Samstag, 13. März 2010

Illusionen

Heute Abend war ich an der Geburtstagsfeier meines deutschen Kollegen - das war ein netter Abend, mit vielen Leuten und einigen Kindern, die Ramba-Zamba gemacht haben. Wir feierten seinen 48. Geburtstag - den habe ich schon gefeiert, mein 49. Geburtstag steht mir dieses Jahr noch bevor.
Was war da los an diesem Geburtstagsfest? Menschen kamen zusammen, die in der sog. Lebensmitte stehen. Dort ein Anwalt, hier eine Strafrechtlerin, neben mir eine Verwaltungsjuristin, links daneben ein Architekt usw. Ich unterhalte mich mit einer Juristin, die gerade mal rund 10 Jahre älter ist als ich. Was ich sah: eine alte Frau, voller Falten, klug, analytisch, durchaus sympathisch, aber alt. Und sie war keine 10 Jahre älter als ich. Ich stellte mir vor, wie es wäre, eine solche Frau zu küssen, und es lief mir eiskalt den Rücken herunter. Panik nahm von mir Besitz, der schwere Burgunder, der kredenzt worden ist, liess mich zusätzlich schwitzen. Sehe ich auch so alt aus bzw. werde ich bald auch so alt aussehen, schoss es mir durch den Kopf. Ich schaue dann weiter in die Runde und sehe Menschen, die mehr oder weniger zu meiner Generation gehören. Ich erschrecke ein wenig, und dann, wie angeschossen, denke ich mir: verdammt, du verpasst irgend was in deinem Leben. Was ich verpasse, weiss ich nicht, es ist ein diffuses Gefühl an diesem Abend, die Leute lachen, reden über sich, ihr Leben und ihre Karrieren, ich selber gebe nett Auskunft über mich und denke mir: was tue ich da? Ich empfinde für einen Augenblick ein seltsames Gefühl von Entfremdung.
Dann spielte ich mit den Kindern, spiele den Clown, Räuber und Polizisten, den Kindern gefällt's, die Post geht ab. Ich merke: Kinder tun mir gut. Sie vermitteln die Illusion, jung zu sein bzw. jung zu bleiben. Sie johlen, wenn ich Faxen mache oder das eine oder andere Kind durch die Luft wirbeln lasse.
Manchmal tut es gut, in Illusionen zu leben - nur für eine kurze Zeit, damit die Gegenwart erträglicher wird.
Was ich jetzt gerade mache, an diesem Abend nach der Geburtstagsfeier und nachdem die Kleine nun tief und friedlich schläft? Ja, ich höre Mozart, laut muss es sein, ich brauche diese tägliche Portion. Was für eine geniale Musik, die alles durchdringt. Ich lasse mich entführen, versinke in meine innere Welt und vergesse alles.
Meine tägliche Droge.

2 Kommentare:

  1. Lieber Peter, ein umwerfender Beitrag, weil du in diesem Moment der Erkentnis das erschreckende Gefühl an dich heranlässt und darüber schreibst. Sicherlich spüre ich bei mir manchmal auch diese schrecklichen Gedanken, oft spalte ich sie einfach ab.
    Deinen Gedanken zu der Frau kenne ich. Ich mags mir nicht vorstellen. Suchen sich deshalb Männer jüngere Frauen? Was machen die "älteren" Frauen?
    Einen lieben Gruß
    autum

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  2. @autum: es ist, glaube ich, nicht primär eine Frage des Alters, vielmehr eine solche des Empfindens. Eine Frau oder ein Mann kann man 60+ noch sehr attraktiv sein, umgekehrt kann ein 25 jähriger Mensch problemlos ganz hässlich daher kommen. Was ich sagen will: jene Frau, die ich in diesem Beitrag beschrieb, kam mir einfach schrecklich alt vor, aber sie hätte auch 25 sein können. Kennst Du die französische Politikerin Royal? Die ist mittlerweile 55, und ich finde sie äusserst attraktiv, ja ich gebe zu, ich würde sie nicht von der Bettkante stossen.

    Dir auch liebe Grüsse

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