandten meiner Exfrau.

Eigentlich hätten wir es so handhaben müssen während der Ehe.
Haben wir aber nicht.
Aber man kann immer dazu lernen, auch und vor allem dann, wenn man getrennt ist.
Weil man dann vermutlich ehrlicher sein kann.
Eigentlich komisch.
Aber nicht exotisch.