Donnerstag, 27. Mai 2010

Im Labyrinth

Ich sitze in meinem Büro und komme eben von einer einstündigen Besprechung zurück. Was ich dabei fühlte: profundes Desinteresse, aber auch: mangelnde Konzentration. Was sehe ich um mich: da wäre zum einen der Platzregen, der sich über die Stadt ergiesst. Ein befreiendes Gefühl. Im weiteren: eine offene Bürotüre, ich höre meine Kollegen und Kolleginnen, wie sie telefonieren, irgendwelche Unterlagen auf den Kopierer legen, auf dem Computer arbeiten, einer monotonen, trostlosen Melodie gleich, die mich abzulenken vermag. Dabei müsste ich einen wenn auch kleinen Bericht lesen, an dem ich auch mitgearbeitet habe. Im weiteren habe ich vor einiger Zeit eine Einladung bzw. eine Anfrage erhalten, einen Workshop in Strassburg zu leiten. Allein der Gedanke, dies tun zu müssen, beelendet mich: die Vorbereitungen, die Anreise, die Durchführung, die Fachgespräche, dann der smalltalk, Mittagessen, Abendessen, wieder Gespräche, Bezug des Hotelzimmers - um spätestens dort die geballte Leere (oder sollte ich von Ekel sprechen?) in all ihrer Wucht zu spüren. Ich beobachte mich, wie ich mich mental im Kreis bewege.

Ich sehe mir die Zeichnungen meiner Tochter an: Prinzessinnen, Fische, Berge, dann einen Regenbogen, Sonne, Mond, ein Krokodil, zwei Giraffen, Pflanzen, ein Vogel. Ferner sehe ich mir die vielen Akten an, die in meinem Büro gelagert sind. säuberlich gestapelt, teilweise auch chaotisch angeordnet. Bald ist Mittagspause, ich werde durch die Stadt laufen, ohne Ziel, ich werde mich treiben lassen und schauen, wohin mich die Reise hinführt: Altstadt? Vielleicht. Oder an den Fluss? Auch möglich. Buchhandlung? Wahrscheinlich schon. Appetit? Nein.

Das Gefühl, mitten im Labyrinth zu sein, stellt sich ein. Es nimmt mich auf und lässt mich -folgerichtig- im Ungewissen. Ich lasse das Gefühl bewusst zu, ich unterdrücke es nicht, ich will mich ihm stellen. Meine Unrast treibt mich an. Ich muss aufstehen und gehen. Als Vater weiss ich, dass ich wieder zurück kommen muss.

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