Dienstag, 12. Juli 2011

Kein Held des Abschiednehmens

Ich bin kein Held des Abschiednehmens. Ich spreche nicht vom grossen, mitunter definitiven Abschiednehmen (etwa von einem geliebten Menschen), sondern vom kleinen, temporären Abschiednehmen da und dort im Alltag. Ich möchte oftmals im Moment verharren, um den Augenblick zur Ewigkeit werden zu lassen. Zusehends werde ich süchtig nach der puren Gegenwart, die nichts anderes zulässt, und sei dies in Form eines schier unendlich langen Betrachtens eines tosenden Wasserfalls in den Bergen. Als ob ich dadurch der Vergänglichkeit ein Schnippchen schlagen könnte.

Heute bin ich ohnehin gereizt. Ich fluche beim Ausräumen des Geschirrspülers, weil einzelne Tassen nicht sauber sind. Solches würde mich normalerweise nicht in Rage versetzen, meine Reaktionen überraschen mich. Ich mache das Wetter hierzu verantwortlich (aktuell 32 Grad), das ist nicht mein Ding. Ich schwitze an den Händen, ich schwitze am Nacken, die Kleider kleben förmlich am Körper fest. Jetzt, da meine Tochter für kurze Zeit bei Verwandten in den Ferien ist, habe ich Fluchtgedanken. Ich sehne mich nach der Atmosphäre von angenehm klimatisierten Flughafenhallen und aktuellen Durchsagen am Bahnhof bezüglich irgendwelchen Zugsverspätungen oder Gleisänderungen. Nun bin ich wieder in diesem mir bekannten Gefühl angekommen: ich möchte am liebsten weg sein, und bleib am liebsten hier (Biermann).

4 Kommentare:

  1. Hey Peter, ich lese gerade "mein Name sei Gantenbein" von Max Frisch. Dies dir zur Kenntnis in Anbetracht deiner aktuellen Lektüre. Max Frisch lese ich das erste Mal.

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  2. Ich kenne das. Wenn Herr P. länger weg ist, ohne dass ich andere Pläne gemacht habe, verliere ich manchmal ein bisschen die Orientierung. Das Regelwerk, dass er mir gibt, an das habe ich mich schon so gewöhnt, dass ich es innerlich fast ein bisschen planen muss, wenn es wegfällt.

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  3. Lieber Notos, viel Spass bei der Lektüre! Den Gantenbein werde ich demnächst wieder zur Hand nehmen. Ich mag es sehr, weil die Fragen nach der eigenen Identität radikal und konsequent zur Sprache kommen.

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  4. Liebe Mayarosa
    Je planmässiger die Menschen vorgehen, umso mehr vermag sie der Zufall zu treffen :-)
    (Friedrich Dürrenmatt)

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