Mittwoch, 17. März 2010

Meine Exfrau

Ich bin heute mit meiner Exfrau Mittagessen gegangen, genauer: sie hat mich in einem französischen Bistrot zu einem feinen Essen eingeladen. Seit wir uns getrennt haben, kommen wir viel besser miteinander aus. Wir sehen uns regelmässig, das heisst beinahe täglich, wir gehen zusammen joggen, essen, trinken, manchmal in die Oper, ins Kino, natürlich auch auf den Kinderspielplatz, in den Zoo, zum Jazzkonzert. Wir helfen einander, wo wir können. Ich habe ihre Steuererklärung ausgefüllt, dafür lädt sich mich dann zu einem Essen oder einem feinen Tropfen Wein ein. Oder sie prüft mein Bewerbungsdossier und greift schnell zum Rotstift. usw. Neuerdings delegiert sie ihre Wahl- und Abstimmungsunterlagen an mich, mandatiert mich natürlich mit ihren Wahl- und Abstimmungsparolen, und ich fülle dies selbstverständlich nach ihren Vorgaben aus - es wird nicht gemogelt :-), was auch nicht nötig wäre, wir sind uns in mindestens 90 % der Fälle einig.

Meine Exfrau ist gewissermassen zu meiner Schwester geworden, und ich bin wohl so etwas wie ihr Bruder (sie hat aber bereits deren drei im Original). Wir führen oftmals Streitgespräche, durchaus kultiviert, aber wir sagen einander die Meinung, deutsch und deutlich, wir schonen uns nicht. Vor allem reden wir über den Beruf, über die Mühen des Alltags, natürlich über das gemeinsame Kind, aber auch über verpasste Chancen und nicht realisierte Liebschaften - halt über Gott und die Welt. Am Wochenende gehen wir wieder wandern, mit Vorliebe einem Gewässer entlang, die Tochter kann so wunderbar spielen, derweil wir plaudern können, aber wir halten auch das Schweigen aus.

Geschieden sind wir im übrigen nicht - und wir haben auch nicht die Absicht, dies in absehbarer Zeit zu tun. Weshalb denn bloss?

4 Kommentare:

  1. Im Grunde vermisst du sie doch. Genieße es, wie es zur Zeit ist, ihr liebt euch.

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  2. Ich vermisse sie nicht als Frau, und sie vermisst mich nicht als Mann, nein, aber wir mögen uns, so wie sich Geschwister mögen können. Da sind keinerlei Gefühle des Eros vorhanden - aber solche des Vertrauten und Bekannten.

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  3. Manchmal denke oder befürchte ich, zwischen meiner Frau und mir geht es ähnlich zu, wie bei Bruder und Schwester, manchmal Sex (bitte nicht falsch verstehen), aber so gewohnt, schön sicherlich, dennoch ohne dieses Frischverliebte. Ist wohl normal, nach der langen Zeit.

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  4. Also bei meinen Eltern ist es genau so. Sie haben geschieden als ich 13 war... seitdem verstehen sie sich ausgezeichnet - wie Bruder und Schwester.

    Es geht sogar soweit, dass mein Vater erst meiner Mutter telefoniert (wenn er irgend ein Problem hat) bevor er mit seiner jetzigen Frau (ja, mein Vater hat wieder geheiratet) darüber spricht...

    Wir waren auch schon alle zusammen in den Ferien in der Toscana (und werden es dieses Jahr wieder tun): Meine Mutter, mein Bruder, mein Vater mit seiner jetzigen Frau, meine 2 Halbbrüder und ich mit meiner Familie.

    Meine Vater übernachtet sogar ein mal pro Woche bei meiner Mutter, da er geschäftlich in der Gegend ist... da ist aber nie was und auch seine jetzige Frau ist eine gute Freundin meiner Mutter geworden.

    Ich hatte / habe das Glück, dass meine Eltern sich nach der Scheidung so verhalten haben und immer noch verhalten, wie es sich nur jedes Scheidungskind wünschen kann!

    Ich freue mich für Dich, dass ihr das so geregelt bekommt und hoffe, dass diese "Bruder-Schwester-Beziehung" noch lange anhält...

    LG
    Geneviève

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