Samstag, 30. Juli 2011

Zu später Stunde

Mitternacht. Die Stadt schläft bereits, jedenfalls höre ich weit und breit nichts, nur von Ferne die vorbeifahrenden (Güter)züge. Die Luft angenehm frisch. Kein Lichtermeer ist zu sehen, gut so, wir sind hier nicht in New York. Es kommt vor, dass ich in solchen Momenten der Ruhe spätabends gerne bei einem Gläschen Kirsch über die vergangenen Tage bzw. Wochen nachdenke: was war gut, was war weniger gut? Gab es Situationen, die ich als mühsam bzw. als schön empfand, und warum? Was hätte ich besser tun können, wo habe ich versagt? Nicht immer habe ich Antworten auf meine Fragen. Oft zögere ich mit Bewertungen. Ich kann in meinen Gedanken bei Details verharren oder mich in Tagträumereien verlieren. Eine Marotte von mir ist, gewisse Erlebnisse immer wieder Revue passieren zu lassen, zum Beispiel einen schönen Nachmittag in Zweisamkeit. So sehe ich mich etwa auf der Sitzbank warten auf dem grossen Platz im Zentrum der Stadt, Samstag, 1230 Uhr, so lautete unsere Abmachung. In solchen Momenten des Innehaltens verspüre ich nicht selten eine melancholische Stimmung, die Wehmut aufkommen lässt. Auch der feine Kirsch vermag in dieser Situation (gottlob) keinen Trost zu spenden.

1 Kommentar:

  1. Trost
    Tröste dich, die Stunden eilen,
    Und was all dich drücken mag,
    Auch die schlimmste kann nicht weilen,
    Und es kommt ein andrer Tag.
    In dem ew’gen Kommen, Schwinden,
    Wie der Schmerz liegt auch das Glück,
    Und auch heitre Bilder finden
    Ihren Weg zu dir zurück.
    Harre, hoffe. Nicht vergebens
    zählest du der Stunden Schlag:
    Wechsel ist das Los des Lebens,
    Und - es kommt ein andrer Tag.
    Theodor Fontane

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