Sonntag, 19. Juni 2011

Im Rückflug

Die Wahrheit kann man nicht beschreiben, nur erfinden
Max Frisch

Rückflug aus den Ferien, LX 3340, Destination Zürich. Sitz 2 F (Fensterplatz). Der Rückflug dauert gut drei Sunden, also ist genügend Zeit da, um über die verstrichene Woche am Meer nachzudenken. Folgendes hat er für sich notiert (nicht abschliessende Liste):

// aufgesetzte Zweisamkeit potenziert die eigene Einsamkeit beinahe ins Unerträgliche // intensive Nähe ist auf Dauer nur mit einem Menschen erträglich, den man umfassend liebt // Asymmetrien in Beziehungen (namentlich in intellektueller Hinsicht) machen einsam // wer den Humor des Partners nicht versteht, versteht ihn per se als Menschen nicht // Sex allein ist banal und bloss kurzfristig befriedigend //

Am Strand oder unterwegs auf der Insel erzählt er Geschichten über das Land und erwartet, dass sie vom Gegenüber fortgesetzt würden, ganz im Sinne eines dialektisch angelegten Dialogs. Das geschieht aber selten, nein, eigentlich nie. Er weiss, dass seine Erwartungen zu hoch gesteckt sind. Er versucht, ganz im Hier und Jetzt zu sein. Er nimmt unterschiedlichste Duftnoten wahr, deren Herkunft er nicht immer kennt. Armut ist hier nicht zu sehen, aber Bescheidenheit. Dies hier ist nicht Südfrankreich.

Abends ein gemütliches Essen, aber bitte ohne aufgesetzte Folklore. Bei diesen Temperaturen mag er keinen Alkohol trinken. Er hört die Brandung, spürt die warme Luft auf seiner Haut. Glücklicherweise ist das hier kein Rummelplatz, kein Partyvolk bevölkert die Insel. Wenn Landsleute an den Nebentischen sitzen, vermeidet er jeglichen Kontakt mit ihnen. Er kann mit seinem Gegenüber gut schweigen, wenn es die Situation verlangt oder weil es augenblicklich schlicht nichts zu sagen gibt. Aber er vermisst jenes vertraute Schweigen, das letztlich mehr beinhalten kann als manches Gespräch, das an der Oberfläche stecken bleibt.

Er will und braucht Distanz, weil er zu viel Nähe erfährt.
Ob er bindungsunfähig ist, kann er (noch) nicht restlos beantworten.

Wie viele Kompromisse -Lebenskompromisse- sind dem Menschen zumutbar?

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