Dienstag, 19. März 2013

Über das Weinen

Neulich und wie beiläufig sagte mir jüngst meine Tochter, dass sie mich noch nie weinen sah. Die Mama hingegen schon, aber mich nicht. Sie sagte dies nicht in einem trotzigen Ton, sondern nüchtern feststellend. Ich fragte nach und wollte wissen, was das nun für sie bedeute. Eigentlich nichts. Aber ob ich denn nie weine, wollte sie schon genauer wissen. Und so redeten wir über das Weinen, genauer: über die verschiedenen Arten des Weinens.

Es gibt nicht nur das sichtbare Weinen, es gibt auch das stille und von aussen kaum wahrnehmbare. Jenes Weinen, das sich der Aufmerksamkeit der Umgebung zu entziehen weiss. Nicht, dass ich mich des Weinens schämen würde - ich wüsste nicht, was es da zu schämen gäbe. Aber ich neige nun mal dazu, still zu weinen, wobei mich dabei jeweils eine oder zwei Tränen zu begleiten wissen. Ich sagte ihr auch, dass Weinen nicht zwangsläufig nur etwas mit Trauer oder Traurigkeit zu tun hat, beileibe nicht ! Weinen kann man auch aus Betroffenheit, aus Rührung (was bitte nicht mit Sentimentalität zu verwechseln ist), ja natürlich auch aus Freude. Mozart bringt mich dazu, Tränen zu vergiessen, und ganz offenkundig ist dies ihr noch nie aufgefallen, ebenso wenig meinen Sitznachbarn im Opernhaus, denke ich mal.

Ich dachte heute über diesen kürzlichen Dialog etwas nach und glaube, dass ich bislang authentisch gehandelt habe: ich weine so, wie ich nun mal weine. Dass mich meine Tochter dabei nie "erwischt" hat, nehme ich zur Kenntnis. Und trotzdem stört es mich ein wenig. Weil sie vielleicht bislang glaubte, dass ihr Papa nicht weint, weil er ein Mann ist. Wenn dem so wäre, so wäre das ein falsches, ja fatales Signal. Umso mehr habe ich ihr gesagt, dass Weinen nicht eine Frage von Mann oder Frau, von Kind oder Erwachsenem ist. Weinen ist vielmehr ein Grundrecht eines jeden. So wie man lachen darf, darf man auch weinen. Ob zu Hause, im Treppenhaus, im Opernhaus oder im Schulhaus. Oder wo auch immer. So wie nicht immer die Lauten stark sind, nur weil sie lautstark sind, so sind nicht immer jene die Schwachen, nur weil sie mal weinen. Weinen kann auch Ausdruck von Stärke, ja von Souveränität sein, so wie, negativ formuliert, lautes Gebrüll noch lange kein Zeichen von Stärke ist: es schreien vorab jene am Lautesten, die keine Argumente haben.

Ich denke, dass sie dies verstanden hat. Und es mag auch sein, dass sie dereinst ihren Papa durchaus still wird weinen sehen, denn ich stehe ab sofort unter strenger Beobachtung. 

1 Kommentar:

  1. Danke für die "Ermutigung". Zur Zeit weine ich oft und viel. Es ist zu viel gerade auf ein Mal. Und ich weine sowieso oft. Letzten Donnerstag vor lachen.
    Ich habe meinen Vater noch nie weinen sehen. Manchmal habe ich das Gefühl, er tut es nicht um für seine drei Frauen stark zu sein.

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