Freitag, 30. September 2011

Gute-Nacht-Lied

Heute vor dem Einschlafen brauche ich etwas Dramatisches, weil ich auf diese Weise meine Emotionen umso besser fassen und einordnen kann. Tschaikowskys erstes Klavierkonzert scheint meine aktuelle mentale Stimmung haarscharf genau wiederzugeben, vorgetragen von Olga Scheps, der ich ohnehin gerne und lange zuhöre. Und ach ja, sie ist darüber hinaus eine kluge und schöne Frau, die mit grosser Präzision und ebenso grossem Gefühl ihre Hände über die Klaviertasten gleiten lässt und die Struktur der Musik durchschaut, mehr noch: ihrer Seele nachspürt. Wunderbar, sinnlich und grandios zugleich.

Die Herrlichkeit des Lebens

Wenn immer möglich lese ich Kafkas Schloss, mal spätabends, mal zu nächtlicher Stunde, wenn mich die Schlaflosigkeit heimsucht, oder mal über die Mittagszeit. Ich habe dieses monumentale Werk schon einmal gelesen, doch da war ich viel zu jung, ich verstand die existenzielle Einsamkeit des Landvermessers nicht, der letztlich auf der Suche nach Gnade war und doch immer wieder auf eine Mauer -oftmals seine eigene- zu lief, nur sah ich das damals nicht.

"Es ist sehr gut möglich, dass die Herrlichkeit des Lebens um jeden und immer in ihrer ganzen Fülle bereit liegt, aber verhängt, in der Tiefe, unsichtbar, sehr weit. Aber sie liegt dort, nicht feindselig, nicht widerwillig, nicht taub. Ruft man sie beim richtigen Namen, dann kommt sie. Das ist das Wesen der Zauberei, die nicht schafft, sondern ruft", schreibt Kafka in seinem Tagebuch. Der Landvermesser war offensichtlich nicht in der Lage, jene Herrlichkeit beim richtigen Namen zu rufen, er rang mit dem Schloss und kämpfte einen aussichtslosen Kampf. Kafka selbst, der Schöpfer des Landvermessers und seiner Welt, fand am Ende seines Lebens seine grosse Liebe in der Person von Dora Diamant, einer wunderschönen und klugen Frau jüdisch-orthodoxen Glaubens. Die Vorstellung, dass er seine letzten Atemzüge in tiefster Ruhe und Geborgenheit machen durfte, macht mich glücklich. Gut möglich, dass man erst kurz vor seinem Ableben so etwas wie Liebe vorfinden kann. Doch halt: ist es richtig zu schreiben, "erst"? Oder müsste es nicht vielmehr heissen: immerhin? Ich wäre glücklich, wenn dem, immerhin, so wäre.

vgl. auch:
Michael Kumpfmüller, die Herrlichkeit des Lebens, Köln 2011.

Donnerstag, 29. September 2011

In der fremden Küche

Wenn ich in ihrer Küche herumhantiere weiss ich nie genau, wo was ist. Ich suche immer wieder nach dem Fleischmesser, der Gabel, dem Mixer oder dem Toaster. Was nach Vergesslichkeit oder Zerstreutheit aussehen mag, ist in Tat und Wahrheit nur Ausdruck meiner Distanz ihr gegenüber: es käme mir zu vertraut, ja zu familiär vor, mich in ihrer Küche auszukennen. Lieber tappe ich gewissermassen im Dunkeln und stochere im Unbekannten herum. Denn wer sich in einer Küche blind zu bewegen vermag, ist dort zu Hause und spürt so etwas wie Heimat.

So werde ich auch in den nächsten Tagen stets dieselbe Frage nach den Utensilien ihrer Küche stellen, werde, während es brutzelt im Kochtopf, in den Schubladen wühlen und nur manchmal Erfolg bei meinen Suchaktionen haben. Und so soll und wird es auch bleiben.

strahlende Augen, die wie Feuer brennen

Es ist wie ein Traum
der mit Ebbe und Flut hinaus fließt
und dem Strom des Todes folgt
Oder ist es überhaupt ein Traum?

Ich sehe Nebel am Horizont
und ein seltsames Glühen am Himmel.
Und niemand scheint zu wissen, wo du hingehst.
Was bedeutet das? Ist es ein Traum?

Strahlende Augen, sie brennen wie Feuer.
Strahlende Augen- wie kannst du sie nur schließen
und mir so das Strahlen rauben?
Wie kann das Licht, das so strahlend gebrannt hat, plötzlich so schwach glimmen?

Es ist wie ein Schatten,
der in die Nacht hineinragt
und ungesehen über Berge wandert.
Oder ist es ein Traum?

In den hohen Bäumen weht ein starker Wind,
es hängt ein kalter Klang in der Luft
und niemand wird jemals wissen,
wann und wo du losgehen wirst in die Dunkelheit.


Mittwoch, 28. September 2011

Herbst

Was ich aktuell geniesse: die subtilen Verfärbungen der Blätter. In den nächsten Tagen und Wochen werden die gold-braunen Töne die Blätter schleichend einfärben und uns bei diesem Schauspiel an das Vergängliche erinnern, das so verlockend daherkommt.

Montag, 26. September 2011

Gute-Nacht-Lied

Mein Lied, wenn ich schlaflos bin. Es sucht mich auf, ohne dass ich es bestellt hätte. Es kommt unangemeldet und lässt mich nicht mehr so schnell wieder los.

Des Nachts

Ich stelle mir vor:

Es ist stockdunkle Nacht, die Fenster des Schlafzimmers sperrangelweit offen. Trotzdem schwitzt er aus allen Poren, obwohl er am Abend zuvor weder Alkohol getrunken noch zu viel gegessen hätte. Es ist vielmehr Schweiss genährt aus Stress und Ärger. Sie liegt neben ihm, doch ihre Berührungen mag er nicht, nicht diese Nacht (und überhaupt)! Er mag es nicht, ganz sicher nicht jetzt, ihre Füsse zu spüren, er wendet sich reflexartig ab und atmet schwer. Es wird ihm wieder bewusst, dass falsche Berührungen keine Berührungen sind, mehr noch: sie erinnern ihn geradezu daran, welche Berührungen ihm wirklich fehlen. So wälzt er seine Gedanken hin und her, er schwitzt noch mehr als zuvor und vernimmt aus der Ferne das Geräusch vorbeirauschender Güterzüge (immer wieder!), einem verführerischen Gesang gleich, es macht ihn verrückt, weil diese Nachtzüge, so kommt es ihm vor, ihm zurufen wollen: komm, brich auf! Ultimativ muss er aufstehen, bald steht er in dieser milden Herbstnacht auf dem Balkon und blickt auf die schlafende Stadt. Ausser den Güterzügen ist nichts zu vernehmen, alles scheint still zu stehen. An Schlaf ist nicht mehr zu denken. Er kämpft nicht mehr gegen die innere Unruhe an, er weiss, dass er gegen sie keine Chance hat, vielmehr muss er sie zulassen und genau hinhören, was sie ihm allenfalls zu sagen hat. Je mehr er darüber nachdenkt und nachspürt, umso mehr vermischen sich Gegenwart und Vergangenheit, Realität und Phantasie, bald ist er, einem Stakkato gleich, am Rheinufer, dann in den Bergen, dann wieder unten am Rhein, doch vor allem sieht er ihre dunklen Augen, die fern von ihm sind, immer und immer wieder. Die Glocken der nahen Kirche schlagen mittlerweile vier Uhr morgens. Das Schlafzimmer wird er nicht wieder betreten. Er macht es sich im Gästezimmer bequem und schläft, endlich, bald friedlich ein, indem er seine nächtlichen Phantasien nicht mehr weiter verdrängt oder verleugnet, sondern bewusst zulässt. Sein Herz erwärmt sich und lässt ihn davonschweben. Der Wecker wird auch an jenem Morgen pünktlich um sechs seinen Dienst erbringen und ihn wieder daran erinnern, dass Oasen nur ein zeitlich beschränktes Asyl zu gewähren vermögen. Wie zum Trost flüstert er dabei vor sich hin: immerhin.

Sonntag, 25. September 2011

Alles Luxusprobleme (?)

Manchmal -und dies in letzter Zeit immer öfters- habe ich schon das Gefühl, ich sei im falschen Film, beruflich wie privat. Dann kommen Fragen auf, immer wieder dieselben: will ich das, was ich mache, wirklich tun, und wenn Nein, was sind die realistischen Alternativen?

Fragen, die zeitweise meine mentale Situation destabilisieren, klüger wäre es, mich ganz auf das zu besinnen, was ist. Und zwischen den Fragen und Zweifel immer diese Sehnsucht, unterbrochen z.B. von einem Telefonat, das mich seltsam unberührt lässt. Auf die sattsam bekannte Frage "wie geht es dir" lautet die Antwort von mir (ich gebe zu, etwas unehrlich): ach, soweit gut, ich bin ja gesund, bin Vater eines fröhlichen und gesunden Kindes, und finanziell gehöre ich zwar nicht zu den Topverdienern, aber es geht mir trotzdem gut.

Demnach hätte ich also Luxusprobleme, nur Luxusprobleme. Grund also, glücklich zu sein? Ich erlaube mir auch hier den Luxus, meine diesbezüglichen Zweifel anzubringen.

Miss Schweiz

Diese junge Dame ist heute Abend zur Miss Schweiz gekürt worden. Ich nehme es achselzuckend zur Kenntnis, über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Vermutlich wird sie in den nächsten Monaten da und dort einen Werbevertrag abschliessen können, was ich ihr gönne: von irgend etwas muss der Mensch ja leben.


Ich meine: viel Rummel und Kommerz, aber wenig Substanz. Letzteres gehört ohnehin nicht zu den Wahlvoraussetzungen.

Samstag, 24. September 2011

Gute-Nacht-Lied

Sir Paul ist ein begnadeter Musiker. Ich mag seine Sturm-und-Drang-Phase, aber auch seine "klassische" Seite. Hier zwei Gegenüberstellungen seiner Musik, dazwischen liegen Jahrzehnte an Erfahrungen und gelebter Zeit. Der Mann hat wirklich geniale Musik hervorgebracht.

Von Lügen und Schweigen

Ich habe es mir heute Nachmittag auf der Terrasse ganz bequem eingerichtet. Sonnenschein pur. Ein kleines Lüftchen weht, ich lese Bücher, Zeitungen und allerlei Klatsch kreuz und quer durcheinander. Das tue ich gern. wenn ich mich auf ein bestimmtes Buch bzw. Thema nicht allzu sehr konzentrieren kann.

Bevor ich meine Joggingrunde drehe, lese ich gerade etwas über "Kommunikationsprobleme in Ehen". Die Kommunikation in Ehen, so liest man hier, sei nach wie vor verstockt. Weil man sein Gegenüber nicht verletzen wolle, lüge man lieber, oder spreche nicht das aus, was man eigentlich möchte. Aber aus Scham oder Bequemlichkeit oder Angst oder gar aus Liebe schweige man halt lieber oder lüge etwas zusammen. Und was würden denn die Eheleute einander gerne sagen, wenn sie es denn täten? Hier ein kleiner Auszug (ich wähle jene Sätze bzw. Geständnisse aus, die ich in einem gewissen Sinne rührend oder auch besonders komisch-tragisch finde) nicht ausgesprochener, sondern nur gedachter Sätze:
  • ich freue mich, wenn mein Mann sagt, er müsse noch arbeiten oder er wolle einen Film schauen und ich allein ins Bett kann.
  • mein Mann ist wahnsinnig rücksichtsvoll im Bett, sehr zärtlich, mit vielen Küssen. Und er fragt ständig, ob es schön für mich sei. Dabei will ich doch wieder mal hart rangenommen werden.
  • irgendwie glaube ich, dass da noch etwas Besseres kommt.
  • mein Mann ist ein guter Vater, so pflichtbewusst, nachsichtig, total unerotisch. Ich könnt kotzen, wenn ich ihn sehe, wie er unserem Sohn Brei in den Mund schiebt.
  • Wenn ich abends mit einer Frau etwas trinken gehe, lüge ich meine Frau an und sage, es sei ein Mann, weil ich keine Lust habe auf ein Theater.
  • wenn wir alleine sind, wissen wir gar nicht mehr, was wir miteinander anfangen sollen.
  • wenn ich alleine bin, trinke ich Latte macchiato und esse Kuchen.
  • ich würde meine Frau gerne fragen, ob sie sich tatsächlich vorstellt, bis ans Ende ihres Lebens nur noch mit mir Sex haben zu wollen. Ich traue mich aber nicht.
  • Ich habe einen Geheimcode für das Handy und den Laptop. Ich erzähle meiner Frau, dass ich das tue im Falle eines Diebstahls. Tatsächlich ist es zum Schutz meiner Privatsphäre vor meiner Frau. Ich merke auch, wenn sie rüber schielt, wenn ich den Code eingebe.
Und so weiter.

Und ich fühle mich ertappt.
Weil ich auch meine kleinen Lügen parat habe, obwohl ich nicht mit jener Frau verheiratet bin.

Kleine Lügen des Alltags.

Ich denke, dass der (Ehe)partner / partnerin kein Beichtstuhl aus Fleisch und Blut ist. Kleine und grössere Geheimnisse gehören zum Menschsein. Gewiss, Probleme sollen angesprochen werden. Doch ein jeder braucht auch seine Freiräume, seine Phantasien und letztlich seine (kleinen) Fluchten aus dem Alltag. Es gilt, eine Balance zwischen "Wahrheit" und "gelebter Autonomie" zu finden - jeder und jede wird hier naturgemäss eine andere Gewichtung vornehmen.

Donnerstag, 22. September 2011

Gute-Nacht-Lied

Ich wünschte, du wärst hier.
Genau so ist es, und nicht anders.

Von Sterben und Tod

Meine Tochter möchte ewig leben, wie sie mir heute Abend bekannt gab. Und dann sollte man eine Zeitmaschine erfinden, mit der man gezielt wählen kann, wie alt man gerade sein möchte. Also, sagte sie mir, ich möchte lange lange ein Kind bleiben, dann eine Jugendliche, und dann wieder Kind. Und ich will, dass du immer lebst. Ich verbiete dir das Sterben. Als sie dann einsieht, dass dies biologisch schlicht nicht möglich ist, will sie von mir wissen, wie ich sterben möchte. Ich überlege kurz und erkläre ihr dann, dass ich mir einen schönen Tod etwa anlässlich eines Konzerts vorstellen könnte, am Liebsten aber im Opernhaus, mit Vorliebe im Finale. In jedem Fall erst im Finale, rief sie mir nach kurzem Nachdenken zu, und nicht früher, denn sonst muss die Oper deinetwegen unterbrochen werden. Ein gutes Argument, wie ich meine. Ich werde also bestrebt sein, diese Rahmenbedingung wenn immer möglich einzuhalten (:-).

Dienstag, 20. September 2011

Fernweh

So sah es heute Nachmittag im Engadin aus.

Hach, der Silsersee, mit Blick Richtung Maloja.

Gute-Nacht-Lied

Bevor ich ins Bett gehe, nehme ich eine alte CD hervor.
Klaviermusik.
Ich stelle mir die alte Hotelbar und den älteren Pianisten vor.
Es gibt nichts zu tun und nichts zu denken, einfach nur sein.
Nostalgie? Ach, vielleicht, ein bisschen, ja.
Vor allem aber: ich bin ferienreif.

Im Fluss

Ich bin im Fluss der Zeit. Das fühlt sich etwa so an, wie wenn man in einem Boot sitzt und sich einfach vom Strom treiben lässt. Dabei hat man gar nicht gross das Bedürfnis, anzuhalten und sicheres Land zu betreten. So fliesst also die Zeit dahin, ich nehme sie mehr als Beobachter denn als aktiver Gestalter wahr.

Und morgen werde ich wieder aufstehen und wie gewohnt zur Arbeit fahren, meine Pflichten erledigen und mich um meine Tochter kümmern. Alltag pur. Zur Zeit beruhigt es mich, dass es so ist, wie es ist. Stabilität im Repetitiven - möge es hoffentlich nicht zu meinem Lebensinhalt werden.

Freitag, 16. September 2011

Nichts

Es gibt Tage, da gibt es schlicht nichts zu berichten. So wie heute. Vielleicht war ich aber auch zu wenig aufmerksam, um die kleinen Gesten da und dort zu registrieren. Meine Achtsamkeit geht zu sehr im Strudel des Tages verloren.

Mittwoch, 14. September 2011

Gute-Nacht-Lied

.....but far away from me....

Damals im Spital

Auch wenn ich meine Tage herunterspule und von Termin zu Termin springe, finde ich doch Momente des Innehaltens. Nicht immer ist mir klar (ja oftmals ist es mir absolut rätselhaft), weshalb mir dabei diese oder jene Gedanken durch den Kopf schiessen. Gestern zum Beispiel habe ich mich gefragt, ob es richtig gewesen sei, meinen Vater im Spital allein zu lassen, damals, an jenem trüben Novemberabend. Warum blieb ich nicht, und warum habe ich nicht darauf bestanden, dass mein Vater in die Intensivstation verlegt wird? War ich selber so abgekämpft, dass ich einfach nicht mehr konnte, keine Kraft mehr hatte und einfach nur noch nach Hause wollte? Diese Frage wird mich weiter verfolgen, ich ahne es. Und ich werde darauf wohl nie eine für mich befriedigende Antwort finden.

Dienstag, 13. September 2011

Gute-Nacht-Lied

Heute mit ganz subtilen Klängen von Beethoven, grandios interpretiert. Wunderbar nicht nur zum Einschlafen.

Auschwitz

Heute wurde mir klar, dass ich den Ort des Unbeschreiblichen und Unfassbaren aufsuchen will. Ich will ihn Schritt für Schritt durchlaufen und mich dieser singulären Hölle von damals stellen. Über das Unfassbare wissen wir zwar viel, aber verstehen tun wir trotzdem wenig. Dass Erinnerung Befreiung sei, beginne ich erst jetzt zu verstehen.

Montag, 12. September 2011

Gute-Nacht-Lied

....ich begnüge mich nun mit kleinen Dingen.....was tot ist, beerdigen wir, und die guten Momente behalten wir in unserer Erinnerung.....ich hatte manchmal Angst, du würdest mich gänzlich vergessen....aber du bist mir nichts schuldig....
Tu me dois rien / Stefan Eicher

Entfremdung

Heute früh am Abend, wie angerührt bei einem Bier mit einem alten Kollegen, erwischen mich akute Entfremdungsgefühle. Die bange Frage: was tue ich eigentlich dort, wo ich gerade bin? Die Frage ist auf meinen Beruf bezogen. Einsamkeit stellt sich ein. Ich weiss aber, dass ich jetzt den Weg weiter beschreiten muss. Und gleichzeitig sage ich mir in solchen Situationen, halb jammernd zu mir selbst: ach Schxxx, warum muss das Leben so sein, wie es ist, wissend, dass Selbstmitleid keine Lösung ist, im Gegenteil. Ratlosigkeit? Ja, temporär zumindest.

Sonntag, 11. September 2011

Gute-Nacht-Lied

Mit diesen Tönen und dieser Stimme lässt es sich wunderbar träumend einschlafen.

Mao und andere Tabus

Heute war ich mit einer chinesischen Kollegin unterwegs, einer verheirateten Mutter und Naturwissenschaftlerin, in Begleitung der Kinder. Ich kann mit ihr über alles reden, aber bitte nicht über Politik! Anfänglich reizte es mich, mit ihr über Mao zu debattieren oder über den "Grossen Sprung", über die Kulturrevolution und manch anderes mehr.

Aber die Lust dazu ist mir definitiv vergangen, denn dann schaltet sie, einem Automatismus gleich, auf stur und leiert die ideologischen Phrasen runter und enerviert sich dabei aufs Gröbste. Also schweige ich lieber, wenn das Stichwort Tibet fällt oder Taiwan, so wie heute. Dann sage ich bloss augenzwinkernd: wann kommst du wieder zu mir nach Hause, um ein Glas Weisswein zu trinken? Sie lächelt verlegen und lässt ihrerseits Mao und den Grossen Sprung augenblicklich ruhen.

junge Frau sucht...

In der Samstagsausgabe der Stadtzeitung werden jeweils kunterbunte Kontaktanzeigen veröffentlicht. Nebst sog. seriösen Kontaktwünschen suchen Mann und Frau unter der Rubrik "geniessen" oder "einfach so" vielerlei Abenteuer. So lese ich von einer Frau, 43, nach eigenen Worten schlank und attraktiv, dass sie sich in einer offenen Ehe befinde und einen diskreten Liebhaber suche. Weiter lese ich von einer 35jährigen Frau auf der Suche nach einer leidenschaftlichen Affäre (Affäre kursiv geschrieben, damit Missverständnisse von Anfang an ausgeräumt werden). Ein Mann schreibt regelmässig (offenbar hat er einen Dauerauftrag aufgegeben, das gibt wohl Mengenrabatt) und preist sich als "Meister" an.

Ich stelle, beinahe etwas verschämt, fest, dass ich diese Inserate regelmässig lese, so wie ich Todesanzeigen regelmässig lese. Offenbar bin ich voyeuristisch veranlagt. Oder liefern mir diese Inserate Stoff für allerlei Geschichten, die ich mir ausdenke: wie stellt sich zum Beispiel jene verheiratete Frau einen "dauerhaften" Seitensprung vor? Und glaubt der 60jährige Herr tatsächlich, dass sich auf seinen Aufruf tatsächlich "junge Frauen" melden (wohlgemerkt ohne finanzielle Interessen, auch dies im Inserat kursiv hervorgehoben)?

Spontan habe ich mir heute einen boshaften Jux überlegt: ich inseriere als "junge, schlanke Frau sucht heissblütigen Liebhaber, der sie nach allen Regeln der Kunst verwöhnt. Ohne finanzielle Interessen!" Es wäre ja wirklich höchst spannend zu lesen, wer sich da alles meldet. Und mit welchen Werbetexten! Und mit welchen Bildern! Und Wünschen! Und Vorstellungen! Und Phantasien!

Nein, ich werde es nicht tun, aber ich gebe zu: reizen würde es mich schon...

Samstag, 10. September 2011

Gute-Nacht-Lied

Sir Paul, Jahrgang 1942, scheint mir noch sehr fit zu sein. Diese Aufnahme stammt aus seiner letztjährigen Tournee in Brasilien. Ich sah ihn vor mittlerweile 25 Jahren im Hallenstadion in Zürich - das Konzert ist mir in bester Erinnerung geblieben.

nah und fern

So weit weg, und doch so nah.
Und das Umgekehrte kenne ich auch, leider:
viel zu nah, doch weit weg. Lichtjahre entfernt.
Und du, räumlich zwar weit weg, doch fest verankert in meinem Herzen.
Gestern, heute, morgen.

Freitag, 9. September 2011

Gute-Nacht-Lied

Passend zu dieser Mondnacht und zu meiner aktuellen Schlaflosigkeit.

aus den Augen, aus dem Sinn?

Wie heisst es doch:
aus den Augen, aus dem Sinn. Auf der Tastatur meines Laptops hat es auch so eine Funktion: delete. Viele (?) können offenbar sehr salopp mit ihren Gefühlen umgehen. Soll man sie darob bewundern?

Fernbeziehung

Heute habe ich einen wirklich lustigen Abend mit der Mama meiner Tochter verbracht, bei Rotwein (Sizilien), Spaghetti Pesto und gemischtem Salat.

Tatort: eine gemütliche Gartenwirtschaft gleich um die Ecke. Austausch über Gott und die Welt. Sodann ihre Vision einer Beziehung: eine Fernbeziehung sollte es sein, im Idealfall mit einem Holländer (nicht nur augenzwinkernd gemeint, wie mir schien). Sie würden sich einmal im Monat anlässlich eines längeren Wochenendes treffen, das würde ihr vollends genügen. Dazwischen ab und zu ein Telefonat bzw. eine Mail, ansonsten müsse sie ihre Ruhe haben. Wir lachen laut und viel an diesem Abend, und irgendwie kommt mir eine solche Vision gar nicht so abenteuerlich vor, vielleicht auch deshalb, weil mir der Gedanke permanent zelebrierter Zweisamkeit und klebriger Nähe unheimlich vorkommt.

Donnerstag, 8. September 2011

Gute-Nacht-Lied: J.S. Bach

Es ist sonderbar:
wenn ich Mozart höre, werden in mir ständig Bilder aktiviert, Bilder voller Sehnsüchte, Melancholie und Verlangen. Bei Bach verhält es sich gänzlich anders: die Musik löst augenblicklich eine wohltuende Leere aus, und alles, was mit vergangenen oder projizierten Bildern zu tun hat, verschwindet, wodurch ich innerlich gereinigt und befreit werde.



Was übrig bleibt ist die geniale Musik Bachs, die einer kohärenten und mathematisch strengen Logik folgt und dazu führt, dass nur noch die pure Gegenwart herrscht.

Mittwoch, 7. September 2011

Gute-Nacht-Lied

Mit diesem Sound stelle ich mir einen schönen Abend in einer Hotelbar vor, der Barkeeper erzählt mir aus seinem Leben, ich hör ihm zu und trinke dabei einen Manhattan.

auf Distanz

Wer kennt das auch, dieses durch-den-Tag-marschieren, zwar höchst präsent dabei, aber mental doch woanders und auch nirgends. Lachen, wenn einem gar nicht zum Lachen ist, und über Dinge interessiert reden, obwohl man, genau genommen, gar nicht daran interessiert ist. Oder ganz trivial gesprochen: so tun als ob, doch die Mauer, die uns allzeit umgibt, nicht sichtbar werden lassen.

Nach solchen Tagen habe ich nur noch ein Bedürfnis: jenes nach Ruhe. abends den Tag abduschen, etwas Kleines essen, sich um das Kind kümmern und ins Bett bringen, lesen, schlafen. Und alles, was mit Sehnsucht zu tun hat, kommt vorsorglich in die Tiefkühltruhe, säuberlich abgepackt. An die Konsequenzen eines Stromausfalls - zum Beispiel - mag ich gar nicht denken.

Dienstag, 6. September 2011

Gute-Nacht-Lied

Heute Abend bevorzuge ich die subtilen Klänge eines Johann Sebastian Bach.
Ich höre aus ihnen vollendete Melancholie und absolute Gewissheit.
Schlicht grandios.

Herbstfarben

Der Herbst hält Einzug
und mit ihm die Melancholie der Stille
die Weite und
die braun-goldenen Farben suchend.
Die Lärchen des Engadins, wie sie sich sachte zu verfärben beginnen
und sich auf den Winter vorbereiten.

Abends auf dem Balkon im warmen Pullover eingehüllt
und bei einem Glas Spätlese über den milden Tag nachdenkend
und im Ohr die Uhr, wie sie pausenlos die Lebensstunden zählt
und uns gnadenlos an das Unabwendbare erinnert.
Die Liebe, verpackt und abgeschirmt in Sachzwängen der Vernunft
und damit auch sie vorbereitet auf den Winter.

Was bleibt, ist die Bewältigung des Alltags
flankiert von der Hoffnung, dennoch
kleine Augenblicke des Glücks vorzufinden.
Herbstblätter, die im sanften Sturm herumwirbeln und uns
für einen Moment vom Denken dispensieren.
Das Kind, das morgens pfeifend zur Schule geht
und sich auf das Kastaniensammeln freut
ehe der Winter definitiv Einzug hält.

Montag, 5. September 2011

Gute-Nacht-Lied

Der Sommer geht vorbei,
und all seine Lieder
legen sich bis zum Mai
zum Sterben nieder.

Der Sommer geht vorüber,
mit ihm ein Fetzen Leben,
die Tage merklich trüber,
das Herz schlägt leicht daneben.

Der Sommer geht vorbei,
und mit ihm stirbt mein Sehnen,
die letzte Liebelei,
die Lügen und die Tränen.

Der Sommer geht dahin,
die Frage wird zur Qual:
Wer weiß, ob ich noch bin
beim nächsten Mal?

Der Sommer geht vorbei,
doch dieses Sterben
wird bald, wie nebenbei,
ein Blühen werden.


Zeitweise am Anschlag

Heute war ich Opfer meiner eigenen Zerstreutheit (oder ist es zeitweilige Überforderung?): ich eile nach Hause, um ein kleines Mittagessen für meine Tochter vorzubereiten, doch umsonst: sie hatte heute einen speziellen Tag mit Mittagsbetreuung. Ich hätte bloss rechtzeitig lesen sollen, was auf dem Fackel stand, den ich vor 10 Tagen erhielt.

Ich halte fest:

1200 Uhr: kein Kind.
1215 Uhr: immer noch kein Kind da.
1220 Uhr: immer noch nichts. Der Puls schnellt in die Höhe.

Ich werde nervös, telefoniere herum, erwische aber niemanden, weder die Lehrerin noch irgend jemanden im Lehrerzimmer noch irgendwelche Eltern, die Auskunft erteilen könnten. Ich werde also nervöser, die Mama meiner Tochter weiss auch nichts vom besonderen Tag, was die Nervosität umso mehr ins Unermässliche steigern lässt. Dann, einige Minuten später, schaue ich mir den ominösen Fackel wie beiläufig an, und da steht alles schwarz auf weiss geschrieben: an diesem Montag mit Mittagsbetreuung. Nur zu dumm, dass ich es nicht früher zur Kenntnis nahm.

Ich bin zeitweise am Anschlag, so sieht es aus.
Was ich daraus lerne (ich nehme es mir vor): achtsamer sein.
Und, bitte sehr, etwas mehr Gelassenheit!
Schnell hingeschrieben, doch schwierig, verdammt schwierig es auch umzusetzen.

Unbehagen

Die Vorstellung, einen geliebten Menschen nie Wiedersehen zu können (namentlich aus sog. Sachzwängen), erfüllt mich mit grösstem Unbehagen. Es gibt groteske Lebenssituationen, die einfach keinen Sinn ergeben können, es sei denn, man rationalisiere auf Teufel komm raus, um einer absurden Lebenssituation doch noch so etwas wie Sinnhaftigkeit zu verleihen. Dies zu tun fällt mir äusserst schwer.

Samstag, 3. September 2011

Das Lied zum Wochenende

gemischte Gefühle

Heute gehe ich baden. Und verbinde dies mit einer kleinen Wanderung in "meinen" Bergen. Weil ich dort oben abschalten kann, so gut es geht. Und weil sie dazu beitragen, vieles im Leben relativieren zu können. Und beim Wandern: an nichts denken, vielmehr in eine Tiefenatmung kommen. Meine Musik habe ich im Ohr und im Herzen, dazu brauche ich keinen iPod.

Im Rucksack dabei: warmer Schwarztee mit Zitronensaft versetzt, Wasser, Früchte, Brot, Nüsse, Ersatzkleider. Ein Sackmesser, zwei Würste. Alte Zeitungen und ein Feuerzeug, vielleicht mache ich spontan ein kleines Feuer. Und immer wieder der Versuch, an nichts zu denken. Wozu denn auch!

Ab Montag ist der Alltag wieder angesagt.
Von Termin zu Termin eilen.
Dazwischen schnell nach Hause springen und
ein kleines warmes Mittagessen für meine Tochter zubereiten.

Manchmal, so denke ich mir, muss man einfach funktionieren, ohne sich zu sehr in Gedanken zu verlieren. Aus Selbstschutz, ja. Und weil es oftmals keine Alternativen gibt zu dem, was man macht. Es ist schon viel, wenn man dazu die "richtige" Einstellung hat, und bestünde die auch bloss darin, zu akzeptieren, was gerade ist. Resignation? Vielleicht. Man könnte es auch Einsicht nennen, Einsicht in die Notwendigkeit.

Rituale

Meiner alten Mutter fehlen gerade am Samstagmorgen die kleinen Rituale "von damals".

Damals, als mein Vater noch lebte.

Damals, am Samstagmorgen in der Stadt, wie sie mit meinem Vater auf den Markt ging, um Obst und Gemüse einzukaufen, Käse oder Fleisch. Dann, in der Konditorei um die Ecke, gabs Frühstück mit herrlich duftendem Kaffee.

Rituale sind in ihrer Authentizität und Einmaligkeit nicht zu ersetzen, vor allem dann nicht, wenn sie über eine lange Zeit mit einem bestimmten Menschen eng verbunden sind. Es ist halt nicht dasselbe, wenn meine Mutter dieselbe Runde nun mit einer Kollegin dreht.

Gelebte Rituale können beruhigen.
Ausbleibende Rituale können traurig machen. Vermutlich auch jetzt, an diesem schönen Samstagmorgen.

Freitag, 2. September 2011

Gute-Nacht-Lied

Kein Zufall, dass ich heute dieses Lied hören will, hören muss.
Da nützt keine Ablenkung - in welcher Form auch immer.
Du allein kennst den Grund.
Everywhere I go I see your face.
Und nicht nur dies.

allzu Menschliches

Ich treffe mich aus beruflichen Gründen manchmal mit sog. "wichtigen" Leuten. Mit Menschen (vorab Männern), die in unserer Region und darüber hinaus über wirtschaftlichen und politischen Einfluss verfügen. Die im Rotaryclub ein- und ausgehen und Mitglied sind im Golfclub Gstaad. Die in zahlreichen Verwaltungsräten sitzen. Und wöchentlich Politiker treffen. Gestern Abend sass ich wieder in einer solch illustren Runde am gedeckten Tisch mit allerlei Köstlichkeiten auf dem Teller und im Weinglas.

Später, auf der Toilette, treffe ich den Herr xy, auch er, wie manch anderer auch in dieser Runde, ein Rotarier. Aha, du auch da? Ja ja, ich auch da. Gegenseitiges Gelächter, ich weiss nicht warum. Dann, während ich die Hände wasche, höre ich ihm unfreiwillig zu, wie er seinen Stuhlgang erledigt - laut und, wie mir schien, mit kräftigem Drücken. Ich lächle mich im Spiegel an und höre meinem inneren und befreienden Gelächter genüsslich zu.