Samstag, 28. Juli 2012

Langeweile

Warum haben wir keine Zeit? Inwiefern wollen wir keine Zeit verlieren? Weil wir sie brauchen und verwenden wollen. Wofür? Für unsere alltäglichen Beschäftigungen, deren Sklaven wir längst geworden sind. [. . .] Am Ende ist dieses Keine-Zeit-Haben eine grössere Verlorenheit des Selbst als jenes Sich-Zeit-lassende-Zeit-Verschwenden.
Martin Heidegger (die Grundbegriffe der Metaphysik)


In letzter Zeit bewege ich mich nicht mehr so sehr im Kreis wie auch schon. Und ich entdecke je länger je mehr die Vorzüge der Langeweile, der wir so sehr aus dem Weg gehen wollen. Dabei ginge es gerade in Zeiten des Urlaubs darum, ihr vermehrt nachzuspüren und damit ganz gegenwärtig zu sein. Die Langeweile führt uns zu jenem Punkt, der, ganz befreit von der Vergangenheit, sich nicht von der Zukunft (die ohnehin ein Konstrukt ist) einnehmen lässt. Durch das Zulassen der Langeweile kommen wir unseren innersten Bedürfnissen näher, da wir, frei von Aktionismus, einfach nur da sein können, ganz im Sinne Nietzsches des zweckfreien Wartens auf Nichts.
Ich spüre an meinen Füssen das Wasser des Bergsees und spiele mit den Steinchen, die ich vorfinde. Ich denke an nichts und niemanden (und wenn doch Bilder hochkommen, lasse ich sie einfach vorbeiziehen), nicht an gestern, nicht an morgen und bin zumindest in jenem Moment frei von Sehnsüchten, Melancholie oder Illusionen. Die Zeit bleibt für einen Augenblick buchstäblich stehen, weil sie nicht instrumentalisiert, sprich keinem bestimmten Zweck (im Sinne einer wie auch immer gearteten Kosten/Nutzen-Optimierung) zugeführt wird. 

Ich atme und bin. 
Nicht mehr und nicht weniger. 

1 Kommentar:

  1. Hallo Peter,
    solche Augeblicke sehne ich auch herbei, dass mein Kopf vollkommen frei ist. Dann verspüre ich weder Langeweile noch irgendeinen Zeitdruck. Der Augenblick ist dann zum Greifen nah ...

    Schönen Tag
    Dieter

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