Dienstag, 5. Februar 2013

von geschönten Doktorarbeiten - hüben und drüben

Schon wieder eine geschönte "Doktorarbeit": ausgerechnet die Bildungsministerin muss ihren Doktortitel abgeben. Welche Ironie der Geschichte, sie, die sich so wortgewaltig von Guttenberg distanzierte und sich "schämte" ob dem, was geschehen war.

So weit, so gut.

Wer wissenschaftliche Kriterien nicht korrekt einhält, muss die Konsequenzen spüren.
Doch
gilt das für alle?
Und unter allen Umständen?
Wirklich?

Nun werden sie bald wieder anlaufen, die unzähligen Talkshows. Und ich sehe schon all die klugen Gesichter, die wild gestikulierend und empört "Rücktritt Rücktritt" rufen. Und dabei einiges arg vergessen, nein: verdrängen, was in aller Deutlichkeit gesagt werden muss.


Wie war bzw. wie ist das genau mit den erworbenen pseudoakademischen Doktortiteln namentlich (aber nicht nur dort) an der sog. "juristischen Hochschule" des Ministeriums für Staatssicherheit? Artikel 37 des Einigungsvertrages hält diesbezüglich klipp und klar fest: In der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik erworbene oder staatlich anerkannten berufliche und akademische Abschlüsse oder Befähigungsnachweise stehen nach Artikel 37 Abs. 1 des Einigungsvertrages den Abschlüssen oder Befähigungsnachweisen der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich des Grundgesetzes vor dem 03.10.1990 grundsätzlich gleich. Die erworbenen Berufsbezeichnungen, Grade und Titel können in der üblichen Form geführt werden.  

Ich frage:
was haben diese "Doktorarbeiten" für einen akademischen Wert? Ich mache es kurz und bündig und beantworte meine rhetorische Frage gleich selbst: sie sind akademischer Schrott und haben mit Wissenschaftlichkeit nichts zu tun. Man vergegenwärtige sich einmal die Titel dieser erworbenen "Doktorarbeiten" (Auswahl):


  • Die Auswertung des Informationsgehaltes handschriftlich gefertigter, anonymer oder pseudonymer Hetz- und Droh­briefe und deren praktische Bedeutung für die operative Fahndung nach dem Schrifturheber
  • Die Information als immanenter Bestandteil der politisch-operativen Arbeit und deren Leitung
  • Das System der Sicherheitsbeauftragten - ein neues wirksames Instrument der sozialistischen Staatsmacht, das unter Führung des Ministeriums für Staatssicherheit zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in der Volkswirtschaft, insbesondere zur Abwehr des Systems imperialistischer Kräfte beiträgt
  • Die staatsfeindlichen Gruppen Jugendlicher und jung Erwachsener und ihre vorbeugende Bekämpfung durch das Ministerium für Staatssicherheit
  • Der Kampf um die Durchsetzung demokratischer Entwicklungsprozesse in Westdeutschland sowie die politisch-operativen Aufgaben zur Förderung und Formierung fortschrittlich sozialer Kräfte und politischer Plattformen
  • Zur Bekämpfung der imperialistischen Störtätigkeit auf dem Gebiet des Außenhandels
  • Psychologische Grundsätze für die die Zusammenarbeit mit IM, die im Auftrage des MfS außerhalb des Territoriums der DDR tätig sind (Untersuchungen an IM der äußeren Spionageabwehr bei direkter Konfrontation mit den feindlichen Geheimdiensten)
  • Aufgaben der Diensteinheiten der Aufklärung des MfS bei der Erhöhung der Effektivität der Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbei­tern unter den Bedingungen der imperialistischen Konfrontationspolitik
  • Die weitere Entwicklung und Vervollkommnung der Objekt­bearbeitung durch die Diensteinheiten der HV A und die Abteilungen XV der Bezirksverwaltungen des MfS
Na tolle Leistung. 
Und diese Herren (Damen habe ich in der Liste keine entdeckt - da hat die DDR-Gleichstellungspolitik schlapp versagt) laufen heute in Deutschland erhobenen Hauptes in der Gegend herum. Und die Nachbarn halten sie für ehrenwerte Leute: es steht ja schliesslich "Dr. iur." an der Haustüre. 

Und ja, der Herr Dr. iur. Gregor Gysi, der grosse Politkommissar und Aufklärer aller Talkshows, wird sich in Sachen Bildungsministerin wohl auch bald empört und süffisant lächelnd zu Wort melden. Bloss: wer hat sich in Deutschland die Mühe genommen, seine "Doktorarbeit" zur Hand zu nehmen und einmal zu lesen? 

8 Kommentare:

  1. Ein Schelm, wer hier Böses denkt!

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  2. Ach Peter, was bedeutet so eine Diskussion schon.

    Hast Du selbst einen Doktortitel und regst Dich deshalb auf, weil andere ungerechterweise auf der selben akademischen Stufe stehen wie Du, sich damit schmücken und auch noch erfolgreich Macht ausüben, obwohl sie nichts dafür geleistet haben?

    Mehr Schein als Sein - Menschen neigen dazu. Solche Verhaltensweisen gab es immer, wird es immer geben. Wer könnte sich selbst davon frei machen.
    Aber jeder der schummelt, weiß sehr genau, dass er geschummelt hat. Ob es rauskommt oder nicht. Letztlich bleibt es sein Problem.

    Unser Leben währt nur einen Wimpernschlag und bald wird sich niemand mehr überhaupt an uns/an sie erinnern.

    Welchen Schaden nehmen Du oder ich konkret an dieser Sache?
    Welchen Lohn bringt es, Energie daran zu binden und sich aufzuregen?

    LG

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    1. Dein Kommentar überzeugt mich in keiner Weise, und meine Person ist nicht von Belang. Es geht hier nicht um Schein und Sein, sondern um grundlegende Spielregeln, an die sich alle zu halten haben.

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    2. Ja, danke.
      Mein Begehr war auch nicht, Dich überzeugen zu wollen.
      Es ist lediglich meine gelöste, konträre Sicht der Dinge.
      Es geht mir in meinem Leben nicht mehr um "Recht haben"
      Ich wünsche Dir einen sehr schönen Sonntag.
      LG

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  3. Hallo Peter,
    man könnte meinen, du bist ein eingeborener Ossi ;-)
    Gruß Anonym

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    1. Bin eingeborener Schweizer ;-), der als junger Mann Land und Leute in der DDR kennenlernte. Hatte einen sehr guten Freund in Ost-Berlin...

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  4. Gysi ist ein Profiteur der ehemaligen DDR.

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