Montag, 28. Juni 2010

Aufmerksamkeiten

Ich kann nicht einschlafen, es ist für meinen Geschmack halt zu warm, zumindest abends dürfte es kühler sein - ich brauche Sommerfrische und den Geruch von frisch geschnittenem Gras.

Was habe ich heute getan? Zu Hause gearbeitet, meine Tochter betreut (sie hat noch diese Woche Schule), schwimmen gegangen, eingekauft, Sehnsucht gehabt, private Texte verfasst, nachmittags habe ich mir noch eine klassische Nacken- und Rückenmassage gegönnt, verbunden mit einer Aromatherapie. Das tat gut, allerdings, so scheint es mir, ist der Effekt bald einmal verpufft. In der letzten Zeit grüble ich nicht mehr so stark, ich lasse mich treiben, gehe meinen Pflichten nach, bin aber auch emotional stabiler als sonst, bin geneigt zu sagen, dass es mir soweit gut geht. Natürlich, alles könnte besser sein, wer möchte dies für sein Leben nicht wollen? Ich durchwandere nun das Leben von einem Tag zum anderen und bin achtsam, das Wesentliche zu erkennen. Auf diese Weise versuche ich, der gut geölten Alltagsmaschinerie etwas entgegenzusetzen. Ich merke je länger je mehr, dass nicht zuletzt kleine Aufmerksamkeiten das Leben so sehr bereichern können. Ich wünsche mir vermehrt solche kleine Aufmerksamkeiten.

Sonntag, 27. Juni 2010

Wochenendbilanz

Ich habe ein gutes Wochenende mit meiner Tochter verbracht, mit viel Bewegung, schwimmen, radeln... gutem Essen, feinem Wein...und ich habe schöne und auch sinnliche Gefühle in mir, von Verhärtung keine Spur. Kein Wunder, dass ich heute Abend Mozart ertragen kann, mehr noch: ich geniesse ihn in seiner unendlichen Tiefe an Gefühlen und Emotionen. Ich sitze auf dem Balkon und höre mir unter anderem den "türkischen Marsch" an, interpretiert (und mit Jazzelementen versetzt) vom genialen türkischen Pianisten Fazil Say. Mozart würde es bestimmt gefallen, ja, er wäre sicher entzückt.

Freitag, 25. Juni 2010

Friedhöfe

Mein Vater ist Ende 2007 gestorben. In der letzten Zeit denke ich nicht mehr viel an ihn, und doch kommt es mir plötzlich "in den Sinn", dass mein Vater gar nicht mehr lebt, und ich empfinde Trauer. Auch war ich schon des längeren nicht mehr auf dem Friedhof, und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich den Weg zu seinem Grabstein auf Anhieb finden würde (ich werde dies in den nächsten Tagen tun). Meine Tochter spricht dann und wann über ihren verstorbenen Grossvater. Noch vor wenigen Monaten hatte sie regelrechte "Traueranfälle" und vermisste ihn sehr.
Was ich an Friedhöfen sehr schlecht ertrage sind Kindergräber. Wenn ich an ihnen vorbei gehe und die Jahrgänge zur Kenntnis nehme, stehe ich ratlos da und versuche, mich in die Lage der Eltern zu versetzen. Dann empfinde ich nur noch eine unerträgliche Leere und Sinnlosigkeit.

Friedhöfe sind aber auch Oasen der Ruhe und der Besinnung.
Und der Kraft und der Hoffnung.

Radikal genug?

Folgende Fragen eines Lesers oder einer Leserin sind mir als Reaktion auf einen Beitrag gestellt worden:

Hast du schon einmal (...) den Entschluss gefasst, nicht mehr vom Sofa aufzustehen, bevor du nicht eine endgültige, eine absolut unumstössliche Antwort auf deine Frage gefunden hast? Wie stark ist deine Entschlusskraft? Wie hilfreich sind Dusche, Kaffee und Sonntagszeitung wirklich?Wie ernst ist es dir wirklich, mit diesen existentiellen Fragen? Wie weit geht deine Opferbereitschaft, wenn es darum geht, herauszufinden, wer du bist? (Wärest du bereit, deinen Job hinzugeben? Deine Altersvorsorge? Deine Hand? Dein Sehvermögen? Deine Erinnerungen? Das, was dir am liebsten ist?)

Nun, Buddhist bin ich nicht, noch weniger ein Buddha, und an endgültige, unumstössliche Antworten glaube ich ohnehin nicht, weil endgültige Antworten nach Ideologie, um nicht zu sagen nach Fanatismus und Starrheit riechen, und das mag ich definitiv nicht (vielmehr dies, Biermann zitierend: "nur wer sich ändert, bleibt sich treu", und dies kann nur, wer sich nicht an endgültige Antworten klammert und sich vielmehr dem Fluss des Lebens und der Erfahrungen anvertraut). Um zu mehr Selbsterkenntnis zu kommen bin ich durchaus bereit, einiges in Kauf zu nehmen, aber nicht alles radikal umzukrempeln. Dazu bin ich vermutlich zu feige, zu träge, zu bürgerlich, was weiss ich. Aber ich bin trotzdem offener geworden, was Veränderungen anbelangt. Was mir dabei am meisten hilft ist Widerspruch und das gnadenlose Spiegeln. Ich bin kritikfähig geworden und lass es gerne zu, wenn ein Mensch, den ich mag, mich auf diese oder jene Widersprüche aufmerksam macht. Das war nicht immer so, früher reagierte ich zeitweise heftig und beleidigt auf "Kritik".

Auch gebe ich zu, dass ich mich gerne ablenken lasse, ja, ich liebe Rituale, ich liebe meine Sonntagszeitungen und heissen Kaffee. Ich bin kein Asket, habe aber dennoch eine gewisse Affinität (oder zumindest Sympathie) zu calvinistischer Strenge, wobei mir diese in den letzten Jahren zusehends abhanden gekommen ist. Ich habe zudem einen unruhigen Geist, bin emotional wenig diszipliniert, lasse mich manchmal zu unüberlegtem Handeln hinreissen und neige zeitweise zu Pessimismus und Trübsal. Die Frage, was morgen sein wird, treibt mich stets an, und die Tatsache, dass ich nächstes Jahr den 50. Geburtstag über mich werde ergehen lassen, kann mich zeitweise beelenden, weil ich das Gefühl habe, ich würde den Zug verpassen, ich mag mich noch so anstrengen, die Fahrpläne studieren, die Uhr richtig einstellen, aber der Zug fährt immer wieder weg, ohne mich. Dann habe ich in solchen Momenten das Gefühl, bloss Beobachter dieser Welt zu sein und nicht aktiv das Geschehen beeinflussen zu können. Gerade in solchen Momenten wünschte ich mir mehr Gelassenheit.

...eh man was begreift

Unter der Dusche sind mir heute morgen diese Sätze von Biermann durch den Kopf:

Ich frag mich bloss: wo kommt das her
Dass das Korn fault, eh es reift
Dass das Leben fast vorbei ist
Eh man was begreift

Mittwoch, 23. Juni 2010

Nichts Neues

Nichts Neues - ich versuche, das schöne Sommerwetter zu geniessen und die Relationen nicht zu verlieren. Meine Stimmung würde ich als traurig-melancholisch bezeichnen, vor allem abends wird es mühsam. Die WM mag mich vielleicht etwas ablenken, und meine Tochter fordert mich. Mehr als dies kann ich zur Zeit nicht vermelden.

***
Zufällig aufgeschnappt, bevor ich mit meiner Tochter auf den Spielplatz gehe:
"Die grösste Liebe ist immer die, die unerfüllt bleibt" (Peter Ustinov).
Darüber muss ich nachdenken, intuitiv sage ich jetzt: Ja, er hat Recht.

***
Nachtrag, 2300 Uhr.
Ich bin jetzt ordentlich müde, so dass ich in der Lage sein sollte einzuschlafen. Das leere Bett bereitet mir immer wieder Kummer - es geht nicht um Sex, sondern um schlichte, echte Berührungen, um liebevolle, aufrichtige Worte und kleine Gesten. Ich bin froh, wenn die Nacht bald wieder vertrieben wird. Abends und Nachts geht es mir bedeutend weniger gut als während des Tages.
"Kontrollgang": meine Tochter schläft tief und friedlich.
Übrigens: Google verzeichnet rund 71'300 Ergebnisse zum Stichwort "unerfüllte Liebe".

Dienstag, 22. Juni 2010

Das Ende der Illusionen (II)

Ich bin heute von manchen Illusionen befreit worden. Intuitiv wusste ich, dass eine Beziehung zu A. nicht zustande kommt, zu kompliziert die Lebensverhältnisse, zu kompliziert die Ausgangslage, zu gross die räumliche Distanz und die damit einhergehende Ortsgebundenheit auf beiden Seiten usw. Und dennoch, ich hielt lange diese Illusion aufrecht, wohl deshalb, weil ich eine starke Anziehung verspürte - und immer noch verspüre, also wollte ich so lange wie nur möglich mit dieser Illusion leben, weil sie mir so gut tat, also log ich mich selber an, ich wollte der für mich bitteren Wahrheit nicht ins Auge schauen, obwohl die Faktenlage und die Hinweise mich hätten wachrütteln sollen. Ich bin nun dazu aufgerufen, mich emotional zu trennen und Abschied zu nehmen von jenen Gefühlen und Hoffnungen, die ich in den letzten Monaten mit mir herum schleppte. Es tut weh, vor allem tut es deshalb weh, weil ich das Gefühl habe, den Schein mit dem 6er im Lotto nicht einlösen zu können. Gibt es im Leben die Möglichkeit, ein zweites Mal einen 6er im Lotto zu erzielen? Diese Frage will ich mir nicht stellen, ich will sie ignorieren, weil sie mir Angst macht.

Von der Vernunft her weiss ich: ich muss nun los-lassen-können und von meinen Illusionen Abschied nehmen. Aber das Herz und die Seele wollen da nicht so richtig mitmachen, sie rebellieren dagegen und betreiben ein Oppositionsspiel, zeigen sich also uneinsichtig. Ich trage nun einen Kampf in mir aus, einen Kampf "Kopf versus Gefühl". Ich weiss, dass der Kopf gewinnen muss, die Einsicht in die Notwendigkeit führt nach Hegel zur Freiheit. Aber das wird seine Zeit brauchen.

Das Erlebte prägt mich, A. ist gewissermassen zu einem Referenzpunkt geworden. Ich will den Kontakt zu ihr nicht abbrechen, ich wüsste nicht warum. Es tut mir gut, mich mit ihr auszutauschen. Warum oftmals nur dieses entweder-oder? Nein, wenn Menschen sich etwas zu sagen haben und sich gegenseitig den Spiegel vorhalten, auf dass sie zu mehr Selbsterkenntnis kommen, sollten sie eine solche wertvolle Beziehung nicht abbrechen, im Gegenteil, sie sollen sie pflegen. Für mich wird dies zumindest anfänglich ein Balance-Akt sein, ich werde immer wieder Rückfälle haben und Anfälle von Sehnsucht und Melancholie entwickeln, ich werde das Schicksal beklagen und dann und wann im Sumpf des Selbstmitleids baden, weil ich diese Beziehung emotional auf eine neue Basis stellen muss, auf eine Basis einer platonischen Beziehung.

Unter dem Strich bin ich unendlich froh, ihr begegnet zu sein, denn sie hat mein Herz geöffnet und meine Seele berührt. Dass daraus keine Liebesbeziehung wird, beelendet mich im Grunde der Dinge, aber ich muss dies akzeptieren. Ich nehme in diesem Zusammenhang zur Kenntnis, dass in mir heftige Gefühle zum Ausbruch kommen können, dass ich eine innere Wärme verspüre, bloss wenn ich an sie denke. Keine Frage: ich lebe und bin definitiv keine Frostbeule. Manchmal möchte ich eine solche sein, weil ich mir denke, dass man dann ungetrübt(er) durchs Leben zieht. Es steht mir ein harter Weg bevor, ein Weg des Abschiednehmens von meinen Illusionen. Dabei wird auch ein Stück Hoffnung sterben. In solchen Situationen fühle ich mich einsam und oftmals unverstanden.

Montag, 21. Juni 2010

ausgelaugt

Heute verspürte ich den ganzen Tag lang eine bleierne Müdigkeit, ich kämpfte gegen den Schlaf, namentlich nachmittags, aber auch heute Abend. Gleichzeitig konnte bzw. wollte ich nicht früher als sonst ins Bett wegen meiner inneren Unruhe. Ich fühle mich nur noch schlapp, abgekämpft, ausgelaugt und streckenweise auch missverstanden. Motiviert für meine Arbeit bin ich auch nicht, wenn ich daran denke, dass morgen eine dreistündige Sitzung ansteht, wird mir nur noch übel. Ich bin froh, dass meine Tochter diese Woche bei mir ist, das diszipliniert mich natürlich, denn eigentlich möchte ich, salopp gesagt, für einen Moment zumindest den Löffel abgeben. Ich mag keine Musik hören, keinen Film sehen, keine Bücher hervor nehmen, nichts. Ich bin da, existiere, schaue zum Fenster 'raus und drehe mich mental im Kreis. Ich bin niedergeschlagen.

Ich spüre und sehe sie deutlich, die Falle des Selbstmitleids, doch ich hüte mich davor, in sie zu fallen. Ich will nur beobachten, wie es mir geht und wie ich mit der Situation fertig werde. Ich stelle nüchtern fest: es ging mir auch schon besser. Lebensfreude fühlt sich jedenfalls anders an. Ich hoffe, dass ich mich in den nächsten Tagen aus diesem emotionalen und mentalen Loch befreien kann. Es ist schwierig, stets die Kraft aus sich selbst heraus zu aktivieren. Zur Zeit habe ich sie jedenfalls nicht oder nicht in einem genügenden Ausmass, um die leeren Batterien aufzuladen. Das Leben kann manchmal schlicht eine Schxxx sein (Vorsicht: Selbstmitleidsfalle).

Das Ende der Illusionen (I)

Ich stelle fest, dass ich mich in meinen Gefühlen verlieren und dadurch Menschen in objektive Schwierigkeiten bringen kann. So wie auch heute (es spielt hier keine Rolle, worin diese Schwierigkeiten liegen, sie können jedenfalls für den betroffenen Menschen Konsequenzen haben, die ich überhaupt nicht wollte). Wenn ich mein Verhalten kritisch beobachte sehe ich ein, dass ich mich manchmal zu einem Handeln hinreissen lasse, ohne die Wirkungen und vor allem die nicht beabsichtigten Wirkungen desselben stets einzubeziehen bzw. abzuschätzen. Heute nehme ich damit auch Abschied von einigen Hoffnungen (im Grunde der Dinge waren es bloss naive Illusionen), die ich hatte. Das tut ungemein weh, ist gleichzeitig auch eine Befreiung.

Ich will mich von meinen kindlichen Illusionen befreien und noch genauer hinsehen, was in mir in welchen Lebenssituationen emotional abgeht. Unser Handeln und unsere Motive sind nicht selten das Produkt nicht bewältigter Ereignisse aus der Kindheit bzw. Jugend. Dem will ich vermehrt nachgehen, vielleicht liegt dort der Schlüssel mancher Erkenntnis.

Zur Zeit bin ich jedoch nicht in der Lage, mehr dazu zu schreiben, weil der Kopf schlicht leer ist und die Gefühle gewissermassen flach liegen. Ich muss mich jetzt sammeln - eigentlich hätte ich genug zu tun, da wartet Arbeit auf mich im Büro, und meine Tochter will bald ihr Mittagessen einnehmen...heute habe ich nur ein Ziel: einfach bloss zu funktionieren, das ist für mich heute Herausforderung genug. Ich will und ich muss vieles verarbeiten, ich hoffe, dies in nächster Zeit auch Schritt für Schritt tun zu können.

Sonntag, 20. Juni 2010

Sonntagsbilanz - und darüber hinaus

Meine Sonntagsbilanz ist unspektakulär: Frühstück mit der Tochter und ihrer Mama, nachmittags Museumsbesuch mit der Tochter, dann gemeinsames Abendessen bei mir zu Hause. So habe ich diesen grauen, herbstlich anmutenden Tag erlebt. Nun geniesse ich die Ruhe und werde wohl bald schlafen gehen.

Ansonsten versuche ich, vermehrt den Augenblick wahrzunehmen und zu geniessen sowie all das zu akzeptieren, was ich ohnehin nicht ändern kann. Nicht immer ertappe ich mich noch rechtzeitig, wie ich in die Falle des Selbstmitleids fallen könnte, aber meistens widerstehe ich dennoch und lasse mich nicht (mehr) so schnell verrückt machen. Es ist, wie es ist, sagt die Liebe, ja, so ist es. Natürlich hätte ich Manches für mein Leben gerne anders, ich wüsste sehr wohl, wie es aussehen würde, könnte ich auf den Knopf drücken, aber so funktioniert das Leben nicht. Es ist vielmehr ein mühsamer Prozess, der uns vor manche Proben stellen kann. Ich glaube daran, dass Menschen ihre je eigenen, spezifischen Erfahrungen machen müssen. Wohin das Ganze führt, weiss ich nicht, der Weg des Lebens wird es mir schon zeigen. Eines hoffe ich dabei: dass es keine Sackgasse, sondern ein weiterführender Weg ist, der neue Horizonte eröffnet und zu mehr (Selbst) Erkenntnis führt - und nicht zuletzt zu etwas mehr Gelassenheit, Geborgenheit und Liebe.

Samstag, 19. Juni 2010

Sophie Scholl

Während meines Studiums habe ich mich schwergewichtig mit dem deutschen Faschismus und dem zweiten Weltkrieg beschäftigt. Damals hatte ich einen nüchternen Zugang zum Thema, ich verschlang die Quellen und Fachliteratur und war nie in irgend einer Weise emotional mit dem Thema belastet. Berichte über Massenerschiessungen oder industrieller Tötung erschütterten mich wohl intellektuell, aber kaum emotional.

Ich merke, dass ich mich offensichtlich verändert habe: Heute habe ich aus unbekanntem Anlass und wie aus heiterem Himmel über Sophie Scholl nachgedacht, es war heute Nachmittag, als ich in der guten Stube sass und über alles mögliche sinnierte. Je mehr ich über sie nachdachte, umso mehr registrierte ich eine unendliche Trauer in mir. Ich nahm ein altes Buch hervor und sah mir Bilder von Sophie Scholl an, ich las nochmals die Verhörprotokolle, schaute mir die Flugblätter an, die damals in München und anderswo in aller Heimlichkeit verteilt worden sind. Diese junge Frau mag naiv vorgegangen sein, aber sie hatte Mut, grossen Mut, sie war bereit, alles zu riskieren, sie folgte ihrem Gewissen und ihren Überzeugungen. Zwar verneinte sie anfänglich bei ihrer Verhaftung, mit den Aktionen der Weissen Rose irgend etwas zu tun zu haben, später aber bekannte sie sich zu den Aktivitäten und war stolz darauf, es getan zu haben, wissend, dass dies ihr Tod bedeuten würde. Es beelendet mich, wenn ich an diese Geschichte denke. Sophie Scholl, mit 22 Jahren umgebracht, nur weil sie Flugblätter herstellte und verteilte. Dabei hatte sie ihr ganzes Leben noch vor sich. Heute wäre sie drei Jahre älter als meine Mutter.

Warum berührt mich diese Geschichte heute so sehr? Als junger Student hatte ich die Aktivitäten der damaligen antifaschistischen Opposition aus einer wissenschaftlich-distanzierten Perspektive analysiert, einem Chirurgen gleich, heute aber kommen mir (beinahe) die Tränen, wenn ich darüber lese und nachdenke. Ich kann mir mein Verhalten nicht erklären. Hat es etwas mit meinem aktuellen Gemütszustand (labil) zu tun? Bin ich "weich" geworden, emotional, fehlt mir die abgeklärte Nüchternheit?

Ich bewundere ihren Mut, ihre Aufrichtigkeit und ihr konsequentes Handeln.

Akzeptanz

Ich bin heute mit meiner Mutter essen gegangen. Sie ist mürrisch geworden, unzufrieden, nichts ist ihr gut genug. Ja, meine Mutter ist eine unangenehme Person geworden, vermutlich hat es mit dem Alter zu tun. Sie ist in einem gewissen Sinn wohl "altersfrustriert". Dabei könnte sie zufriedener sein, wer kann schon mit 86 noch in der eigenen Wohnung leben, praktisch ohne externe Hilfe? Sie ist gut zu Fuss unterwegs, ist grundsätzlich gesund, hat kaum Altersbeschwerden. Und heute erzählt sie mir, sie sei vermehrt mit ihrem ersten Ehemann unterwegs, nachdem dessen Frau vor kurzem gestorben ist.

Ich musste schmunzeln: vor 60 Jahren waren die beiden ein Paar, haben sich aber bald darauf scheiden lassen, und nun treffen sie sich wieder, mal auf einen Kaffee, mal auf ein Glas Wein. Aber sie wolle nicht zu ihm ziehen, und gemeinsame Ferien seien auch kein Thema, und wenn doch, wolle sie auf ihr eigenes Hotelzimmer bestehen. Ich höre amüsiert zu, während ich meine Pasta esse.

***
Sonst werde ich heute Samstag nichts Spektakuläres unternehmen. Ich lese, höre Musik, nehme ab und zu die Gitarre hervor und klimpere darauf herum, und heute Abend werde ich es mir ganz gemütlich machen und einen Krimi gucken.
Heute morgen hatte ich ein längeres Telefonat mit meiner Seelenverwandten, die ich so sehr liebe. Ich geniesse es, mich mit ihr auszutauschen; nur schon bloss ihre Stimme zu hören, macht mich glücklich. Gleichzeitig habe ich aufgehört, mich mit an sich sinnlosen Fragen ("wohin führt die Reise, was wird in einem Monat sein, in einem Jahr" etc) zu plagen, d.h. ganz konkret, dass ich meine Gefühle zu A. bewusst zulasse, doch gleichzeitig keine Erwartungen an sie habe - ohnehin weiss sie, wo ich stehe. Das scheint mir ganz wichtig, ja zentral zu sein. Vor allem möchte ich aufhören, das "Schicksal" beklagen zu wollen (sonst tappe ich in die unproduktive Falle des Selbstmitleids). Namentlich kann ich die Rahmenbedingungen anderer Menschen nicht ändern (das machen sie selbst, wenn sie es denn auch tun wollen), und was nicht in meiner Macht steht zu ändern, will ich akzeptieren, weil alles andere mich nur verrückt macht und letztlich ohnehin eine groteske Anmassung wäre. Wenn ich aus innerer Überzeugung heraus zu dieser Einstellung gelange, geht es mir besser, wesentlich besser, ich merke, dass ein innerer Druck mich loslässt. Ich muss schon froh sein, dass ich all dies, was ich wirklich beeinflussen kann, erkenne und danach auch handle. Eine solche Lebenseinstellung wird meine innere Unruhe zu besänftigen wissen, doch ich bin nicht naiv zu glauben, dass sich dies von heute auf morgen einstellt: Rückschläge sind denkbar und wahrscheinlich. Aber die Einsicht und der Wille, effektiv danach zu leben, sind da - immerhin.

Donnerstag, 17. Juni 2010

Glücksmomente

Es braucht nicht viel, um niedergeschlagen bzw. glücklich zu sein, kleine Worte oder Zeilen können genügen, Gesten, Bemerkungen, Andeutungen. Heute geht es mir gut, ich bin zwar müde, aber das Herz freut sich, und es hat Grund dazu.

Da kommt sie und wandelt;
Ich eile so bald,
Ein singender Vogel,
Zum buschichten Wald.
Sie weilet und horchet
Und lächelt mit sich:
"Er singet so lieblich
Und singt es an mich."

(...)
Auf einmal erschein' ich,
Ein blinkender Stern.
"Was glänzet da droben,
So nah und so fern?"
Und hast du mit Staunen
Das Leuchten erblickt:
Ich lieg' dir zu Füßen,
Da bin ich beglückt!

Johann Wolfgang Goethe

Mittwoch, 16. Juni 2010

Defätismus

Um es gleich vorweg zu nehmen: ich bin kein grosser Fussballfan. Als Knabe war ich aber fussballverrückt und spielte bei den städtischen Junioren, ich war ein guter Spieler und hatte viel Freude, mit dem Ball zu spielen. Heute gehe ich mit der Tochter "Fussball spielen", meistens bin ich im Tor und sie bemüht sich, den Ball in das Tor zu schiessen - meistens lasse ich sie auch gewinnen :-).

Heute hat die Schweiz gegen Spanien 1:0 gewonnen - natürlich auch zu meiner Freude. Ich hätte nie damit gerechnet, und gegenüber den Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz prophezeite ich eine Kanterniederlage der Schweizer Elf. Meine Prognose war ein 4:0 für Spanien, vielleicht würde es höchstens für ein Ehrentor unserer Nationalmannschaft reichen. Und es kam also anders.

Ich neige offensichtlich zu defätistischem Denken. Ich habe zu wenig Vertrauen in die Möglichkeiten und Überraschungen des Lebens. Ich glaube nicht an Wunder und werde zusehends zu einem Pessimisten, und ich werfe die Flinte zu schnell ins Korn (wohl aus Angst, verletzt zu werden). In der Erziehung meiner Tochter hüte ich mich aber davor, diesen Pessimismus zum Ausdruck zu bringen, vielmehr muntere ich sie auf, an die Willens- und Gestaltungskraft des Lebens zu glauben. Aber selber mag ich kaum an meine Worte glauben.

Dürrenmatt hat es auf den Punkt gebracht: es gibt nichts Fahrlässigeres als den Optimismus - aber auch nichts Billigeres als den Pessimismus. Ich will vermehrt versuchen, das Gleichgewicht zwischen diesen beiden Polen zu finden und zu halten. Ich will wieder vermehrt an das "Unmögliche" glauben und bin dabei bereit, auch ein Scheitern in Kauf zu nehmen. Banal, aber es ist halt so: wer nichts wagt, gewinnt auch nichts.

Wie schön ist doch dieses 1:0.

Dienstag, 15. Juni 2010

starke Sehnsucht

Die Sehnsucht ist ein schönes Gefühl, ein süsses und zugleich bitteres Gefühl. Manchmal - so wie heute - überwältigt sie mich geradezu, wie ein Geschoss, das mich überfällt und regelrecht durchschüttelt. In solchen Momenten regen sich in mir irrationale Bedürfnisse, ich verspüre eine Aufbruchstimmung und möchte nur noch den Zug nehmen und meine Sehnsucht stillen. Dann möchte ich nur noch ihre Nähe spüren, ihre Stimme hören, ihre Hände berühren. Dieses Gefühl ist viel stärker als meine Vernunft, ich kann es drehen und wenden wie ich will, aber ich habe keine Chance, mit Argumenten der Vernunft gegen meine starken Gefühle, die ich für A. empfinde, anzutreten. Ich mag auch nicht immer meine Gefühle analysieren, ich lasse sie jetzt einfach zu, bewerte nichts und lasse mich von ihnen treiben.

Heute Abend gehe ich in die Stadt und treffe mich mit einer Kollegin auf ein Glas Wein. Die Sehnsucht nach A. wird mich auch dorthin begleiten, sie wird mich umhüllen und wärmen. Und mich wehmütig stimmen. Später, auf dem Nachhauseweg, werde ich mit dem Fahrrad am Bahnhof vorbei radeln, die Züge sehen und das akute Bedürfnis verspüren, sie in meine Arme zu schliessen.

Montag, 14. Juni 2010

abendliches Abschiednehmen

Ich merke es immer wieder, wenn ich in der einen Woche die Tochter bei der Mama "zurück lasse" und anschliessend zur Haustüre laufe: es ist stets ein komisches Gefühl. Auch wenn wir beim gemeinsamen Abendessen es immer angenehm und meistens lustig haben (ohne dies zu inszenieren, es kommt jeweils vom Herzen), der Abschied (auch wenn dieser bloss für eine Nacht dauert, morgens hole ich sie jeweils wieder ab und bringe sie zur Schule) fällt immer wieder schwer. Meistens winkt sie mir vom Balkon aus noch zu und ruft laut "gute Nacht Papa". In diesen Momenten habe ich nicht selten den Kloss im Hals. Dann beginnt alles um mich herum im Kopf zu drehen - und ich fühle eine existenzielle Einsamkeit. Hinzu kommt, dass ich ohnehin das Gefühl habe, irgendwie auf dem Abstellgeleise zu stehen. Ich stehe mitten im Leben, was nichts anderes heisst, als dass der Zug in mancher Hinsicht eigentlich schon abgefahren ist, ich renne ihm wohl hinterher, aber ich befürchte, ihn zu verpassen und nur noch bloss dessen Schlusslichter zu sehen. So jedenfalls mein Empfinden. Ich versuche dagegen anzukämpfen, ich weiss, dass dieses Denken nicht weiter führt. Und dennoch, manchmal fehlt einfach die Kraft, um solchen destruktiven Energien zu begegnen.

Mit solchen Gedanken im Kopf laufe ich sodann nach Hause (die beiden Wohnungen sind keine fünf Gehminuten voneinander entfernt) und begegne alsbald einer existenziellen Leere. Ich beobachte mich, wie ich mich im Kreis drehe - und komme mental nicht weiter. Erschwerend kommt mein momentanes labiles Gleichgewicht hinzu, das bald einmal kippt und ich nur noch einen bodenlosen Abgrund unter meinen Füssen wahrzunehmen glaube.

Glücklicherweise regnet es zur Zeit, die Abkühlung tut gut. Ich werde mir nun einen Krimi anschauen (fürs Lesen reicht die Konzentration nicht) und dann ins Bett gehen in der Hoffnung, tief durchschlafen zu können. Bloss nicht wieder morgens um 0300 Uhr wach sein und sich dem sinnlosen Grübeln zu unterwerfen.

Blockaden

Ich versuche, mein Leben in ruhigere Bahnen zu lenken, aber es will mir nicht so Recht gelingen. Ich bin etwas ratlos und desorientiert. Jetzt, wo ich am Verfassen dieser Zeilen bin merke ich, wie ich ins Stocken gerate, ich merke, wie ich innerlich blockiert bin. Das Ganze könnte ja mit dem sog. "allein sein" im Zusammenhang stehen, aber über mangelnde Kontakte kann ich mich nicht beklagen, vielmehr ist es eher so, dass ich in der letzten Zeit doch einiges unternommen habe, bin also nicht passiv und einsam in meiner guten Stube. Gestern Abend hatte ich Besuch, Smalltalk, Wein, feines Essen, Kerzenlicht, zaghafte Annäherungen. Und gleichzeitig: Leere, emotionale Abwesenheit und ein allgemeines Durcheinander im Kopf (was nicht am Wein lag). Und immer wieder die an sich absolut sinnlose Frage: was wird sein in einem Monat, in einem Jahr?

Die Begegnung mit A. hat mein Inneres durchgewirbelt, sie ist quasi zum emotionalen Referenzpunkt geworden, auch wenn ich das gar nicht wollte, es ist nun mal so. Dabei weiss mein Kopf sehr wohl, was ist und was nicht ist. Aber der Kopf ist bekanntlich nicht immer einsichtig, die Vernunft, mag sie noch so dominant sein, triumphiert nicht immer über die Gefühle. Mit Traurigkeit weiss ich inzwischen umzugehen, Traurigkeit ist nicht mit Verzweiflung zu verwechseln, Traurigkeit beinhaltet auch die Chance zu vermehrter Selbsterkenntnis.

Wohin dies alles führt: keine Ahnung.
Was ich unmittelbar weiss: ich muss den Geschirrspüler leeren, meine Arbeit fortsetzen, das Mittagessen für meine Tochter zubereiten.

Nachtrag
Heute Nachmittag geht es mir nicht besonders gut. Irgend wann habe ich mal den Spruch gehört, Sucht sei dann gegeben, wenn man die Gegenwart nicht aushalte. Das wird es wohl sein. Gegenmassnahmen: Rad fahren und mit der Tochter nach der Schule herumalbern auf dem Spielplatz. Diese (Aus)zeit muss ich mir jetzt nehmen.

*******
kurz vor dem Abendessen, ein Gewitter zieht heran, die Tochter hat ihre Hausaufgaben erledigt (Aufwand eine gute halbe Stunde, etwas gar viel für ein 7jähriges Kind, dürfte aber eine Ausnahme bleiben), bald gibt es Abendessen. Meine Gemütslage ist schwankend, ich versuche, ganz im Augenblick zu leben, Was mich ablenkt sind Tagesnachrichten und Hintergrundberichte aus der Politik. Auf den späteren Abend freue ich mich heute nicht. Bin müde und abgekämpft, gleichzeitig von Unruhe angetrieben - kein schönes Gefühl.

Sonntag, 13. Juni 2010

Sonntagsmärchen

Ein kleines Sonntagsmärchen für meine Tochter - sie kann nicht genug kriegen davon.

Auch Erwachsene brauchen Märchen. Manchmal habe ich nicht den Mut, das Märchen konsequent zu Ende zu denken. Lieber male ich mir dieses oder jenes aus und hoffe dabei, das Märchen möge eine bestimmte, mir wohlwollend gesinnte Wendung nehmen. Vermutlich bin auch ich für schöne Sonntagsmärchen ganz und gar empfänglich, Realitäten hin oder her. Ich brauche wohl die sprichwörtliche Faust ins Gesicht, um zu erwachen. Doch auch dies könnte einem Märchen entstammen. Märchen können ganz schön brutal sein, aber auch heilsam. Ja, heilsam in jedem Fall.


Samstag, 12. Juni 2010

Sehnsucht

Heute hatte ich einen aktiven Tag: einkaufen, mich um die Tochter kümmern, kochen, putzen, nachmittags Sport treiben, dann meine Tochter zu einer Freundin bringen (sie wird heute auf Stroh und in einem Schlafsack die Nacht verbringen). Nun war ich mit meiner Exfrau in einer Gartenwirtschaft. Wir haben zusammen getrunken und uns, einmal mehr, gegenseitig nicht geschont. Wir haben auch viel gelacht und konnten uns ohne Masken bewegen, kein Wunder, nach über 20 Jahren weiss man, wie der andere in etwa tickt. Wir mussten uns trennen, damit wir uns wieder ertragen und gegenseitig schätzen können. Die Trennung hat dazu geführt, dass wir echte Freunde geworden sind. Wir müssen nicht mehr die Blinden spielen, müssen keine Geschichten mehr erfinden, nichts. Wir geben uns so, wie wir sind, mit unseren Unzulänglichkeiten, Sorgen und Ängsten.

Nun bin ich wieder zu Hause, es dunkelt langsam ein...ich verspüre heute Abend eine grosse Sehnsucht nach A. Immer wieder ist diese Sehnsucht da, manchmal kann ich besser mit ihr umgehen, nun ist sie da mit voller Wucht und lässt mich nicht mehr los. A. ist weit weg von mir, und doch so nah. Ich kann dieser Sehnsucht einigermassen begegnen, indem ich über sie schreibe. Wie lange werde ich diese Sehnsucht überhaupt aushalten? Ich bräuchte nur ihre Hand zu halten, ihre Stimme zu hören, um meine Seele zu besänftigen bzw. zu ernähren. Ich stelle mir vor, wie wir unter einem Baum sitzen und friedlich miteinander reden, uns sanft spüren und uns ganz dem Augenblick übergeben können. Mit diesen Gefühlen im Herzen werde ich heute ins Bett gehen - und gleichzeitig mache ich mir keine Illusionen. Die Erkenntnis ist nicht immer leicht zu ertragen, nein, sie kann brutal und unbarmherzig sein. In solchen Momenten gerate ich emotional an den Rand des Erträglichen.

Freitag, 11. Juni 2010

Trägheit

Das Schreiben fällt mir schwer, vielleicht liegt es an der Hitze, vielleicht liegt es auch an meinem momentanen Gemütszustand. Doch hätte ich so oder so wenig Neues zu berichten, ich komme mir vor wie in einem Boot, das unbeirrt sich treiben lässt, ohne jedoch zu wissen, wohin die Reise geht. In solchen Momenten möchte ich manchmal rebellieren (ich weiss zwar nicht wogegen), möchte ganze Bäume ausreissen, also meine gestaute Energie loswerden. Doch dazu bin ich aktuell zu träge. Vor mir liegen Rechnungen, die ich mittels ebanking bezahlen müsste, aber auch dies schiebe ich vor mich hin - und der Wäschekorb wartet auch darauf, "abgebügelt" zu werden. Die schwül-heisse Luft wird es wohl sein (es ist immer praktisch, dem Wetter alles in die Schuhe zu schieben).

Wenn ich meine Gefühlslage zusammenfassen müsste, dann würde der Befund in etwa so lauten: leichte innere Unruhe, etwas müde und traurig, eher antriebsarm, in Gedanken und Gefühlen ganz woanders, nur nicht da, wo ich physisch bin. Ansonsten fällt mir dazu nichts ein. Ich werde mich nun um meine Tochter kümmern (Abendritual), dann duschen und mich ins Bett fallen lassen.

Donnerstag, 10. Juni 2010

rasende Zeit

Heute war ich berufsbedingt abwesend (also nicht im Büro), viel Smalltalk, Hitze, Müdigkeit. Abends mit der Tochter im Schwimmbad. Es wurde mir bewusst, wie gross sie schon geworden ist: letztes Jahr konnte sie noch gar nicht so gut schwimmen, und einen Sommer später bewegt sie sich beinahe wie ein Fisch im Wasser. Verrückt, wie die Zeit vergeht, bald wird sie wohl vom 3-meter-Brett herunter springen. Ich erlebe dies alles mit einer gewissen Ambivalenz, natürlich freue ich mich über die Entwicklungen, gleichzeitig wird mir dabei bewusst, wie kurz im Grunde der Dinge das Leben ist und wie schnell das alles geht. Und heute Abend während des Nachtessens sagte sie mir wie beiläufig: du Papa, du hast ein bisschen weisse Haare. Ja, ich weiss, war meine lakonische Antwort, mit der Zeit kann man halt weisse oder graue Haare kriegen. Damit war die Diskussion für sie schon beendet. Später erblickte ich mich im Spiegel: na gut, an gewissen Stellen sind weisse Haare sichtbar, da gibt es nichts zu deuteln. Die Spuren der Zeit machen sich unbarmherzig bemerkbar.

Bald geht eine Arbeitswoche zu Ende, morgen werde ich nur noch halbtags arbeiten. Ich lebe - unspektakulär, einem eigentlichen Trott gleich.

Mittwoch, 9. Juni 2010

Kälteschock

Heute Abend bin ich im Wald baden gegangen - in einen Brunnen mit eiskaltem Wasser. Gott, tat das gut! Der ganze Stress, die ganze Unruhe, sie verschwanden für einen Augenblick, ich spürte meine Füsse nicht mehr und registrierte, wie die gesamte Hitze des Alltags auf einen Schlag meinen Körper verliess. Die Tochter hat es mir gleichgetan (und mit Jauchzer verbunden), dafür ist sie heute Abend umso schneller eingeschlafen.

Die Sehnsucht ist trotz dieses Kälteschocks da, aber sie treibt mich heute Abend nicht an, ich spüre vielmehr dieses süss-bittere Gefühl in mir, das mir anzeigt, wie lebendig ich letztlich bin. Weit weg ist jener Mensch, der mir so viel bedeutet, und doch so nah. Ich lasse das Gefühl zu, ich bewerte es nicht, es ist Teil von mir.

Heute habe ich keine Angst vor dem Einschlafen.

Dienstag, 8. Juni 2010

mangelnde Gelassenheit

Es gibt Momente, da ich ganz gelassen bin. Heute Abend wünsche ich mir, ich sei es auch, würde mich auf die Terrasse setzen, dazu Mozart hören, mich ganz der Stimmung hingeben können, jetzt, wo die Tochter endlich ihren Schlaf gefunden hat (die beste Methode, dass sie ruhig einschläft, besteht darin, Bachs musikalisches Opfer einzustellen).

Aber das will mir aktuell nicht gelingen. Immer wieder macht sich diese Unruhe bemerkbar, abends nach dem Sonnenuntergang, wenn die Vögel noch munter dahin zwitschern und sich auf die Nacht vorbereiten. Dann packt mich die Sehnsucht und lässt mir keine Ruhe. Ich gehe hin und her, alles dreht sich, die Gedanken lassen sich kaum disziplinieren, ich hüpfe von einem Gedankensplitter zum anderen. Ich schaue hinüber zum Wald, dann auf die Stadt, setze mich, stehe wieder auf, einem steten Kommen und Gehen gleich, nehme ein Buch hervor, doch die Konzentration will sich nicht einstellen.

Dieser Zustand ist kaum vermittelbar, ich stosse meistens auf Unverständnis, wenn ich ihn schildere. Ich weiss nicht, ob diese Unruhe letztlich produktiv ist und ob sie mich weiterführt, und wenn ja, wohin sie mich führt. Es hat keinen Sinn, sie unterdrücken zu wollen. Ich kann sie höchstens etwas eingrenzen bzw. domestizieren, einem Raubtier gleich, indem ich sie mit Tee zu beruhigen versuche. Höchst unangenehm ist es an solchen Abenden, ins Bett zu gehen, weil dann die Unruhe meistens umso mächtiger wird. Dann höre ich umso deutlicher und lauter die Stille der Nacht und die Züge, wie sie in der Ferne von irgendwo her kommen und irgendwo hin gehen. Genau diese Geräuschkulisse vermag mich dann umso mehr in eine potenzierte Unruhe zu versetzen, das Gefühl, etwas zu verpassen, macht sich mächtig breit in mir.

Selbstdiagnose: mangelnde Gelassenheit, zu wenig Vertrauen in das Leben. Die Einsicht ist da, die Umsetzung derselben steht freilich auf einem anderen Blatt geschrieben.

Das Wesentliche

Dienstag -
blauer Himmel
feucht-warme Luft
in Erwartung eines Gewitters
meine beruflichen Aufgaben warten auf mich
lesen und nochmals lesen steht heute
auf der Prioritätenliste
emotional bin ich weit weg vom Lesestoff
und es stört mich gar nicht -
Hans im Schneckenloch sang gestern meine Tochter
und was er hat, das will er nicht
und was er will, das hat er nicht
ich sing' es anders
und was er liebt, ist fern von ihm
was nahe ist, das liebt er nicht
nicht aus Absicht
das Herz lässt sich nun mal nicht manipulieren -
zwei Körper mögen sich gierig begegnen
eine Nacht lang
grenzenlose Begierden
tanzende Zungen
spätestens am Morgen danach
entpuppt sich das
was man eh spürte
dass
trotz aller Berührungen
das Wesentliche ohnehin
nicht physisch greifbar ist
das kindliche Bedürfnis
aufzubrechen
um wieder zu spüren
wie das ist
umfassend berührt zu werden
Bilder schiessen hoch
der Fluss
das sanfte Grün
die kleine Mauer
auf der wir sassen
beseelte Momente
des vielsagenden Schweigens
einfach nur deine Hand spüren -
eigentlich
braucht es so wenig
um glückliche Momente zu erleben
nun ruft mich
die Gegenwart zurück
doch du
bist allgegenwärtig

Montag, 7. Juni 2010

Anmerkungen zur Ehe

Ich habe gestern Nachmittag die Tagebücher von Susan Sontag weiter gelesen. Der Eintrag vom 18. November 1956 (vgl. S. 112f) hält fest:

Anmerkungen zur Ehe:
  • die Ehe basiert auf dem Prinzip der Trägheit
  • lieblose Nähe
  • Die Glaswand, die ein Paar vom anderen trennt
  • Freundschaft in der Ehe. Die weiche Haut des anderen
  • das Ehegelöbnis ist götzendienerisch (erhebt einen Augenblick über alle anderen, gibt diesem Augenblick das Recht, alle künftigen zu definieren). Ebenso die Monogamie
  • Rilke war der Ansicht, dass sich die Liebe in der Ehe nur durch das ständig wiederholte Wechselspiel aus Trennung und Rückkehr bewahren lasse.
  • Das Aussickern von Sprache in der Ehe
Parallel dazu lese ich Frisch, "mein Name sei Gantenbein". Gantenbein spielt den Blinden, und seine Umwelt nimmt ihm diese Rolle dankbar ab. Seine Blindheit hält auch die Ehe zusammen. Sie kommen sich beim Sex deshalb sehr nahe, weil keiner die Blicke des anderen ertragen muss. Und weiter: "Alltag ist nur durch Wunder erträglich" (Suhrkamp, 1998, S. 108). Die Metapher des sehenden Blinden ist vieldeutig. Ich kenne einige Paare aus meinem Bekanntenkreise, die mindestens in ihrer Ehe auch blind sind, d.h., sie geben sich blind, aus Bequemlichkeit, aus Angst vielleicht auch. Wie lange erträgt man das Blind sein nach dem Motto: Augen zu und durch? Basiert die Ehe tatsächlich auf dem Prinzip der Trägheit (S. Sontag)? Vermutlich schon.

Diese Woche wird meine Tochter wieder bei mir sein. Ich habe also eine klar definierte Aufgabe, die mich fordert und, für einen Augenblick, glücklich macht.

Sonntag, 6. Juni 2010

Streicheleinheiten und schlichte Grüsse

Der gestrige Abend hatte einen sonderbaren Verlauf: Ich traf mich mit der Kollegin, wir radelten durch die Gegend, gingen etwas essen in einer lauschigen Gartenwirtschaft, Gespräche über Gott und die Welt. Bei mir zu Hause schenken wir uns gegenseitige Streicheleinheiten (wortwörtlich gemeint), Teenagern gleich, behutsam und durchaus mit Scham. Die Nacht schlief ich allein zu Hause (was mir auch Recht war).

Und der Zufall will es, dass ich heute Morgen elektronische Post erhalte von A. Liebe Grüsse, lese ich da. Schlichte Worte, die Distanz markieren, einem fernen, unnahbaren Winken gleich. Ich winke zurück.

So ist das Leben:

Es gibt Streicheleinheiten, die zwar schön sind, keine Frage. Aber die Seele bleibt dabei regungslos. Ich vergleiche es mit Opern von Verdi oder Rossini: schön, gewiss, aber letztlich berühren sie meine Seele nicht, ich sitze da und denke mir: nett - und nun?

Und dann gibt es schlichte Grüsse ohne jegliche Streicheleinheiten (auch nicht zwischen den Zeilen), die das Herz dennoch voll treffen, die Sehnsüchte wecken und traurig machen - und dennoch, das ist das Entscheidende, möchte ich nicht darauf verzichten. Vor allem: es sind ehrliche Grüsse ohne Schminke. Klartexte eben.

Was ich jetzt tue: versuchen loszulassen, die Sonntagszeitungen lesen, Mozart hören (ich ahne, wie es sich durchschütteln wird), duschen, rasieren, meine Mutter zum Mittagessen einladen. Nachmittags werde ich arbeiten.

Samstag, 5. Juni 2010

Aufbruch - wohin?

Dieses Bild des albanischen Künstlers Adrian Paci bringt meine momentane Stimmungslage haarscharf zum Ausdruck: Aufbruch ja, aber wohin? Die Zeit fliesst einfach nur so dahin, ich bin sehr wohl aktiv, ich lese, döse auch, heute Abend treffe ich mich mit einer Kollegin, um ein nettes Gespräch bei einem kühlen Bier zu führen. Wie hat es Daniela in einem ihrer Beiträge formuliert: Mal schauen, was das Leben alles vorbereitet. Heute ist Freude, morgen ist Traurigkeit, übermorgen ist Tod. So ist es. Ja, wobei ich ergänzend sagen würde: Freude und Traurigkeit können sehr nahe beieinander sein, sie können sich überlappen, manchmal auch konkurrenzieren. Ich kann Freude empfinden, die sehr rasch kippen kann in ein Gefühl existenzieller Traurigkeit. Und der Tod, das wusste schon Luther: wir sind von ihm umgeben, jederzeit kann er zuschlagen, gerade auch dann, wenn wir einen Augenblick lang uns einem schönen Glücksgefühl hingeben dürfen.

Es gibt nur eine sichere Prognose: dass wir eines Tages, wann auch immer, von der Erde buchstäblich abtreten müssen. Das kann übermorgen sein. Oder auch schon heute.

Samstagmorgen

Das Wochenende steht bevor, meine Tochter ist mit der Mama bis Sonntagabend unterwegs. Ich werde heute meine Mutter zum Mittagessen einladen, den Haushalt besorgen, einkaufen für das morgige Abendessen und sicher schwimmen gehen. Ansonsten: ich verspüre eine gewisse Lebensenergie wieder fliessen, wenn auch auf niedrigem Niveau.

Gestern habe ich die Bekanntschaft einer klugen Frau gemacht. Smalltalk, der sich über zwei Stunden erstreckte. Innerlich blieb ich unberührt und irgendwie teilnahmslos. Kein Zauber war auszumachen, ohnehin war ich in meinen Gedanken woanders. Und heute morgen sehe ich den blauen Himmel, praktisch wolkenlos. Ich merke, dass ich jetzt 'raus muss.

Stillstand?
Ich bewege mich und ich gehe meinen Pflichten nach, auch am Wochenende. Immerhin.
Lebensfreude?
Die fühlt sich doch etwas anders an.

Donnerstag, 3. Juni 2010

Berührt werden

Ich war heute Abend wieder mit dem Fahrrad und meiner Tochter unterwegs, kreuz und quer sind wir gefahren durch Wiesen und Wälder, bald wieder auf dem Spielplatz, bald wieder in der Stadt. Das macht Spass, es sind Momente, in denen ich viel vergessen kann, in denen ich ganz im Augenblick lebe und an nichts anderes denke als an die unmittelbare und gelebte Gegenwart. Ich versuche dann jeweils, genau dieses Gefühl für den unmittelbaren Moment in mich aufzunehmen, mich von ihm emotional zu ernähren. Bewegung ist elementar, im buchstäblichen als auch im übertragenen Sinn verstanden.

Ich habe mir heute überlegt, was denn eigentlich das besonders Herausfordernde am sog. allein sein ist. Es ist nicht die fehlende Sexualität (die kann man sich "besorgen"), vielmehr ist es das nicht-berührt-werden im umfassenden Sinn verstanden. Dieses Berührt-werden umfasst eine besondere und tief gehende Zärtlichkeit, ein Berührt-werden sowohl des Körpers als auch der Seele. Ich kenne aus meiner unmittelbaren Nachbarschaft Ehepaare, bei denen ich intuitiv sehr wohl weiss (weil es so offensichtlich ist), dass sie sich kaum mehr berühren. Sie mögen ab und zu noch miteinander schlafen, ohne sich jedoch dabei gross zu berühren. Der Geschlechtsakt mutiert in solchen Konstellationen zu einer mechanischen und darüber hinaus sehr kurz andauernden Triebbefriedigung (da alles andere als umfassend befriedigend). Das tiefe Berührt-werden bleibt aus, die Lebensenergie fliesst nicht, es ist ein kurzes, kaum wahrnehmbares Beben ohne Nachbeben, das war's dann schon.

Die Vorstellung, ein Leben ohne Berührt-werden zu führen, ist schlicht deprimierend.

Mittwoch, 2. Juni 2010

Los-lassen-können

Endlich konnte ich mich gestern dazu aufraffen, ein neues Fahrrad zu kaufen, dazu auch eines für meine Tochter, das mit einem Handgriff an mein Fahrrad angehängt werden kann. Gestern Abend haben wir es gleich ausprobiert, und es war der Hit. Sie genoss es, mit ihrem Papa durch die Gegend zu flitzen, zum nahe gelegenen Waldspielplatz zu gehen, dann wieder weiter zu fahren...das sind meine Lichtblicke.

Trotzdem: An diesem Mittwoch verspüre ich nur noch eine Leere in mir. Aber auch ein Brennen und Verlangen kann ich nicht verleugnen. In diesem Augenblick weiss ich, dass A. das Flugzeug mit ihrem Mann besteigt, um in die Ferien zu verreisen. Mein Verstand weiss sehr wohl: es geht um das Los-lassen-können. Ich übe mich ja darin, versuche, ein geordnetes Leben zu führen, mich genügend zu bewegen, genügend zu schlafen und ach, natürlich, meinen Pflichten nachzugehen. Doch es fällt mir nicht einfach. Loslassen-können ist ein hehres Ziel, es zu erreichen ist freilich eine Herausforderung für mich. Was mich ferner betrübt: das Schreiben fällt mir im Moment schwer, dabei ist Schreiben meine Selbsttherapie als Mittel zur Selbsterkenntnis.

Das Flugzeug startet in diesem Moment.
A. kann loslassen, wenigstens sie. Ich beneide sie darum.

Dienstag, 1. Juni 2010

Nichts Neues

Ein neuer Tag beginnt.

Routine erwartet mich, der Tagesablauf ist absehbar, einem Zeremoniell gleich, 0930 Uhr Pause mit dem üblichen smalltalk und einem frisch gepressten Orangensaft, Mittags in der Stammbeiz (kleines Menü, Zeitungen lesen und anschliessend Espresso trinken, dazu dunkle Schokolade), nachmittags wieder im Büro, Zähne putzen, Berichte lesen, Texte verfassen, emails beantworten, telefonieren, abends Essen mit der Tochter bei ihrer Mama, dann nach Hause gehen (was heisst das schon, nach Hause gehen?), lesen vielleicht, Gesicht waschen und Zähne putzen, schlafen (oder zumindest es versuchen) und sich der Sehnsucht hingeben.

Routine kann beruhigen, aber auch das Gegenteil bewirken. Vermutlich ist es eine Frage der Akzeptanz.