Dienstag, 23. Februar 2010

Minotaurus

Friedrich Dürrenmatt hat sich mit der aus der griechischen Mythologie stammenden Figur des Minotaurus zeitlebens intensiv beschäftigt. Minotaurus ist halb Mensch, halb Stier, ein Ungeheuer, das furchterregend ist. Minotaurus bewegt sich in einem Labyrinth, ohne es jedoch zu wissen. So bewegt er sich durch die endlosen Schlaufen, kommt nur vermeintlich voran, dreht sich im Kreis, immerfort. Und als er sich im Spiegel betrachtet ahnt er nicht, dass er bloss sich selbst sieht. Minotaurus, der ahnungslos dahin Irrende.

Minotaurus ist für Dürrenmatt Sinnbild des modernen Menschen, der sich nur scheinbar souverän in der Welt bewegt, nicht wissend, dass er ein Gefangener ist, letztlich ein Gefangener seiner selbst, das Labyrinth als Symbol der Unübersichtlichkeit, der Täuschungen und der Irrwege.
Gibt es für Minotaurus Hoffnung? Ich weiss es nicht, ich selber schwanke immer wieder hin und her, mal glaube ich an die Gestaltungskraft und die Sinnhaftigkeit des Lebens, das andere Mal wiederum sehe ich mich als Kafkas Georg Samsa, der eines Morgens aus einem bösen Traum erwacht und feststellt, dass er über Nacht zu einem Ungeziefer mutiert ist, unfähig, sein Leben zu meistern.
Zur Zeit leide ich am Leben, obwohl ich heute in beruflicher Hinsicht erste erfreuliche Nachrichten -eine erste positive Rückmeldung- erhielt. Aber es gibt anderes, das mich plagt und nicht in Ruhe lässt, so die ständige Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Zeit (und damit der Vergänglichkeit) und mit der Liebe. Ich weiss, dass ich ihr weh getan habe, aus Unachtsamkeit, nicht aus Boshaftigkeit, vielleicht auch aus Unvermögen, ich weiss es nicht (darüber werde ich einen Beitrag schreiben, sobald ich dazu in der Lage bin). In solchen Momenten fühle ich mich ganz einsam, da dies nicht mitteilbar ist, ich merke, wie ich mich im Kreis bewege, versuchend, die Gefühle zu orten und nach innerer Ruhe ringend.
Heute habe ich auch meine Mutter gesehen - wie jeden Dienstag - und ich fand, sie hätte in Kürze einen Altersschub erfahren, nicht in mentaler Hinsicht, aber im Gesicht, wohl weil sie ihr Äusseres nicht mehr so pflegt wie auch schon, ein Besuch beim Frisör wäre dringend angebracht, was ich ihr auch sagte, ja, sie wisse es, aber es koste doch wieder Geld, worauf ich erwiderte, ich würde sie noch diese Woche zu einem Essen einladen, was sie postwendend gerne annahm (:-).
Meine Lebenssituation ist aktuell nicht gerade zu beneiden, aber ich will kein Mitleid erheischen, ich erlebe nur das Labyrinth, das mich gefangen hält.
Das Labyrinth als konstitutives Element menschlicher Existenz, wie Dürrenmatt es beschrieb? Ich weiss es nicht, noch glaube ich an die Befreiung des Minotaurus, an seine Fähigkeit zu lernen und zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Aber ich ahne auch, wie unbarmherzig das Labyrinth ist, undurchschaubar und voller Fallen. Immerhin: Minotaurus wusste nichts von der Existenz des Labyrinths - war das für ihn ein Vor- oder Nachteil?

Bild des Minotaurus, gezeichnet von Dürrenmatt:http://ead.nb.admin.ch/html/fd/fdabi_144.html

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