Donnerstag, 27. Februar 2014

Von der Biografie

Am Anfang einer neuen Beziehung ist das Wissen über das Gegenüber noch sehr klein: Schritt für Schritt lernt man ihn kennen. Dieser Erfahrungsschatz erweitert sich naturgemäss, je mehr das Paar in Situationen gerät, die auch aussergewöhnlichen Charakter annehmen können. Doch wie soll man mit der sog. Vergangenheit umgehen? Wie weit ist man bereit, seinen Rucksack, den man mit sich trägt, zu öffnen?

Die eine Variante mag darin liegen zu argumentieren: ich möchte lieber nicht "zu viel" wissen über die Vergangenheit meines Partners, denn was vergangen ist, ist vergangen. Daran glaube ich nicht. Denn Vergangenheit ist nie gänzlich abgeschlossen. Um zu verstehen, warum jemand ist, wie er ist, muss man seine Vergangenheit kennen. Sinngemäss gilt das auch für das Verstehen einer Gesellschaft und ihrer Geschichte.

Ich will gerne wissen, wie mein Gegenüber "früher" war: je mehr ich darüber weiss, umso besser. Auch wenn die jeweiligen Geschichten bzw. Erfahrungen, die mit ihnen verknüpft sind, weit zurückliegen: sie sind fester Bestandteil der Biografie, der nicht zu leugnen ist. Andere mögen einwenden: bloss nicht zu viel wissen! Dieser Einwand kommt interessanterweise häufig im Zusammenhang mit dem erlebten Liebesleben zum Tragen, indem die Vergangenheit des einen die Eifersucht des anderen im Hier und Jetzt hervorrufen kann. Dagegen bin ich auch nicht vollumfänglich gefeit. Vielleicht hat dies auch mit überbordender Phantasie zu tun, wonach eine angeblich längst verflossene Liebe des Partners sehr wohl noch präsent sein mag.

Trotzdem will ich die Biografie meines Gegenübers kennen, einschliesslich ihrer Brüche und Abgründe. Und ich bin bereit, meinen Rucksack ebenso weit zu öffnen. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen