Sonntag, 29. Dezember 2013

Die Welt will getäuscht sein

Heute beim Frühstück bin ich in der NZZ am Sonntag auf einen interessanten Beitrag gestossen, der über Fakes im Internet berichtet, genauer: über Menschen, die bewusst eine völlig falsche Identität annnehmen und mit der sie andere Personen gelinde gesagt an der Nase herumführen - willentlich und mit welchen Motiven auch immer (NZZ-Artikel online nicht verfügbar, vgl. dafür diesen hier).


Bild: auch ein Fake - deutsche Kleinstadtidylle irgendwo in China und hergestellt für die heimische Hochzeitsindustrie. 

Im Zentrum der besagten Geschichte steht Viktoria und ihre Internetbekanntschaft mit einem angeblichen Mann aus den USA. Schlussendlich stellte sich heraus: der Mann ist nicht der, den er vorgab zu sein. Mehr noch: der Mann war bzw. ist eine Frau. Viktoria hat aus dieser Betroffenheit heraus eine Internetseite lanciert und ihre Geschichte in ihrem Blog veröffentlicht. Eine verrückte und wahre Geschichte, die wohl nicht nur mich etwas ratlos zurücklässt. Ja ich staune und frage: wie weit wollen Menschen nicht nur aktiv täuschen, sondern passiv getäuscht werden, indem man auch bei sehr schalem Gefühl und negativen Erlebnissen ein "gutes Bild" des Gegenübers aufrechterhalten will, weil es, zum Beispiel, bequem ist und bohrende Fragen auslässt oder Illusionen nicht zerstört? Wegschauen nennt man das auch salopp. Oder blind sein oder sein wollen.

Damit will ich die tragische Geschichte von Viktoria nicht etwa bagatellisieren, und wer die Naivität oder auch Gutgläubigkeit von Menschen ausnutzt, ist und bleibt ein Schweinehund. Ich meine aber auch: für solche Geschichten braucht es letztlich immer zwei. Oder nicht? Und vor allem: sie ist keine Erfindung des Internetzeitalters, sowenig wie der Heirats- und vor allem Liebesschwindler eine Erfindung des Internetzeitalters ist (Mozarts Don Giovanni steht stellvertretend für Fiktionen aller Art), und Gefälschtes da und dort durchzieht sich durch die ganze Menschheitsgeschichte, heisse dies nun trojanisches Pferd oder potemkisches Dorf: immer stand dabei die Lüge und die bewusste Irreführung der Betrachter im Zentrum. Und was genau wollte dabei der Betrachter? Immer die nackte Wahrheit wissen?

Und an dieser Stelle noch dies:
Die Welt will getäuscht sein, also werde sie getäuscht
Paul IV, 1476 - 1559, Papst von 1555 - 1559

8 Kommentare:

  1. "Lügen ist die Kunst, der nackten Wahrheit etwas anzuziehen."
    (K.Klages)
    und dem Spruch von Paul IV stimme ich zu.
    Ich wünsche dir aufrichtig einen schönen Abend.
    LG Sadie

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Schönes Zitat !
      Auch Dir eine gute Zeit und herzlichen Gruss. P

      Löschen
  2. hoffentlich wirst du nicht mal getäuscht
    ich halte den Artikel der viktoria für wichtig und informativ denn es kann jedem passieren, daß er getäuscht wird. das hohe Ross steht dir nicht

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich bin schon oftmals getäuscht worden - in mancher Hinsicht. Und Nein, das hohe Ross steht mir nicht zu, ich erlaube mir bloss (aber immerhin), meine eigene Meinung kundzutun.

      Löschen
  3. wir werden alle getäuscht, irgendwann, irgendwie,
    gutes neues jahr wünsch ich und grüss Morgenrot von mir

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke - gleichfalls !
      Und das mit den Grüssen an Morgenrot nehme ich mal so entgegen...ich denke, Du unterliegst da einer Täuschung, die aber nicht von mir verursacht wird. Täuschen und sich täuschen lassen: unser Thema !

      Löschen
    2. Eigentlich war ich mir sicher, Habe mich täuschen lassen, es hätte doch so gut gepasst !

      Löschen
  4. Täuschen? Nein, ich halte es mit der nackten, manchmal sehr unbequemen Wahrheit. Untrennbar damit für mich verbunden sind Respekt und Achtung. In dieser Hinsicht bin ich im Privaten sehr, sehr, sehr, unflexibel. Zum Täuschen gehört für mich auch das Verschweigen von Informationen die vielleicht auch manchmal banal erscheinen.

    Täuschen lassen? Ja, oft, bösartig und teilweise habe ich es geahnt und es nicht glauben wollen. Immer wieder auf das Gute im Menschen hoffend und nicht verstehend, warum Täuschung so oft stattfindet, wo die Wahrheit viel einfacher ist und weniger schlimme Folgen hat.

    AntwortenLöschen