Samstag, 6. April 2013

An diesem grauen Samstag

Wenn Frisch von der Obsession spricht, Sätze zu tippen (er benutzte hierfür eine Hermes-Baby), so geht es mir ähnlich: zeitweise muss ich schreiben, obwohl ich zu Beginn des Schreibeprozesses gar nicht weiss, wohin mich die Reise führt. Was vielleicht auch gar nicht notwendig ist. So wie heute Morgen. Indem ich schreibe, vermag ich etwas Licht in mein inneres Durcheinander zu bringen. Das Schreiben eines Tagebuchs hat mehrere Ziele, die meisten davon liegen unausgesprochen vor mir. Sicher geht es auch darum, gegen das Vergessen anzurennen, festzuhalten, was war bzw. hätte sein sollen. Und was sollte heute sein, an diesem grauen Vormittag eines gewöhnlichen kühl-regnerischen Samstags im April? Ganz ehrlich weiss ich es nicht. Ich bin in mentaler Hinsicht zeitweise undiszipliniert, meine Wünsche bzw. inneren Bilder pendeln zwischen Abflughallen und nordischen Meeresstränden, zwischen Wäldern im Norden Frankreichs und dem Hochgebirge im Engadin.

Die Zeit: ein knappes Gut. Und unbarmherzig in seinem Tempo. Ich nehme ein Fotoalbum hervor - auch eine Art Tagebuch, nur dass es bebildert ist.
1986 (zum Beispiel). War das nicht eben gestern? Ostberlin. Mauer. Manfred im Palast der Republik, lächelnd und überzeugt von dem, was er mir erzählt. Prenzlauer Berg. Später Weimar.
1988 (zum Beispiel). Kalifornien. Nappa Valley. Grand Canyon. Nevada. Und später auch Hawaii.
.......
.......
Wo ist die Zeit geblieben? Kaum etwas erlebt, findet es Eingang in ein Fotoalbum. Erinnerungen werden archiviert, festgehalten, um sich später (was heisst das schon) wiederum daran zu erinnern, wie es war. Oder wie wir es uns denken, wie es damals war oder hätte sein können. Erinnerungen als Tankstelle für die mitunter ungelebte Gegenwart, die da wäre: Haushalt besorgen, einkaufen, Mutter besuchen, lesen. Abends im Stadttheater. Besuch. Rotwein. Und dazwischen immer wieder Bilder, unstrukturiert, ich als Kind (zum Beispiel) oder später am Herumkraxeln auf dem Half Dome. Was für ein Aufstieg, damals. 

1 Kommentar:

  1. Gerade die Erinerungen sind es, die uns ein Leben lang begleiten. Die guten und die weniger guten. es ist nicht so, dass man das Hässliche vergisst. Ganz und gar nicht. Sie gehören auch zu unserem Leben wie das tägliche Brot.
    Einen guten Start ins Wochenende wünscht Dir
    Irmi

    AntwortenLöschen