Ich mag Geschichten aus dem Leben, mögen sie auch lange zurückliegen: sie verjähren nicht und haben uns zu dem gemacht, was wir sind. Gibt es spannendere Geschichten als solche aus dem Tagebuch, mag dieses auch schon leicht vergilbt sein und manche Spuren des Lebens in sich tragen? Wenn wir in die Vergangenheit blicken, so haben wir immer auch den Bezug zum Heute. Was einmal gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden (Dürrenmatt), was einmal geschah, ist geschehen und gehört zur Geschichte, unserer Geschichte, auch wenn sie uns die Schamröte ins Gesicht jagt - dann vielleicht erst recht.
Donnerstag, 30. Januar 2014
Freitag, 24. Januar 2014
Von den Wiederholungen
Sie verhalten sich nicht zur Gegenwart,
sondern zu einer Erinnerung.
Sie meinen die Zukunft schon zu kennen
durch Ihre Erfahrung.
Drum wird es jedesmal dieselbe Geschichte.
Max Frisch
Donnerstag, 23. Januar 2014
Die offene Wagentüre
Sie führte als junge Frau ein Tagebuch über ihre Männer, wie sie mir bei einem Glas Rotwein in nüchtern gehaltenem Ton sagte. Und darin hielt sie akribisch fest. wie lange und wie, welche Wirkungen und was danach folgte. Die Männer sind durchnumeriert, das Datum ist festgehalten, ebenso die Orte, das Wetter....ich bitte darum, mehr zu erzählen, weil es Geschichten sind aus dem gelebten Leben, also: Erinnerungen, die unmittelbar nach dem Erlebten eine schriftliche Form erhielten. Sie zögert und erzählt nur Skizzenhaftes, mehr Andeutungen als ausformulierte Geschichten, aber das genügt mir. Einmal, es war Winter, hat sie an einem Abend einen Mann irgendwo an einem Konzert (Heavy Metal) kennengelernt. Das übliche Spiel. Dann, es war gegen zwei Uhr Nachts, gingen sie nach draussen. Leichter Schneefall, menschenleere Strassen eines ruhigen Stadtquartiers. Er öffnete ihr die Wagentüre, sie stieg ein, die Türe wurde nicht geschlossen, er stand direkt vor ihr. Den Rest überlasse ich deiner Phantasie, sagte sie mir mit Schelm in den Augen. Aber das ist schon lange her, schiebt sie gleich nach, um wohl anzudeuten: alte Geschichte, längst verjährt. Ich trinke das Glas Rotwein gemächlich aus und lasse meiner Phantasie -es könnte so oder auch anders gewesen sein- freien Lauf. Später erzählt sie mehr davon: wortlos und wie es wirklich gewesen war. Ich glaube ihr auf Anhieb und bitte um weitere Geschichten.
Von Erinnerungen (Louis Begley)
Der 80 jährige Begley (...) behandelt im Kern die Frage, inwiefern Erinnerungen verlässlich sind oder nur bequem gemachte, gefärbte Lebensdeutungen, so heute im Feuilleton der NZZ nachzulesen über den jüngsten Roman von Louis Begley, Erinnerungen an eine Ehe, Suhrkamp-Verlag.
Wer dieser Frage nachgeht, muss gelesen werden. Ich bin gespannt.
Wer dieser Frage nachgeht, muss gelesen werden. Ich bin gespannt.
Montag, 20. Januar 2014
Frischs Berliner Journale
Der Wärter in einem Leuchtturm, der nicht mehr in Betrieb ist. Er notiert sich die durchfahrenden Schiffe, da er nicht weiss, was sonst er tun soll.
Max Frisch, Berliner Journale, S. 121
Das Berliner Tagebuch lässt sich zügig lesen: Beschreibungen aus dem Alltag, Begegnungen mit Schriftstellern aus West- und Ostberlin, Illusionen eines wenn auch nur temporären Neuanfangs ("die Euphorie, man werde jünger dank eines Wohnortwechsels, dank Klima usw., nochmals etwas jünger"), sein Kampf gegen zu viel Alkohol, seine Angst vor (intellektuellem) Kontrollverlust. Und wie immer: eine präzise Sprache, die auch das Unausgesprochene und das zwischen den Zeilen Liegende zu erfassen vermag: da ist nichts dem Zufall überlassen, auch dann nicht, wenn der Schreibfluss zu versiegen droht.
Max Frisch, Berliner Journale, S. 121
Das Berliner Tagebuch lässt sich zügig lesen: Beschreibungen aus dem Alltag, Begegnungen mit Schriftstellern aus West- und Ostberlin, Illusionen eines wenn auch nur temporären Neuanfangs ("die Euphorie, man werde jünger dank eines Wohnortwechsels, dank Klima usw., nochmals etwas jünger"), sein Kampf gegen zu viel Alkohol, seine Angst vor (intellektuellem) Kontrollverlust. Und wie immer: eine präzise Sprache, die auch das Unausgesprochene und das zwischen den Zeilen Liegende zu erfassen vermag: da ist nichts dem Zufall überlassen, auch dann nicht, wenn der Schreibfluss zu versiegen droht.
Sonntag, 19. Januar 2014
Lähmungen
Das lähmende Gefühl, nichts Brauchbares zu Papier zu bringen. Sätze, kaum geschrieben, werden gleich wieder gelöscht. Impotenz kann verschiedenste Formen annehmen.
Sonntag, 12. Januar 2014
Vom Januarloch
Das Januarloch hat auch mich geschluckt: ich lebe soweit ganz gut, aber eher uninspiriert. Sich treiben lassen als gegenwärtiges Lebensgefühl. Der in der Luft liegende Duft des Vorfrühlings führt zu kurzen Momenten des Übermuts. Nachmittage des Wochenendes werden so zu imaginären Ewigkeitsmomenten und verführen zu allerlei frivolen Gedankengängen. Scheinbar nichts kann mich aus der Ruhe bringen, aktuell zumindest.
Alles oder doch zumindest vieles scheint möglich zu sein.
Wer weiss.
Alles oder doch zumindest vieles scheint möglich zu sein.
Wer weiss.
Dienstag, 7. Januar 2014
Der Schlüsselanhänger
Beinahe alles habe ich entrümpelt -ja das ist wohl das zutreffende Wort-, was du hier einst gelagert hast. Doch von einem Gegenstand kann und will ich mich nicht trennen: von einem simplen Schlüsselanhänger, den ich von dir im letzten Sommer erhalten habe. Kemal hat ein ganzes Museum der Unschuld eingerichtet, um all die Gegenstände seiner geliebten Füsun fein ordentlich auszustellen. Der kleine Schlüsselanhänger ist nicht ausgestellt, er ist gut verstaut in meiner Jacke. Und dort bleibt er drin (mein Geheimnis).
Montag, 6. Januar 2014
Zum Beispiel um Mitternacht
Eine Frau allein auf der Strasse, rauchend,
immer ein Bild der Abwesenheit:
des anderen, welcher Abwesenheit sonst -
seit der Vertreibung aus dem Paradies nichts Neues.
Bodo Kirchhoff
So ist es - sei es um Mitternacht, sei es heute, morgen, wann auch immer
und wo auch immer.
Nur dass es auch ein Mann sein kann,
der allein auf der Strasse oder anderswo ist -
dies sogar ohne Zigarette
und nur
die Sehnsucht in ihm.
Und in uns allen.
immer ein Bild der Abwesenheit:
des anderen, welcher Abwesenheit sonst -
seit der Vertreibung aus dem Paradies nichts Neues.
Bodo Kirchhoff
So ist es - sei es um Mitternacht, sei es heute, morgen, wann auch immer
und wo auch immer.
Nur dass es auch ein Mann sein kann,
der allein auf der Strasse oder anderswo ist -
dies sogar ohne Zigarette
und nur
die Sehnsucht in ihm.
Und in uns allen.
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