Dienstag, 31. Mai 2011

Tinchen, 9 Jahre alt, lebt nicht mehr

Ich lese dann und wann Todesanzeigen. Warum dem so ist, weiss ich ehrlich gesagt nicht. Ich habe auch nicht vertieft darüber nachgedacht.

Todesanzeigen von Kindern betrüben mich immer, so wie diese hier. Dieses Kind ist friedlich in den Armen seines Papas eingeschlafen, lese ich, und kämpfe dabei gegen die Tränen.

Die Eltern laden alle ein - zum gemeinsamen Abschiednehmen am Sarg von Tinchen und, vier Tage später, zur öffentlichen Urnenbeisetzung.

Ich entnehme der Todesanzeige keinerlei Groll oder Revolte, im Gegenteil. Ich lese: wir sind dankbar für die gemeinsame Zeit.

Ich bewundere die Eltern, die Tinchen bis zuletzt bestimmt mit Hoffnung -vielmehr müsste man wohl von Akzeptanz sprechen- und grosser Liebe begleitet haben. Für sie wird das Leben wohl nie mehr so sein, wie es einmal war.

Und sie laden alle ein, zum gemeinsamen Abschied. Was für eine geballte Lebenskraft kommt hier zum Ausdruck.

Und beim Lesen dieser Todesanzeige geht mir noch manch Anderes durch den Kopf. In solchen Momenten erlebe ich die Welt per se als absurd. Der "abwesende Gott" kommt mir spontan in den Sinn, oder ist er gar zynisch, so es ihn gibt? Und: wann war ich das letzte Mal dankbar, und wofür?

Montag, 30. Mai 2011

Wochenbeginn

Eine anstehende berufliche Verpflichtung von heute Abend erfüllt mich weder mit Freude noch mit Kummer. Ich registriere vielmehr Gleichgültigkeit und ein bisschen Neugier. Ich sehe mich schon in diesem grossen Saal in Anzug und Krawatte, small talk hier, small talk dort, derweil draussen Sommertemperaturen herrschen. Die Welt als grosse Bühne, auf der alle ihre Rollen spielen, die einen maskiert, die anderen mehr oder weniger authentisch. Wer die Regie in diesem Theater spielt (so es eine gibt), bleibt mir allerdings ein Rätsel.

Samstag, 28. Mai 2011

Liebeslied für keine Unbekannte

Ich möchte am Abend mit dir auf fremden Balkonen sitzen,
das Licht wäre mollig und die Luft nicht mehr grell.
Ich käme gut aus mit mir, und wir würden den Tag rausschwitzen
Dann könnt ich dich lieben, eventuell.

Und dann breit ich mich
einfach aus in dir,
wir werden wesentlich,
und dann leben wir.
Und dein Lächeln fällt in kleinen Bissen
herab zu mir.

Ich möcht gegen Abend mit dir auf behäbigen Pferden reiten,
und das Land, das Land zerfließt unter unserem Schritt.
Die Sonne stirbt wie ein Tier, und man sieht sie die Augen weiten.
Und wir ziehn in ihr Rot und sterben mit.

Und dann breit ich mich
einfach aus in dir,
wir werden wesentlich,
und dann leben wir.
Und dein Lächeln fällt in kleinen Bissen
herab zu mir

Schlaflos

Schlaflosigkeit beherrscht mich.
Und dennoch bin ich müde, hundemüde.
Bilder dominieren meinen Kopf.
Keine Angstbilder, dafür ein kleines Durcheinander:
Vergangenes sucht mich auf und vermischt sich mit angeblich Zukünftigem.
Draussen: absolute Stille.
Es dauert nicht mehr lange, und die ersten Vögel werden zu zwitschern beginnen.
Müde werde ich jetzt ins Bett gehen.
Schlaf, komm, und lass mich ruhig träumen.

Freitag, 27. Mai 2011

Warum ich das Graue mag

.. dein Blog wird immer grauer ... Dabei dachte ich noch vor ein paar Tagen, dass ich dir wünschte du könntest das Bild (den Header) so zeigen, wie es in Wirklichkeit ist - nämlich farbig.

Ich frage mich bei schwarz/weiß Bildern oft, was den Menschen dazu treibt, freiwillig und mutmaßlich das Schöne auszublenden. Vielleicht hast du mir eine Antwort darauf?

Ein Fotograf, der hauptsächlich schwarz/weiß Bilder macht, sagte: "Grau ist die Farbe, die alle anderen in sich enthält. Nur die Mischung aus allem macht es grau. Außerdem lenkt grau von nichts anderem ab." Doch nach ein paar Tassen Kaffee und Geplauder wurde er ehrlicher und sagte, dass er sich weigerte, das Bunte der Welt zu sehen, denn es käme ihm angesichts seiner Herzschmerzen wie ein Hohn vor ...

Dabei ist es doch Trost! Peter, du beschreibst in den wundervollsten Farben die Natur, das Engadin beispielsweise - tut es nicht gut, sich an die schönen Bilder zu erinnern? Ist es nicht wundervoll zu wissen, dass die Natur uns ihre schönen Farben zeigt, ganz gleich wie gut oder schlecht wir drauf sind?
Selbst eine Stadt im Regen ist niemals ganz grau. Genauso wenig wie unser Inneres - irgendwo ist immer Licht, irgendwo ist immer Bunt - wir müssen es nur sehen wollen.

Ich wünsch dir ein schönes Wochenende, das dich mit irgendetwas Gutem und Buntem überrascht :)

Liebe Grüße,
Ju

Liebe Ju
Herzlichen Dank für Deine Bemerkungen!!

Vorerst einmal will ich gleich eines vorwegnehmen: Das Bild (Header) tausche ich gleich aus, weil ich glaube, dass das jetzige Bild in der Tat etwas suggeriert, was nicht zutreffend wäre: dass ich die Welt mit ausschliesslich pessimistischen Augen erlebe. Ich wähle neu ein Bild aus dem Bergell, dem südlich des Engadins liegenden Tal im Kanton Graubünden, aus. Es zeigt, welche wunderbaren Herbstfarben im Bergell zu bestaunen sind. Da kann ich mich jeweils beim Wandern und Sein nicht genug satt sehen. Vor allem auch: Der Herbst ist eine Phase des Übergangs. Tagsüber kann es noch schön warm sein, abends dann und in der Nacht kühlt es ab. Tagsüber scheint mal die Sonne, dann aber regnet es wieder, und ein zäher Nebel zieht auf. So mag ich den Herbst, weil er alles andere als langweilig ist - mal mit Licht, dann mit Schatten. Nach der üppigen Zeit des Überflusses bereitet sich die Natur auf härtere Zeiten vor: diese Spannung macht das Leben lebenswert.

Gleichzeitig halte ich fest: Grau empfinde ich als schöne Farbe, und nicht wenige Kleider von mir sind grau. In meiner Wohnung findest Du keine weissen Wände und Decken, sondern solche in einem sehr hellen Grau, was zum Holzboden einen angenehmen Kontrast schafft. Grau ist zwischen schwarz und weiss angesiedelt und lässt damit grundsätzlich gegensätzliche Interpretationen zu: mal neigt das Grau dem schwarzen Grundton (Pessimismus), dann aber dem weissen (Optimismus), ganz im Sinne von Goethes Farbenlehre: "Nannten wir das Schwarze den Repräsentanten der Finsternis, das Weiße den Stellvertreter des Lichts, so können wir sagen, daß das Graue den Halbschatten repräsentiere, welcher mehr oder weniger an Licht und Finsternis teilnimmt und also zwischen beiden inne steht" (Satz 249).

Je nach dem, wie ich mich mental fühle, kippt es mal auf die eine, dann auf die andere Seite. Oder aber, und dies ist meistens der Fall, bin ich im Grau zu Hause, also beheimatet, weil es in mir grau und nur grau ist, also halbschattig. Auch liege ich im Freibad lieber im Halbschatten, pure Sonne mag ich nicht. Und so ergeht es mir auch im Leben: das Grau erlaubt eine gewisse Distanz zur Welt und schützt damit vor allzu himmelhochjauchzenden Stimmungen, es soll mich aber auch daran erinnern, dass das Leben bunt sein kann und ich deshalb nicht zu Tode betrübt sein muss.

Nochmals herzlichen Dank für Deine Bemerkungen, die mich zum Nachdenken animierten und, nicht zuletzt, uns ein zauberhaftes Bild aus dem wunderschönen Bergell bescheren. Dir alles Liebe !

Freitagsmelancholie

Der Freitag, namentlich der Morgen, hat für mich etwas Melancholisches an sich. Er signalisiert Aufbruch und lässt in mir so etwas wie eine "Flughafenhalle-Atmosphäre" aufkommen: Koffer packen, zum Flughafen fahren, einchecken, auf das Flugzeug warten, das mich in eine andere Stadt bringt.

Abfliegen - Ankommen. Mit dem Flughafenbus in die Innenstadt fahren.

Durch die Strassen einer fremden und doch nicht fremden Stadt schlendern, ohne Strassenkarte und ohne Ziel, aber sicheren Schrittes. Schauen, wohin mich die Füsse bringen. Nicht wissen, wo ich mittags und abends essen werde. Überraschungen jeder Art zulassen: kleine Fluchten aus dem programmierten und durchorganisierten Alltag.

Donnerstag, 26. Mai 2011

Herunterfahren mit Mozart

Abends, wenn ich Stille brauche, weil es in meinem Innern tobt, höre ich gewissermassen als Gegengift gerne Mozart. Wenn es eindunkelt, suche ich meinen unruhigen Geist zu beruhigen bzw. zu zähmen. Fündig werde ich zum Beispiel bei der Zauberflöte in ihrer Zürcher Inszenierung, die in ihrer Doppelbödigkeit und symbolischen Kraft kaum zu überbieten ist.

Vor der Kasse

Heute war ich noch kurz am Einkaufen. An der Kasse vor mir ein alter Mann, dem das Gehen offensichtlich nicht leicht fällt. Er ist an der Reihe mit Bezahlen. Die verlangte Summe kann er nicht bar bezahlen - dies festzustellen brauchte eine kleine Ewigkeit. Dann probiert er es mit der ec-Karte. Ups, der Code ist falsch, Abbruch der Transaktion. Der Mann ist überfordert mit der Technik, denke ich, und gleichzeitig spüre ich eine gewisse Ungeduld: ich bin müde und gereizt. Der alte Mann versucht es nochmals, da, es klappt. Mühsam steckt er die Karte in seine Seitentasche. Damit ist das Prozedere noch nicht beendet. Er will noch eine Tragtasche und bewegt sich kaum nach vorne, so dass die Leute hinter mir langsam nervös werden. Auch ich bin gereizt, gleichzeitig will ich mich zügeln und denke mir: das wird dir eines Tages vielleicht auch passieren.

Bin ich so ungeduldig geworden? Warum reagiere ich so gereizt? Vielleicht liegt es ja am Wetter - immer eine gute Ausrede, die ein Weiterdenken vorerst als unnötig erscheinen lässt.

Mladic

Endlich.
Heute ist er verhaftet worden.
Er nannte sich General.
Doch vor allem war und ist er ein verrückter Massenmörder.
Vor nicht allzu langer Zeit: ein Massaker mitten in Europa.
Über 8'000 Menschen ermordet.
1995.
Viel zu lange schaute Europa dem Gemetzel zu.
Zauderte.
Bemühte das Völkerrecht, während dessen das Abschlachten längst begonnen hatte.
1995.
Erinnerung ist Befreiung.
Joschka Fischer sprach Klartext,
namentlich 1999,
am legendären Parteitag der Grünen zum Kosovo-Einsatz.
Er, der als Kriegshetzer beschimpft wurde.
Derweil der Schlächter Mladic sich als Helden feiern liess.
Mladic ist heute verhaftet worden - heute ist ein guter Tag.

Mittwoch, 25. Mai 2011

Kleine Erkenntnis

In den Kindern erlebt man sein eigenes Leben noch einmal, und erst jetzt versteht man es ganz
(Kierkegaard, philosophische Schriften, Frankfurt 2007, S. 390).

So ist es, nur dass ich es immer noch nicht ganz verstehe. Es wird ein Geheimnis bleiben - gut so.

Dienstag, 24. Mai 2011

Mentale Stärke

Vieles im Leben hat mit mentaler Stärke bzw. Schwäche zu tun. Umso mehr gilt es, auf der mentalen Ebene zu wachsen und zu einer neuen Situation Ja sagen zu können statt mit angezogener Handbremse zu trotzen. Mein Ziel ist, mich nicht (weiter) hinter Sätzen zu verstecken wie "ich kann es nicht ändern" oder "es sind halt Sachzwänge". Natürlich, nicht "alles" ist im Leben machbar, und nicht sämtliche Rahmenbedingungen lassen sich wegdiskutieren. Der Diskurs der sog. "Sachzwänge" kann dennoch als Ausrede instrumentalisiert werden, nichts ändern zu wollen, mitunter mit fatalen Konsequenzen für das eigene Leben.

Ich bleibe dabei: es gilt, den inneren Widerstand der letztlich falschen (da irreführenden) Bequemlichkeit zu erkennen und ihn damit zu überwinden, um zu mehr Freiheit zu gelangen.

Abendessen

Nach dem Schwimmen hat man einfach Hunger - einen Bärenhunger. Bin gerade daran, Penne an einer wunderbaren Tomatensauce zuzubereiten. Hach, und dazu italienische Salami.

Und für mich ein kühles Bier.