Montag, 5. April 2010

Max Frisch


Aus dem Ausflug wurde heute nichts, meine Tochter ist ziemlich schnell krank geworden, nichts Dramatisches, eine Erkältung, Fieberschub, sie schläft tief und fest, bereits heute Nachmittag konnte sie ihren Heilschlaf antreten - das gab mir die Möglichkeit, wieder einmal alte Bücher zur Hand zu nehmen, so zum Beispiel jene von Max Frisch.

Ich lese Frisch seit rund 30 Jahren, als Jugendlicher, ja Halbwüchsiger habe ich angefangen, seine Bücher zu lesen, damals natürlich mit ganz anderen Augen, vieles verstand ich gar nicht, war nicht fähig, zwischen den Zeilen zu lesen, die Symbolkraft hatte ich auch nicht kapiert, ich war für diese Literatur wohl zu jung. Aber ich mochte seine Romane trotzdem, allen voran Homo Faber. Mich faszinierte seine Fähigkeit, Begegnungen und Ereignisse haarscharf zu beschreiben, Stimmungen zu schaffen, mit der Sprache zu spielen und eine abgerundete Geschichte zu erzählen.

So habe ich heute Nachmittag Homo Faber wieder zur Hand genommen, jene Geschichte des Ingenieurs Faber, der glaubt, die Welt allein durch die Ratio erfassen zu können ("warum Mystik? Mathematik genügt mir"). An Zufall oder Fügung glaubt er nicht, das wäre unwissenschaftlich, vielmehr glaubt er an Statistik, Wahrscheinlichkeitsrechnungen und Korrelationen. Und dieser Faber lernt auf einer Reise eine junge Frau kennen, Sabeth, von der er nicht weiss, dass es seine Tochter ist, vielmehr glaubte er irrtümlicherweise, seine damalige Partnerin Hanna hätte das Kind abgetrieben, aber es kam anders. Und er verliebt sich in diese junge Frau, nichts ahnend, später kommt es zu einem Unfall, die junge Frau stürzt und erliegt später ihren Verletzungen im Spital, er, Faber, erfährt nun von seiner damaligen Partnerin, die er 20 Jahre lang nie wieder mehr sah, dass Sabeth seine Tochter gewesen sei, und zu allem Überdruss muss er auch noch etwas später in Erfahrung bringen, dass er todkrank ist und bald sterben muss.

Ich habe den Roman mit Genuss wieder gelesen, wieder entdeckt, viele Passagen haben mich berührt, Beobachtungen, feine Andeutungen, Fragen an das Leben...was ich bei Frisch mag: seine Schnörkellosigkeit, menschliche Begegnungen aufs Wesentliche zu reduzieren: "Ich wagte nicht zu fragen: was machen Sie heute Abend? Ich wusste immer weniger, was für ein Mädchen sie eigentlich war. Unbekümmert in welchem Sinn? Vielleicht liess sie sich wirklich von jedem Mann einladen, eine Vorstellung, die mich nicht entrüstete, aber eifersüchtig machte, geradezu sentimental" (Werkausgabe Suhrkamp, 1976, Band IV I, Homo Faber, S. 101).

2 Kommentare:

  1. Lieber Peter,

    ich weiß nicht, ob du weißt, das ich Bibliothekarin bin, aber Frisch gehört auch privat zu meinen Lieblingen...

    Deiner Tochter unbedingt schnell gute Besserung!!!

    herzlich, Rachel

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  2. Nein, das wusste ich nicht. Ich freue mich schon, das postum veröffentlichte dritte Tagebuch zu lesen, morgen endlich kann ich mein Exemplar im Buchladen abholen. Heute war wieder alles ausverkauft !
    Herzliche Grüsse
    Peter

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