Samstag, 13. November 2010

Auf dem Friedhof

Heute war ich mit meiner Tochter wieder einmal auf dem Friedhof, genauer: beim Grab meines Vaters. Rituale sind wichtig, namentlich für Kinder. Meine Tochter empfindet den Tod (immer noch) als eigentlichen Skandal. Es sei gemein, dass man stirbt. Ich versuche zu erklären und erläutere ihr, dass der Tod zwangsläufig zum Leben gehört. Aber das will sie nicht verstehen. Ich insistiere nicht. Dann geht sie von einem Grab zum anderen, liest die Jahreszahlen auf den Grabsteinen und rechnet jeweils, wie alt die verstorbene Person geworden ist. Gleichzeitig beobachte ich eine alte Frau, wie sie, leicht zitternd, zu einem Grab geht. Ich lese auf dem Grabstein: Arthur Flückiger, 1919-2007. Ihr Mann, denke ich mir. Er ist alt geworden. Sie berührt mehrmals den Grabstein, steht vor dem Grab und schweigt. Dann entfernt sie alten Blumen, die sie wohl vor einigen Tagen vorbei gebracht hatte, und schmückt das Grab mit frischen Blumen. Was mag sie wohl denken, fühlen? Wie lange kannten sie sich, 50 Jahre, 60 Jahre? Und nun ist sie allein, seit drei Jahren, und besucht regelmässig das Grab ihres verstorbenen Mannes. Wer wird mein Grab dereinst besuchen?

2 Kommentare:

  1. Es ist lustig. Während ich deinen Post lese, merke ich, wie eine Vermutung langsam zur Tatsache wird. In deinen Erinnerungen wird es bestimmt dann so abgespeichert, dass diese Frau zu ihrem Mann ist, mit dem sie schon goldene Hochzeit gefeiert hatte. Ich male mir auch oft aus, was für eine Geschichte hinter einem Gesichtsausdruck, einer Geste steckt, zum Beispiel wenn ich in der U-Bahn sitze und nichts sonst zu tun habe.
    Aber vielleicht ist es auch ganz anders. Vielleicht hat die Frau diesen Mann erst vor fünf oder zehn Jahren kennengelernt und beide waren schon verwitwet oder geschieden oder beides. Oder es ist ihr Bruder, ihr Cousin, ein treuer schwuler Freund und die Frau hat nie geheiratet oder ihr Mann ist zuhause und furchtbar anstrengend und sie sucht Ruhe und Zuwendung an diesem Grab des Freundes oder ... Die eigene Phantasie ist manchmal genauso tückisch wie die eigene Erinneurng. Guck mal, das passt irgendwie auch dazu: http://mayarosasweblog.wordpress.com/2010/11/14/erinnerungen/

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  2. Danke für Deinen klugen und weiterführenden Kommentar! LG, Peter

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