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Sonntag, 21. August 2011

Das Kind

Das friedlich schlafende Kind beruhigt meine Seele und lässt meine Sorgen für einen Moment ganz vergessen. Es ist schön, ihm zuzuhören, wie es friedlich und ruhig da liegt und tief schläft.

Noch kennt es keine tiefsitzenden Sorgen, keine Ängste und Zweifel.

Es freut sich auf die Schule, auf die Freundinnen und Freunde, auf die Lehrerinnen und Lehrer, auf Deutsch, Singen, Französisch und bildnerisches Gestalten. Und auf manch anderes mehr.

Das Kind kennt keine Vergangenheit, es lebt ganz aus der Gegenwart heraus. Umso mehr kann es den Augenblick geniessen und ganz in ihm aufgehen. Spiel und Realität sind nicht bipolare Gebilde, sondern ergänzen und befruchten sich gegenseitig.

Es hat sein ganzes Leben vor sich, alles scheint möglich zu sein, jede Option ist offen. Es wird bedingungslos geliebt, es hüpft durch die Welt und wird morgen um 0700 Uhr putzmunter aufstehen, Mozart hören, frühstücken, wilde Geschichten erzählen, sich waschen und die Zähne putzen und pfeifend in die Schule gehen.

So schön kann Leben sein.
Ich nehme also mein inneres Kind an die Hand und streichle es sanft über das Haar.

Samstag, 10. Juli 2010

Die Anstrengung, Mensch zu sein

Ja, es ist anstrengend, "Mensch zu sein". Jeanne Hersch, Genfer Philosophin und Schülerin von Jaspers und Heidegger, provozierte oftmals mit ihren Thesen und sorgte dabei für rote Köpfe. Nächsten Dienstag wäre sie 100 Jahre alt geworden (sie starb vor 10 Jahren in Genf). Heute Morgen habe ich folgende Sätze von ihr aufgeschnappt, ich unterstreiche sie in meinem Kopf gleich doppelt und mit roter Farbe (aus einem Referat aus dem Jahr 1995):

Pflicht, ein wirklicher Mensch zu werden: wer hat je versprochen, dass Mensch sein leicht ist? In unserer Zeit hat eine Mehrheit von Menschen das Gefühl, sie hätten ein Recht darauf, nicht zu leiden, keine Probleme zu haben (...). Wer hat das je versprochen? (...) Niemand hat uns das versprochen (...). Es ist so, Mensch sein ist schwierig (...). Ich weiss nicht, warum wir dieses Gefühl haben, dass wir ein Recht auf Leichtigkeit hätten. Wir haben kein Recht darauf (...). Wenn wir nicht fähig sind, die Beschwerlichkeit unserer Existenz anzunehmen, dann verdoppeln sie sich (...). Mensch sein heisst, seine Freiheit zu üben an dem, was man so schwer erträgt".

Jeanne Hersch provoziert auch mich - ich reibe mich an ihren Texten. Sie hat ja Recht, das Leben ist kein Spaziergang. Wir sind unterwegs und müssen manches Unwetter in Kauf nehmen, manchen Sturm durchlaufen, manche Probe bestehen. Nur dann wachsen wir. Das versuche ich auch meinem Kind beizubringen.

Aber ich bin auch widersprüchlich und rebelliere gleichzeitig gegen diese Vorstellung, ich will das ganze Leben, will auch unbeschwert leben und lieben können, will mich spüren und, ach, auch so etwas wie glücklich sein. Ja, ich suche nach dem "donnernden Leben" (Biermann), will aufbrechen und meine Sehnsucht voller Ungeduld stillen. Jetzt, sofort.

Tröstlich ist, dass ich widersprüchlich sein darf, denn dies gehört ebenso zum Mensch sein.

Sonntag, 21. März 2010

Skeptizismus

Sonntagabend - ich verzichte auf einen Wochenrückblick, wozu denn auch. Morgen beginnt eine neue Woche, ich trete sie ohne Illusionen an, ohne Hoffnung auch. Das heisst nicht, dass ich hoffnungslos wäre, aber ich hüte mich vor billigem Optimismus. Ich schütze mich damit auch vor Enttäuschungen und habe somit auch keine Erwartungen. Ich denke, dass Skeptiker die fröhlicheren Menschen sind, weil sie sich nicht so schnell aus der Bahn werfen lassen, weil sie der Welt mit Nüchternheit begegnen.

Mein Leben gleicht einer gut geölten Maschine, routiniert, alles geht seinen sozialistischen Gang, und manchmal erfasst mich ob dieser Tatsache der Ekel: 0600 Uhr läutet der Radiowecker, die Nachrichten werden gehört. Dann die Wetterprognosen, es ist mittlerweile 0620 Uhr. Dann langsam aufstehen, Mozart auflegen, Frühstück zubereiten, dann duschen, rasieren, Frühstück einnehmen, Kaffee trinken, die Kleine holen, das Morgenritual mit ihr durchführen, dann das Geschirr abräumen, Zähneputzen, Wohnung durchlüften, die Kanarienvögel verpflegen, dann langsam raus aus der Wohnung.

Und so weiter.
Ich sehe zu all dem keine Alternativen, und ich gestehe, dass mich die Routine auch beruhigt. Unvorhergesehenes mag ich nicht so sehr. Das heisst, ich bin ambivalent.

Und schrecklich melancholisch an diesem Sonntagabend.

Sonntag, 14. März 2010

Vom falschen Dosenöffner

Heute hat mir meine Exfrau das folgende Geschichtchen erzählt: sie hätte letzte Woche ihren Dosenöffner gesucht, um sich einen feinen Thonsalat zu machen. Sie sei überzeugt gewesen, einen weissen Dosenöffner zu haben, und den habe sie fieberhaft gesucht. In der Küche: nichts, auch in den anderen Räumen habe sich das Ding nicht verirrt. Und die Nachbarn waren alle weg. Also kein Thonsalat.

Das habe sie aber genervt, sie wollte unbedingt einen Thonsalat. Was tun? Halt nochmals suchen. Dann überlegte sie nochmals und meinte dann zu sich selbst: Herrgott, ist denn dieser Dosenöffner wirklich weiss? Nein, kam es ihr plötzlich in den Sinn, der habe ja zwei schwarze Griffe. Und prompt hat sie dann ihren Dosenöffner gefunden - und der Thonsalat war ganz fein.

Natürlich, das ist eine wunderbare Metapher. Krampfhaft habe sie nach dem weissen Dosenöffner gesucht und darum den tatsächlich vorhandenen Dosenöffner nicht gesehen. Ja, geht es uns im Leben oftmals nicht ebenso? Wir haben fixe Ideen und Vorstellungen und sehen gerade darum das Naheliegende nicht. Vieles, was vorhanden wäre, wird nicht entdeckt, bleibt liegen, die fixe Idee dominiert und beherrscht unsere Sinne.

Man sieht nur das, was man kennt - und man sieht nur das, was man sich im Kopf bereitgestellt hat.

Dienstag, 23. Februar 2010

Minotaurus

Friedrich Dürrenmatt hat sich mit der aus der griechischen Mythologie stammenden Figur des Minotaurus zeitlebens intensiv beschäftigt. Minotaurus ist halb Mensch, halb Stier, ein Ungeheuer, das furchterregend ist. Minotaurus bewegt sich in einem Labyrinth, ohne es jedoch zu wissen. So bewegt er sich durch die endlosen Schlaufen, kommt nur vermeintlich voran, dreht sich im Kreis, immerfort. Und als er sich im Spiegel betrachtet ahnt er nicht, dass er bloss sich selbst sieht. Minotaurus, der ahnungslos dahin Irrende.

Minotaurus ist für Dürrenmatt Sinnbild des modernen Menschen, der sich nur scheinbar souverän in der Welt bewegt, nicht wissend, dass er ein Gefangener ist, letztlich ein Gefangener seiner selbst, das Labyrinth als Symbol der Unübersichtlichkeit, der Täuschungen und der Irrwege.
Gibt es für Minotaurus Hoffnung? Ich weiss es nicht, ich selber schwanke immer wieder hin und her, mal glaube ich an die Gestaltungskraft und die Sinnhaftigkeit des Lebens, das andere Mal wiederum sehe ich mich als Kafkas Georg Samsa, der eines Morgens aus einem bösen Traum erwacht und feststellt, dass er über Nacht zu einem Ungeziefer mutiert ist, unfähig, sein Leben zu meistern.
Zur Zeit leide ich am Leben, obwohl ich heute in beruflicher Hinsicht erste erfreuliche Nachrichten -eine erste positive Rückmeldung- erhielt. Aber es gibt anderes, das mich plagt und nicht in Ruhe lässt, so die ständige Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Zeit (und damit der Vergänglichkeit) und mit der Liebe. Ich weiss, dass ich ihr weh getan habe, aus Unachtsamkeit, nicht aus Boshaftigkeit, vielleicht auch aus Unvermögen, ich weiss es nicht (darüber werde ich einen Beitrag schreiben, sobald ich dazu in der Lage bin). In solchen Momenten fühle ich mich ganz einsam, da dies nicht mitteilbar ist, ich merke, wie ich mich im Kreis bewege, versuchend, die Gefühle zu orten und nach innerer Ruhe ringend.
Heute habe ich auch meine Mutter gesehen - wie jeden Dienstag - und ich fand, sie hätte in Kürze einen Altersschub erfahren, nicht in mentaler Hinsicht, aber im Gesicht, wohl weil sie ihr Äusseres nicht mehr so pflegt wie auch schon, ein Besuch beim Frisör wäre dringend angebracht, was ich ihr auch sagte, ja, sie wisse es, aber es koste doch wieder Geld, worauf ich erwiderte, ich würde sie noch diese Woche zu einem Essen einladen, was sie postwendend gerne annahm (:-).
Meine Lebenssituation ist aktuell nicht gerade zu beneiden, aber ich will kein Mitleid erheischen, ich erlebe nur das Labyrinth, das mich gefangen hält.
Das Labyrinth als konstitutives Element menschlicher Existenz, wie Dürrenmatt es beschrieb? Ich weiss es nicht, noch glaube ich an die Befreiung des Minotaurus, an seine Fähigkeit zu lernen und zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Aber ich ahne auch, wie unbarmherzig das Labyrinth ist, undurchschaubar und voller Fallen. Immerhin: Minotaurus wusste nichts von der Existenz des Labyrinths - war das für ihn ein Vor- oder Nachteil?

Bild des Minotaurus, gezeichnet von Dürrenmatt:http://ead.nb.admin.ch/html/fd/fdabi_144.html

Montag, 15. Februar 2010

Pardon

Ich lebe noch! – pardon, will sag‘n
bin noch nicht tot

Hab alles, was ich brauch, pardon
und bin in Not

Ich bin noch frisch! – pardon, will sag’n
noch nicht verfault

Hier bin ich gern! – pardon, das heißt:
noch nicht vergrault.

Ich fall nicht um! – pardon, will sag’n
ich liege schon

Ich mach den Held! – pardon, will sag’n
und bin ein Clown

Ich hab die Macht! – pardon, will sag’n
am Leib verspürt

Hab mit Vernunft kein’ Mensch, pardon
kein Schwein verführt.

Die Welt ist schön! – pardon, will sag’n
ganz schön am Rand

Ich bau auf euch! – pardon, will sag’n
ich bau auf Sand

Auf dem Planeten hier, will sagen:
Feuerball

Wird großer Friede sein! – pardon
erst nach dem Knall.

Ich hab euch lieb! – pardon will sag’n
ich halt euch aus

Mein Heim ist hier! – pardon, will sag’n
ich hab ’n Haus

Ich sing ganz gern – pardon, will sag’n
sonst müßt ich schrein

Ich geh mit euch! – pardon, das heißt:
ich bleib allein

Samstag, 13. Februar 2010

souveräne Einsamkeit

Im Hotel, wo ich oftmals -so wie jetzt - meine Ferien verbringe, hat es nicht wenige Einzelgänger. Abends bewundere ich sie, wie sie an ihren Tischen sitzen und das Abendessen geniessen. Sie essen in aller Ruhe, zelebrieren den Genuss des Weines, lesen zwischen den einzelnen Gängen ihre Bücher und lassen sich von den zahlreichen Kindern und Familien keineswegs ablenken. Auch wenn abends zum Essen das Haustrio spielt, die Kerzen auf den Tischen brennen, auch dann sind sie ganz in ihrer Mitte, grüssen kurz und lassen sich durch Nichts irritieren.

In solchen Momenten überlege ich mir immer wieder, ob ich denn das könnte. Die Antwort ist klar: nein, ich könnte es nicht. Ich wäre zu sehr unruhig, die vielen Familien mit Kindern würden mich beunruhigen, das Buch, das ich als Rettungsanker mit an den Tisch nehmen würde, würde ich mangels Konzentration und Musse nicht berühren können - und wenn doch, dann nur deshalb, um nicht hilflos im Essraum herum zu schauen und um meine Blicke nicht von Tisch zu Tisch schweifen zu lassen.

Wer in dieser Umgebung allein Ferien verbringen kann, ist in seiner Mitte angekommen. In ihm oder ihr muss offensichtlich grosse Ruhe und Gelassenheit herrschen. Und nach dem Dessert stehen sie auf und gehen in die grosse Bar, um weiter zu lesen oder sich einfach von der Musik treiben zu lassen. Worüber mögen sie beim Essen und trinken denken? Und warum verbringen sie allein Ferien? Vielleicht, weil sie so zu ihrer Ruhe kommen wollen? Weil sie beruflich so oft unter Menschen sind und nun endlich einmal allein sein wollen? Das mag eine Möglichkeit sein. Andere wiederum verbringen allein die Ferien, weil es, aus welchen Gründen auch immer, nicht anders geht. Weil sie also gewissermassen müssen.

Andererseits: Einsamkeit ist vielschichtig und kann von allen erfahren werden. So wie von jener Frau, die nach dem Abendessen mit ihrem Mann in die Bar geht - aber dort wechseln sie kein Wort miteinander, er sitzt mürrisch am Tisch und trinkt seine Cognacs, sie trinkt ihren Espresso und sitzt nur gelangweilt da, die Kinder und Enkelkinder sind zwar auch da, aber Dialoge finden kaum statt, es sind eher Monologe, die geführt werden. So jedenfalls mein Eindruck.

Das kann es ja auch nicht gewesen sein.

Doch wie auch immer: ich kann nicht alleine Ferien verbringen, schon gar nicht unter vielen Menschen. Wenn, dann irgendwo in einer Berghütte oder in einem kleinen Häuschen nahe des Meeres. Oder in einer grossen Stadt.

Aber wenn ich es mir genau überlege: auch dann nicht.
Wäre es dennoch ein Versuch Wert ??

Dienstag, 2. Februar 2010

Mut zur Entscheidung

Eine email an mich führt mich dazu, über Entscheidungen nachzudenken.

Wir sind in unserem Alltag ständig mit Entscheidungsoptionen konfrontiert: soll ich dieses tun, jenes unterlassen? Oft sind es banale Entscheidungen, die wir im Alltag treffen müssen, und oftmals entscheiden wir intuitiv und vielfach auch unbewusst. Es gibt jedoch Lebenssituationen, die eine bewusst aktive Entscheidung von uns abverlangen. Und in solchen Lebenssituationen sind wir oftmals hilflos, schieben die Entscheidung vor uns hin, verhalten uns passiv und lassen demzufolge zu, dass "die Umstände" für uns entscheiden und uns damit bevormunden. Auch in der Politik ist dieses Phänomen bestens bekannt und wird da und dort mit "aussitzen" umschrieben ("System Kohl").

Ich bin überzeugt, dass der Mensch vor allem dann leidet, wenn er nicht aktiv entscheidet und damit zum Spielball der Umstände wird. In einer solchen Konstellation sieht er sich dann auch (gerne) als Opfer der Umstände ("ich bin ein armer Kerl"). Ich kenne dieses Gefühl sehr wohl. Es ist ein, pardon, verschissenes Gefühl, ein Gefühl der Ohnmacht und oftmals auch der Verzweiflung. Ich habe lernen müssen (und muss weiter daran arbeiten), dass aktives Entscheiden die unabdingbare Grundvoraussetzung eines gelungenen Lebens ist. Ich muss und will mich bewusst für diese oder jene Option entscheiden.

Die Frage lautet nicht, was ich vom Leben erwarten darf, sondern: was erwarte ich vom Leben? In einem beruflichen Kontext habe ich diese an sich banale Erkenntnis einmal mehr erfahren dürfen/müssen. Ich werde niemandem gerecht, nicht zuletzt auch mir nicht, wenn ich passiv den Fluss des Lebens an mir vorbei ziehen lasse. Tue ich es dennoch, leide ich, treibe ich irgendwo hin und bin damit nicht Steuermann meines Lebens. Eine doch beängstigende Perspektive.

Aktiv und bewusst entscheiden heisst demgegenüber, den Weg der Freiheit zu wählen - Freiheit als Einsicht in die Notwendigkeit (Hegel).