Samstag, 24. September 2011

Von Lügen und Schweigen

Ich habe es mir heute Nachmittag auf der Terrasse ganz bequem eingerichtet. Sonnenschein pur. Ein kleines Lüftchen weht, ich lese Bücher, Zeitungen und allerlei Klatsch kreuz und quer durcheinander. Das tue ich gern. wenn ich mich auf ein bestimmtes Buch bzw. Thema nicht allzu sehr konzentrieren kann.

Bevor ich meine Joggingrunde drehe, lese ich gerade etwas über "Kommunikationsprobleme in Ehen". Die Kommunikation in Ehen, so liest man hier, sei nach wie vor verstockt. Weil man sein Gegenüber nicht verletzen wolle, lüge man lieber, oder spreche nicht das aus, was man eigentlich möchte. Aber aus Scham oder Bequemlichkeit oder Angst oder gar aus Liebe schweige man halt lieber oder lüge etwas zusammen. Und was würden denn die Eheleute einander gerne sagen, wenn sie es denn täten? Hier ein kleiner Auszug (ich wähle jene Sätze bzw. Geständnisse aus, die ich in einem gewissen Sinne rührend oder auch besonders komisch-tragisch finde) nicht ausgesprochener, sondern nur gedachter Sätze:
  • ich freue mich, wenn mein Mann sagt, er müsse noch arbeiten oder er wolle einen Film schauen und ich allein ins Bett kann.
  • mein Mann ist wahnsinnig rücksichtsvoll im Bett, sehr zärtlich, mit vielen Küssen. Und er fragt ständig, ob es schön für mich sei. Dabei will ich doch wieder mal hart rangenommen werden.
  • irgendwie glaube ich, dass da noch etwas Besseres kommt.
  • mein Mann ist ein guter Vater, so pflichtbewusst, nachsichtig, total unerotisch. Ich könnt kotzen, wenn ich ihn sehe, wie er unserem Sohn Brei in den Mund schiebt.
  • Wenn ich abends mit einer Frau etwas trinken gehe, lüge ich meine Frau an und sage, es sei ein Mann, weil ich keine Lust habe auf ein Theater.
  • wenn wir alleine sind, wissen wir gar nicht mehr, was wir miteinander anfangen sollen.
  • wenn ich alleine bin, trinke ich Latte macchiato und esse Kuchen.
  • ich würde meine Frau gerne fragen, ob sie sich tatsächlich vorstellt, bis ans Ende ihres Lebens nur noch mit mir Sex haben zu wollen. Ich traue mich aber nicht.
  • Ich habe einen Geheimcode für das Handy und den Laptop. Ich erzähle meiner Frau, dass ich das tue im Falle eines Diebstahls. Tatsächlich ist es zum Schutz meiner Privatsphäre vor meiner Frau. Ich merke auch, wenn sie rüber schielt, wenn ich den Code eingebe.
Und so weiter.

Und ich fühle mich ertappt.
Weil ich auch meine kleinen Lügen parat habe, obwohl ich nicht mit jener Frau verheiratet bin.

Kleine Lügen des Alltags.

Ich denke, dass der (Ehe)partner / partnerin kein Beichtstuhl aus Fleisch und Blut ist. Kleine und grössere Geheimnisse gehören zum Menschsein. Gewiss, Probleme sollen angesprochen werden. Doch ein jeder braucht auch seine Freiräume, seine Phantasien und letztlich seine (kleinen) Fluchten aus dem Alltag. Es gilt, eine Balance zwischen "Wahrheit" und "gelebter Autonomie" zu finden - jeder und jede wird hier naturgemäss eine andere Gewichtung vornehmen.

2 Kommentare:

  1. Offenheit, Vertrauen und Ehrlichkeit stehen für mich an oberster Stelle, was aber nicht zwangsläufig heißt, dass ich nicht auch eine "kleine Privatatmosphäre" brauche und auch habe und sie meinem Manne ebenso zugestehe ... zwei sehr unterschiedliche Menschen, die über Jahrzehnte vielleicht zusammen bleiben, müssen diese Phasen des Zurruhekommens einfach haben ... gemeinsame Stunden sind schön, gemeinsam Erlebtes wunderb are Erinnerungen, aber die Stunden des Sich-zurück-ziehens bringen dann die Gedanken zur Ruhe und entspannen, entspannen für weitere Gemeinsamkeiten ... Dir einen schönen Sonntag ... herzlichst Ursa

    AntwortenLöschen
  2. Danke für Deine Bemerkungen! Und auch Dir einen guten Sonntag - mit einer Prise Privatsphäre versehen...

    AntwortenLöschen