Dienstag, 26. Juni 2012

Valentina Lisitsa (einmal mehr)

Zu später Stunde brauche ich heute exakt dies hier (was Hände doch alles anstellen können)

Von der Zufriedenheit

Heute kriege ich Post, in der es sinngemäss heisst: ach komm, nimm nicht alles so schwer.
Schau um dich herum und bedenke, was alles abgeht auf dieser Welt.
Da sind doch die Probleme, die du wälzest, letztlich Luxusprobleme.

Ich kann dem gar nicht widersprechen.
Natürlich geht es mir gut, wenn ich mich mit jenen vergleiche, denen es -materiell- weniger gut geht.
Ich leide nicht an Cholera, noch schlafe ich unter Brücken, noch hungere ich.
Einverstanden.
Aber, Hand aufs Herz, soll mich diese Erkenntnis nun glücklicher machen?
Soll ich täglich frohlocken?

Auch wenn mir das alles objektiv einleuchtet
und ich sagen muss
ja, stimmt, die Menschen in Syrien oder in der Sahelzone haben andere Probleme zu bewältigen.
Es macht mich trotz allem nicht glücklicher.
So wie es wohl jenen nicht glücklicher macht,
der halbblind ist und sich sagen lässt:
dein Nachbar ist ganz blind. Sei also zufrieden mit deinem Schicksal.

Demzufolge hiesse dies:
fehlende Einsicht? Fehlende Tugend und Bescheidenheit?
Westlich-individualistische Masslosigkeit gar bezüglich "Glückserwartungen"?

Mag sein.
Doch auch diese Erkenntnis führt mich nicht weiter.
Und lässt mich doch nur im Kreise drehen. 

Samstag, 23. Juni 2012

Kinder und Narren

Heute nach dem Wandern notiert:

Bei einem Rast beobachtet meine Tochter, wie ich mich nonverbal mit einer Frau verständige, indem wir uns Blicke zuwerfen und miteinander schäkern.
Da meint die Tochter nach einer kurzen Weile in altklugem Ton:
also Papa, die Frau wäre nun wirklich zu jung für dich.
Ich schmunzelte.
Und ja, es ist wirklich so: Kinder und Narren sagen stets die Wahrheit.
Direkt, unverblümt und prägnant auf den Punkt gebracht. 

Donnerstag, 21. Juni 2012

Begegnung

Alles wirkliche Leben ist Begegnung.
Martin Buber

Wer wollte diesem schlichten und doch so wahren Satz widersprechen? 

Mittwoch, 20. Juni 2012

Des Teufels



















Was zeigt uns dieses Bild?
Vorerst einmal eine junge Frau.
22 Jahre jung.
Eine hübsche Frau.
Zwar schaut sie hier etwas grimmig in die Welt,
aber sie wirkt attraktiv.
Was für einen Hintergrund könnte diese Frau haben?
Könnte sie eine Künstlerin sein?
Eine Sängerin?
Pop, Rock oder doch eher Sopranistin an einer Staatsoper?
Studentin der Künste, der Juristerei oder Kunstgeschichte?
Oder Verkäuferin in einem Supermarkt in Bonn, Zürich oder Warschau?
Wie denkt wohl diese Frau
im allgemeinen und im besonderen?
Welcher Mann möchte nicht diese Frau näher kennen lernen?
Aus Neugier (zum Beispiel).

Eine schöne Frau.
Ja.
Doch
eine Frau mit einer unsichtbaren Maske.
Nur sieht man sie nicht auf Anhieb.

Sieht die hässliche Fratze des Faschismus nun also so aus?
Marion Maréchal-Le Pen, so heisst die Dame. 
Kein alltäglicher Name.
Aber ein prominenter Name.
Und frisch gewählt in die französische Nationalversammlung.
Dort wird sie, glücklicherweise, politisch nichts bewirken können.

Und der Presse entnehme ich unter anderem:
Das Programm der Partei trägt sie voll mit. Nur die Todesstrafe, die würde sie nicht wieder einführen wollen. Als man sie fragte, wo sie ihre Karriere noch hinführen werde, sagte sie: «Ich kann Ihnen meine Zukunft nicht voraussagen: Werde ich Ministerin – oder Präsidentin? 

Gott bewahre.

Dienstag, 19. Juni 2012

Nachgefragt

Übrigens, was ist aus Dir, Aenne, geworden?
Am Morgen des 1. Januars 2012 schriebst Du in Deinem Blog u.a.:
Der Silvesterabend ertrank in meinen Tränen. Und irgendwann fing mein Körper an zu rebellieren mit Kopf- und Magenschmerzen, Übelkeit und Schlaflosigkeit. Wie wird es weiter gehen, mit diesem neuen Jahr, von dem ich mir soviel erhoffte, erträumte und wünschte?

Gerne wüsste ich, wie es weiterging.
Weil es immer weitergehen muss.

Und noch dies vor dem Einschlafen

Ich denke viel an sie, in der Früh, zu Mittag, am Abend, in der Nacht, in den Zeiten dazwischen und jeweils knapp davor und danach – und auch währenddessen.


Daniel Glattauer
Gut gegen Nordwind

ein bisschen Glück

Manchmal
besteht Glück
bloss darin,
nach einer Wanderung
eine Cervelat über die heisse Glut zu legen,
Senf aus der Tube auf den Teller zu drücken
ein Stückchen Brot dazu zu essen
und wenn es luxuriös sein soll
wird dazu ein kaltes Bier getrunken.

Durchatmen,
mit Blick auf die Berge
dazu der Bergsee
blau wie Tinte.

Später riecht man wie eine Rauchwurst
und ist
mit sich und der Welt zufrieden.

Montag, 18. Juni 2012

Martha, 9 Jahre alt, bloggt

Und wie sie bloggt!
Toll gemacht und vor allem: weiter so, Martha! 

Neidlos stelle ich fest: die Kleine schafft es, Beiträge zu verfassen, die auch mal schon über 2'000 Kommentare nach sich ziehen....wau. 

Alles Gute zum 70. Geburtstag!

Wie wirst du wohl heute Abend deinen 70. Geburtstag feiern? Wirst du im kleinen Kreis zu deiner Gitarre greifen und etwas vorspielen? Seit ich etwa 12jährig bin verfolge ich dich bzw. deine Musik. Ich habe dich 3 mal live auf der Bühne gesehen (ach, viel zu wenig!) und war jedesmal begeistert von deiner subtilen Musik, von deinen leisen Zwischentönen und genialen Melodien. Bleibe noch lange gesund und kreativ und komm immer wieder zurück auf die Bühne. Und spiele immer wieder deine unsterblichen Songs voller Erinnerungen an meine Kindheit und Jugend. Auch deshalb lieben wir dich so sehr.


Donnerstag, 14. Juni 2012

Vom Zauber

Wenn der Zauber inexistent ist:
Wenn alles vorhersehbar ist.
Jede Handbewegung.
Die Gespräche.
Spätabends das Glas Wein,
das immer gleich schmeckt.
Der Hund wedelt immer gleich mit dem Schwanz.
Die Nachbarn legen immer dieselbe Musik auf.
Und dann streiten sie sich auf immer dieselbe Art.
Und dann
wird jeweils um 2230 Uhr gesagt, man könnte ja noch
dieses oder jenes tun.
Jenes déjà-vu, das keine Fragen mehr offen lässt.
Dieser fehlende Raum für das Unausgesprochene,
Suchende,
Fragende,
Überraschende,
Sinnliche,
Magische.

Mittwoch, 13. Juni 2012

...silence....

Die beiden Herren sind halt auch etwas älter geworden. Aber klingen tun sie irgendwie besser als je zuvor (bin gerade in einer furchtbaren nostalgischen Stimmung - jawoll).

....und hier exakt 30 Jahre zuvor.....


Hallo Dunkelheit, alter Freund
Da bin ich wieder
ich will mit dir reden
ich hatte eine Vision
als ich schlief
und das Bild, das sich in mein Gehirn gepflanzt hat
lebt jetzt weiter
im Klang der Stille.
In unruhigen Träumen ging ich allein
Über enge gepflasterte Strassen
Es war nass und kalt
Unter einer Strassenlaterne
zog ich meinen Kragen hoch.
Da schnitt ein Neonlicht in meine Augen,
teilte die Nacht und berührte
den Klang der Stille.
Im gleissenden Licht sah ich zehntausende von Menschen
Die redeten ohne etwas zu sagen
Die hören ohne etwas wahrzunehmen,
Sie schreiben Lieder, die niemand singt.
Und niemand wagt den Klang der Stille zu stören.
"Ihr Narren", sagte ich.
"Das Schweigen wächst wie ein Krebsgeschwür!
Hört auf meine Worte, lasst Euch etwas sagen!
Fasst meinen Arm, damit ich Euch erreichen kann!"
Doch meine Worte fielen wie lautlose Regentropfen
Und verhallten in der Stille.
Die Menschen verneigten sich und beteten den Neongott an,
den sie erschaffen hatten.
Im grellen Licht formte sich ein Zeichen als Warnung:
Die Worte der Propheten stehen an U-Bahn Wänden
und in Hauseingängen geschrieben.
Und sie flüstern im Klang der Stille.

Nähe, Distanz

Es kommt vor, dass ich einfach einschlafe, die Zeitung auf dem Knie (...). Ich reisse mich zusammen, wozu? Dann stehe ich einfach da, Gin im Glas, den ich nicht mag, und trinke, ich stehe, um keine Schritte zu hören in meiner Wohnung, die doch nur meine eigenen sind. Alles ist nicht tragisch, nur mühsam. Man kann sich nicht selbst Gutnacht sagen - ist das ein Grund zum Heiraten?
Max Frisch, in: Homo Faber, Suhrkamp 1977, S. 92-93.

Heute war ein mühsamer Tag. Da hilft spätnachmittags joggen, dann nach Hause kommen, duschen, etwas Kleines essen (Spiegeleier, Früchte, Brot). Und dann? Ich geniesse die Ruhe in der Wohnung, den Blick auf die Stadt und auf den Wald, die Berge im Hintergrund. Ich kann mir mittlerweile nicht mehr vorstellen, ständig mit einer Frau unter demselben Dach zusammen zu leben (jetzt mal abgesehen von Konstellationen, die es wohl nur in der Phantasie gibt). Ich brauche Raum, ich muss atmen können, habe meine Ordnung, meinen Rhythmus, meine Musik, meine Ruhe- und meine Unruhephasen. Konflikte wären da vorprogrammiert. Ohnehin ertrage ich keine permanente Nähe, die Vorstellung löst in mir panische Fluchtgedanken aus. 

Anders gesagt: 
Nähe will auch Distanz, 
ein Doppelbett muss zeitweise bloss von einer Person belegt werden können, 
die eine Zahnbürste will morgens und abends nicht immer benützt werden, 
der grosse Tisch im Esszimmer muss auch mal leer wirken können,
man soll auch alleine ein Wochenende verbringen dürfen (und können!),
ebenso Ferien,
man darf auch einen eigenen Bekanntenkreis pflegen,
andere Beziehungen auch (nicht mit Polygamie zu verwechseln).

Ohnehin:

Wenn zwei Menschen zusammenkommen, die sich auf einer ganz spezifischen Wellenlänge verstehen, brauchen sie das Konstrukt permanenter Nähe ohnehin nicht. 

Weil sie so oder so ständig miteinander in Verbindung sind und bleiben. 

Samstag, 9. Juni 2012

Schlafendes Gesicht

Der Wunsch, das Gesicht eines geliebten Menschen morgens schlafend zu erblicken, bevor man das Haus verlässt, offenbart uns mit letzter Gewissheit, dass wir jenen Menschen wirklich lieben. Traurig ist es dann, wenn dieser Wunsch Wunschdenken bleibt. 

Stay with my heart

Und noch dies vor dem Einschlafen (für dich - alles Liebe!).
Nachtrag: klappt dieses Video in Deutschland? Ich hoffe es!


Sehnsucht nach dem Unerreichbaren

Unverhofft bin ich heute Abend zu einigen freien Stunden gekommen. Sollte ich lesen wie geplant, oder doch in die Stadt fahren? Ich entschied mich gegen das Lesen und für die Stadt. Bin ziellos durch die Gassen gelaufen und habe am Schluss meiner Tour in einer lauten Bar ein Bier getrunken. Ganz für mich, beobachtend und ohne jegliche Erwartungen. Und ich dachte darüber nach, welchen Sinn es haben mag, sich nach dem Unerreichbaren zu sehnen. In der Sehnsucht nach dem Unerreichbaren erkennt man, einem Spiegel gleich, seine tief verankerten Wünsche und Hoffnungen. Auch wenn diese per se nicht zu stillen sein wird, beinhaltet sie dennoch einen Kern Wahrheit von unschätzbarem Wert: sie zeigt mir, einem Kompass ähnlich, in welche Richtung sich das Leben idealerweise zu bewegen hat, will ich ein einigermassen "glückliches Leben" führen.

Na ja, leicht gesagt - schwierig umzusetzen. 

Mittwoch, 6. Juni 2012

Chopin zum Ausklingen des Tages

Zum Ausklang meines Abends noch dies

Ankommen

Die Sehnsucht nach Leben, nach Spüren, den anderen und sich selbst, und nach Ankommen, bei dem anderen und damit bei sich selbst. Sehnsucht nach Nähe, dem anderen nah sein.

Danke, Morgenrot.
Dem ist nichts beizufügen.
Oder vielleicht dies:
Sehnsucht nach Ankommen ist eine besonders starke Sehnsucht, weil sie im Grunde der Dinge einen Kulminationspunkt darstellt: wer das Gefühl des Ankommens sättigen kann, muss glücklich sein und eine tiefe Befriedigung empfinden, die kaum zu überbieten ist.
Ich frage mich nicht selten, wann ich jemals angekommen bin. Und: Ankommen ist das eine, empfangen zu werden das andere. 

Dienstag, 5. Juni 2012

Ghost Town

Weil es heute Abend einfach zu meiner Stimmung passt. 

Im Wald


Zeitweise fahre ich nach der Arbeit
mit meinem Fahrrad
wie verrückt durch den Wald.
Atemlosigkeit beherrscht mich.
Ich fahre, was das Zeugs hält.
Später halte ich an,
spüre meinen rasenden Puls
-tam tam, tam-tam-
und meinen kalten Schweiss
auf der Stirn.



Ich schlendere durch den Wald, das Fahrrad habe ich beim Brunnen abgestellt.
Ich mag die Rinde von Bäumen spüren,
das satte Grün der Blätter.
Es riecht nach feuchtem Holz.
Ich gehe zum Bach hinunter und spüre
das erfrischend kalte Wasser an den Füssen.
Ich höre Kinderstimmen.
Es ist Sommer.
Jetzt
nur nicht denken und nicht grübeln.
Die dunklen Wolken ziehen bald auf, ein Gewitter naht.
Leben kann schön sein, und sei es nur
für einen Augenblick.

Lieben

Was bleibt von all der Romantik und Leidenschaft, wenn der Alltag Einzug hält ins Leben zweier moderner, auf Selbstverwirklichung bedachter Menschen mit kleinen Kindern? Anspruch und Wirklichkeit prallen aufeinander. Das tägliche Ringen um Freiräume, Lebensfreude und Zeit wird zum unauflösbaren Konflikt.
Ich unterstreiche den letzten Satz:
Das tägliche Ringen um Freiräume, Lebensfreude und Zeit wird zum unauflösbaren Konflikt. Ein weiteres Buch will gelesen, ja verschlungen werden.






Karl Ove Knausgård: Lieben. Roman. Aus dem Norwegischen
übersetzt von Paul Berf. Luchterhand-Literaturverlag, München 2012. 764 Seiten


Montag, 4. Juni 2012

Am Flughafen


Manchmal liebe ich Abflughallen:
die grosse weite Welt
ein Kommen und Gehen
und niemand kennt mich hier.
Und manchmal
betrübt mich ihre Atmosphäre.
Fühle mich wurzellos, heimatlos.
Bedürfnis nach Nähe.
Innere Unruhe erfasst mich.
Bloss weg von hier !

Gestern


Gestern liebt ich,
Heute leid ich,
Morgen sterb ich:
Dennoch denk ich
Heut und morgen
Gern an gestern.
Lessing

Innere Zerrissenheit

Innere Zerrissenheit exakt/messerscharf auf den Punkt gebracht:
ich möchte am Liebsten weg sein - und bleibe am Liebsten hier (Biermann).