Donnerstag, 18. Oktober 2012

Verzweifelt auf der Suche nach Liebe

Man stelle sich folgende Geschichte vor:

Eine Frau, 47 Jahre alt, alleinstehend, lernt auf einer Internetplattform einen Mann aus Südafrika, wie er erklärte, kennen. Sie nimmt mit ihm Kontakt auf, worauf sich bald ein intensiver Mail-Austausch entwickelt. Er liebe sie, schreibt er kurz nach der ersten Kontaktaufnahme, und wiederholt dies gebetsmühlenartig. Und ja, er wolle sie heiraten.

Die Frau glaubt ihm und will ihn bald sehen. Da teilt ihr der Mann mit, er brauche dringend Geld für seine kranke Mutter. 5'000 Euro wären schön. Und sie schickt ihm dieses Geld ohne lang zu zögern, worauf er sich überschwänglich bedankt. Wenige Tage später bittet er um nochmalige Überweisung, dieses Mal sollten es 8'000 Euro sein, er brauche das Geld, weil ihn die Polizei bedrohe und er sich einen Anwalt leisten müsse. Die Frau zögert wiederum nicht und rundet den Betrag grosszügig auf 10'000 Euro auf.

Und danach war Funkstille.
Kein Besuch aus Südafrika, keine Heirat, nichts.
Dafür ein Verlust von 15'000 Euro.
Und ein abruptes, ja brutales Ende einer gigantischen Illusion.

Wohlgemerkt: dies hier ist keine Kopfgeburt meiner Phantasie. Diese Geschichte trug sich vor wenigen Wochen real zu - nicht irgendwo, sondern in meiner näheren Umgebung. Als ich davon hörte, war ich schlicht sprachlos. Wie verzweifelt muss ein Mensch sein, dass er sich auf solche Täuschungen einlässt? Oder naiv, grenzenlos naiv. Die Frau sprach unmittelbar nach der ersten virtuellen Kontaktaufnahme gar davon, dass sie "in einer Beziehung" lebe. Sie glaubte fest daran, dass dieser Südafrikaner -er kann ebenso gut aus den USA stammen oder aus einem Provinznest in Deutschland oder woher auch immer- sie tatsächlich heiraten wolle. Sie haben doch so oft auch per Skype miteinander diskutiert, sich ausgetauscht und geturtelt, bis die Leitungen zu glühen begannen.

Stattdessen: ein halbwegs ausgeplündertes Konto.
In der Zwischenzeit ist die Frau erwacht.
Und ist daran, diese groteske Episode zu verarbeiten.
Was soll man da sonst noch sagen? 

1 Kommentar:

  1. Das Label "Einsamkeit" sagt eigentlich schon alles aus.
    Das Internet suggeriert Kontakt, Nähe, wo eigentlich keine ist. Ich kann die Frau gut verstehen. Ich hatte auch eine Phase, in der ich durchaus in Gefahr war, diese virtuellen Flirts ernst zu nehmen.
    Ich habe in der Zwischenzeit von vielen solchen Fällen gehört (aus jedem Alter und jedem Geschlecht) und frage mich, in was für einer Gesellschaft wir leben, dass Menschen tatsächlich virtuelle Kontakte als Ersatz für ein Sozialleben nehmen. Wie gross muss die Einsamkeit sein? Wie gross die Verzweiflung?

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