Sonntag, 27. Januar 2013

Tanzen auf Beton

Den Zustand des Kleinkindes jenseits der Sprache wieder erreicht, keine Worte mehr zu haben, das ist das Glück. Darum strebt alle Kunst danach, wie Musik zu sein: weil Musik mit ihrer Struktur deutlich als etwas Menschgemachtes zu erkennen, zugleich aber jenseits der Worte ist.

Diese Bemerkung von Iris Hanika, wie beiläufig notiert, entspringt meiner Meinung nach einer tiefen Wahrheit. Worte, Sätze, ganze Abhandlungen haben ihre Grenzen, die nur Musik sprengen kann. Und Iris Hanika weiss, wovon sie spricht, wenn man ihren Roman "Tanzen auf Beton" liest. Nicht, dass ihre Sprache versagen würde. Aber das Unaussprechliche lässt sich trotz intensiver Selbstbefragung letztlich nicht mit absoluter Sicherheit auf den Punkt bringen, doch immerhin erahnen, sie, die während Jahren eine sogenannte Affäre mit einem verheirateten Mann hatte, und dabei dennoch nie so etwas wie einen kleinen Moment des Glücks erlebte. Der Sex war eindimensional, einseitig und von Routine geprägt - und mehr als dies gab es in dieser Beziehung nicht. Aus dem anfänglichen Abenteuer entwickelten sich bald und schnell banale Begegnungen -die kaum länger als zwei Stunden dauerten - der oberflächlichen Art. Erstaunlich, dass sie es dennoch so lange aushielt: "es fanden keine weiblichen Orgasmen statt, weder klitorale noch vaginale. So gut wie keine. In fünf Jahren vielleicht drei; wirklich erinnern kann ich mich allerdings nur an einen". Und schreibend sucht sie nach Antworten auf diese einseitige Affäre, die im Grunde der Dinge gar keine war. Sie sucht und schreibt sich frei. Und indem sie dies tut, kommt sie sich näher und lotet ihre Widersprüche und Ängste meisterhaft aus.

Noch muss ich das Buch zu Ende lesen, aber ich weiss schon jetzt: es ist ein Buch voller kluger Fundstellen, verpackt in einer präzisen Sprache der feinen Beobachtungen.
Ein tolles Buch.

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