Donnerstag, 3. November 2011

Hände, die sich berühren (V)

Sie haben ein gemeinsames Zeitfenster gefunden und gehen zusammen entlang eines Waldbaches spazieren. Es dunkelt bereits ein. Sie sprechen über alles Mögliche, dann und wann auch über sich, aber sie tun dies in allgemeiner Form, also immer abstrakt und nicht individuell-konkret. Beide spüren, dass sie sich gegenseitig beschnuppern und tun doch so, als gehe es hier um eine Talkrunde, um eine lockere Kaffee- und Kuchenrunde, bei der sie dabei bloss eine beobachtende Rolle einnehmen. Als es ganz eindunkelt, wagt er es, sie sanft bei der Hand zu nehmen, was sie, für einen Moment, mit Wohlwollen quittiert und sich leicht an ihn schmiegt. Nun schweigen sie und gehen zügigen Schrittes weiter.

Später beim Italiener führen sie ihre Diskussionen fort und schauen sich jeweils nur kurz tief in die Augen. Beide, so scheint es, haben Angst, vom anderen ertappt zu werden, doch ertappt wobei? Dass sie sich mögen? Und doch wagen sie es nicht, es zu zeigen, höchstens ansatzweise, dann aber schlägt die Distanz zwischen ihnen umso wuchtiger zu.

Noch später, als er sie zu sich nach Hause einlädt, damit sie bei ihm übernachten kann (die Züge fuhren längst nicht mehr), sprechen sie weiter und weiter. Das Gästezimmer ist bereitgestellt. Er wagt es nicht, sich ihr anzunähern, so sehr er sich auch eine gemeiname Nacht mit ihr wünscht.

Später wird er erfahren, dass sein Wunsch auf Gegenseitigkeit beruht hätte.

4 Kommentare:

  1. Nur so ein Zwischengedanke....

    Wer weiss, ob es nicht gerade s e i n e Zurückhaltung war, die bei i h r den Wunsch nach Sex wach werden liess. Und ob dieser Wunsch bei i h r gar nicht wach geworden wäre, hätte e r sich entschlossener gezeigt.

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  2. Nöhhh Herr Castorp.

    Sie hätte so oder so sooooviel Lust auf ihn gehabt...!
    Aber die beiden reden einfach viel zuviel.

    Aus lauter Angst? Vor dem erotischen Schweigen?

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  3. @anonym: subtile Einschätzung. Ja, die beiden reden zu viel, zu intellektuell unterwegs, sie lassen die erotische Spannung nicht zu. Wie lange noch? Ich bin selber gespannt und schaue mal, wie sich meine Hände über die Tasten des Laptops bewegen und daraus die Fortsetzung der Geschichte schreiben werden.

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  4. Am besten macht du es jetzt so! Die beiden gestehen sich ein, dass sie gar keinen akademischen Titel haben, dass sie einander nur imponieren oder sich hinter dem Intellekt verstecken wollten. Weil wenn du ihnen den Titel lässt kann es sein, dass sie nachher auch keinen freien herrlichen Sex haben miteinander....ähhhh, oder meine Vorstellung reicht dazu nicht aus.

    Oder du lässt ihnen die Titel... er nimmt all seinen Herzensmut zusammen und schreibt ihr über ihre feinen erotischen Stunden. Schreibt ihr von Hand einen Brief. Nimmt alle zärtlichen Buchstaben und schreibt wie gerne und fein er ihre Brüste streicheln würde...

    Vielleicht schreibt sie ihm ja zurück?
    Danach werden sie garantiert nicht mehr reden wollen.

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