Sonntag, 18. Juli 2010

Vernunftehe

Irgendwann, so lautet eine gängige These (und die sich empirisch auch durchaus belegen lässt), wird aus einer Liebesbeziehung eine "normale" Beziehung, die sich dem Alltag stellen muss. Dann, wenn dieses Stadium erreicht ist, arrangiert man sich gegenseitig. Der Alltag wirkt zeitweise zermürbend, die Erotik bleibt eh auf der Strecke, beide haben ihre Pflichten zu erfüllen. Alltag halt. Von Romantik bleibt da nicht mehr viel übrig.

Wenn dem so ist, so müsste man sich konsequenterweise für eine sog. Vernunftehe bzw. Vernunftpartnerschaft aussprechen. Demnach ginge es in erster Linie wohl darum, von Beginn einer Partnerschaft an nach dem Optimum zu suchen, ganz im Sinne der ökonomischen Maximierung. Wenn ich dies auf meine Situation übertrage müsste ich also nach einer Frau Ausschau halten, die ein etwa gleichaltriges Kind hat wie ich (damit die Kinder schön zusammen spielen und aufwachsen können), die ähnliche Interessen hat wie ich und das Leben aus einer ähnlichen Perspektive betrachtet. Natürlich wären beide auch daran interessiert, eine gemeinsame ökonomische Basis zu haben. Emotional müsste man sich nicht gross verstehen, und körperliche Anziehungskraft wäre sekundär. Diese würde sich allenfalls mit der Zeit einstellen, weil, ganz pragmatisch gedacht, beide halt auch ihre diesbezüglichen Bedürfnisse haben, und die würde man wohl zwei mal wöchentlich ausleben, einem mechanischen Akt gleich. Aber da wäre kein Feuer, keine Leidenschaft, keinerlei Begierden, kein Berühren des Herzens und der Seele, nichts. Und wenn der eine geht, wird seine Wärme, wenn sie überhaupt da ist, nicht vermisst.

Und genau hier, an diesem Punkt, werden mir die Anhänger der Vernunftehe sagen: eben, genau dort wirst du ohnehin mal ankommen, Romantik und Leidenschaft hin oder her.

Im Ernst: das kann es ja wohl nicht sein. Ich könnte mich nicht dazu überwinden, eine Beziehung primär aufgrund rational-ökonomischer Gründe einzugehen und diese während Jahrzehnten (!) zu leben. Vermutlich bin ich ein hoffnungsloser Fall, indem ich immer noch an die romantische Liebesbeziehung glaube.

Oder habe ich etwas Wesentliches übersehen?

2 Kommentare:

  1. Och, geht schon, ob das Wort "Vernunft" die richtige Beschreibung für eine solche Beziehung ist mögen die jeweiligen Partner entscheiden.
    Ob es die ewige, große Liebe gibt ???
    Denke man muss sich erst selbst lieben können.
    http://nixzen.wordpress.com/sieben/
    Aber wenn die jeweiligen Partner mit der jeweiligen Situation zufrieden sind ist es OK.
    Häufig sind unsere eigenen Ängste und Spiegelungen eine interessante Form von Unvernunft.

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  2. Naja, Liebe ist ein Gefühl, Ehe ein Vertrag. Insofern kann, aber muss nicht beides zusammenkommen.
    Ich brauche kein Papier, das mir sagt, wen ich liebe. Das weiß ich auch so. Für die Liebe muss ich also nicht heiraten. Trotzdem kann eine Ehe klug sein, nämlich dann, wenn man die gemeinsame Verantwortung rechtssicher festlegen möchte. Eine Ehevertrag ist, wie es das Wort schon sagt, ein Vertrag über ein gemeinsames Familienunternehmen. Verheiratete haben Rechte und Pflichten, die Nichtverheiratete nicht haben. Im Grunde sowas wie eine Privat-GbR. Es ist natürlich schön, wenn Liebe und Ehe zusammenkommen. Aber wenn Leute Lebenskonzepte haben, in denen sie aus anderen Gründen heiraten, ist das auch o.k. Muss ja jeder selber wissen.

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