Montag, 12. Juli 2010

Das Altersheim

Einmal mehr erwische ich mich in meinem undisziplinierten Denken. Wie angeschossen bin ich heute Abend mental im Altersheim gelandet. Ohne ersichtlichen Grund werden Bilder vor meinem geistigen Auge aktiviert:

Ich sehe ein kleines Zimmer in einem Altersheim. Links das Bett, rechts davon das kleine Lavabo. Es hat noch Platz für einen kleinen Sessel und einen Minitisch im Zimmer. Dann eine Stehlampe und ein TV-Gerät. Neben dem Bett ein schmaler Nachttisch. Und genau hier bin ich in meinen Gedanken gelandet, nicht heute, nicht morgen, aber halt dann, wenn es soweit ist. Wann mag das sein? Das Bild lässt mich nicht mehr los, ich sehe mich genau in einem solchen Zimmer, einsam, gewissermassen verlassen von allen guten Geistern. Vielleicht ab und zu ein Besuch, na ja, meine Tochter wird wohl sporadisch vorbei kommen. Und sonst: der Freund x, der ehemalige Arbeitskollege y, und sonst: nichts. Leere. Frühstück ist stets um 0830, Mittagessen Punkt 1200, Abendessen 1730. Und es gibt immer zwei Menüs zur Auswahl. Mittwochs ist Bewegungstag, Donnerstag kommt ein Clown vorbei und spielt mit seinen Hunden. Einmal im Monat werden alte Lieder gespielt, und am 1. August kommt ein Mann mit seinem Alphorn vorbei. Schlimm sind vor allem die Wochenenden und die Feiertage, die sind halt voller Erinnerungen. Und lesen geht auch nicht mehr so gut. Und das Gehen bereitet zusehends Mühe. Eine weitere Reise nach Berlin oder Paris ist jetzt realistischerweise nicht mehr denkbar. Man muss dann halt von seinen Erinnerungen leben.

Und zwischen all diesen Tagen und Stationen gibt es nur noch eine Gewissheit: dass man hier letztlich auf das Sterben wartet. Wenn einer im Altersheim gestorben ist, wird der Sarg halt unten durch den Eingangsbereich weggetragen. So wird man immer wieder daran erinnert, warum man eigentlich da ist.

Mein Gegengift zu solch destruktivem Denken: ich denke an meine Mutter. Sie ist 86. Und sie ist nicht im Altersheim, sie wohnt noch bei sich zu Hause. Sie denkt oftmals an ihren verstorbenen Mann, an "damals", wie es so war. Alte Geschichten halt, aber von denen zehrt sie.

Und ich will nicht an Altersheime denken. Ich will daran denken, was mir aktuell gut tut. Wenn ich mich darauf konzentriere, geht es ein wenig besser. Vermutlich werde ich auf diese Weise besser einschlafen können. Das Schreiben hat auch geholfen, es war wie Dampf ablassen.

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