Donnerstag, 19. Mai 2011

Langjährige Partnerschaften

Ich stelle mir vor:

Ein Paar (in einer Ehe oder einem Konkubinat lebend) kennt sich schon seit 10, 15 oder 20 Jahren. Was sie vor allem verbindet ist Vertrautheit. Vertrautheit der Gedanken, der Gefühle, des Intellekts, der alltäglichen Bewegungen. Eigentlich haben sich beide in einem gewissen Sinn auseinandergelebt, und doch haben sie sich gern. Sie wissen, was sie vom anderen erwarten dürfen, sie wissen, dass sie sich vertrauen dürfen. Sie unterstützen sich gegenseitig und nehmen sich für den anderen Zeit, wenn Probleme vorhanden sind. Auch wenn sie sich nicht mehr lieben als Mann und Frau: sie lieben sich dennoch, einfach "anders", nicht nach dem üblichen Schema: Die körperliche Komponente ihrer Liebe ist zu einer weit umfassenderen Liebe mutiert. Sie teilen sich manch Geheimnis, sie unternehmen Vieles zusammen, und sie lieben auch ihre gemeinsamen Kinder. Nur eines teilen sie nicht mehr: das gemeinsame Bett. Und wenn sie es dennoch tun, dann bleibt etwas draussen: die Leidenschaft.

Soll sich dieses Paar deswegen trennen? Heute sehe ich eine solche Konstellation pragmatisch: Warum nicht ein Arrangement treffen? Warum sich nicht gegenseitig zubilligen, dass sie ihre leidenschaftlichen Seiten und sexuellen Bedürfnisse "woanders", das heisst ausserhalb ihrer Beziehung, ausleben können? Warum dieses Entweder-Oder, dieses Schwarz-Weiss-Denken, vor allem: dieses besitzergreifende Denken? Ich meine: etwas mehr Ehrlichkeit gerade in langjährigen Beziehungen wäre angebracht. Ein offenes Gespräch auch und gerade über emotionale und sexuelle Bedürfnisse würde manches Unheil, manches Leiden ersparen.

3 Kommentare:

  1. Ich bin auch für pragmatische Lösungen... aber leider funktionieren sie in diesem sensiblen Bereich kaum - und schon gar nicht, wenn Kinder involviert sind. Oder kennst Du ein Paar, das unter dem gleichen Dach wohnt - in getrennten Zimmern schläft - und das Modell der "offenen Beziehung" erfolgreich praktiziert?

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  2. Meine Eltern praktizierten dieses Modell: getrennte Schlafzimmer. Meine Mutter hatte dann und wann Freunde, die ich (damals war ich etwa 12) auch kennen lernte. Das war für mich nie ein Problem, denn ein Kind braucht vor allem eines: die Gewissheit, dass es von den Eltern geliebt wird. Mein Vater hatte auch seine Affären, aber er war da um einiges diskreter.

    Gegenfrage: ist es denn ehrlicher und vor allem für ein Kind einfacher, wenn die Eltern zwar zusammen sind, aber immer miteinander streiten (solches erlebe ich viel in meiner nahen Umgebung)? Ich meine: Heucheleien durchschauen Kinder immer, irgendwann. Da ist es ehrlicher, wenn man ihnen von Anfang an erklärt, dass Papa und Mama sich zwar nach wie vor gern haben, aber eben kein Liebespaar mehr sind. Kinder sind kluge Wesen und verstehen sehr viel, wenn man es ihnen auf adäquate Weise erklärt. Wenn sie dabei stets die Gewissheit haben: Papa und Mama sind immer für mich da, sehe ich überhaupt keinerlei Probleme mit diesem "Modell".

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  3. eine interessante Idee für freie Menschen, eine Idee für die Zukunft? Irgendwann müssen wir anfangen. Finde ich auch.
    Gruß
    Notos /ehem. Autumn

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