Mit der
Amputation allein ist die Wurzel eines Problems noch nicht gelöst, sprich: ist
die Radikalität der Problemlösung noch nicht konsequent zu Ende gedacht. Was
nützt es einem starken Raucher, dass man ihm sein Raucherbein amputiert und er
doch nicht mit dem Rauchen aufhören kann?
So ist
es auch mit der Liebe. Wenn man, salopp gesagt, „den falschen Menschen“ liebt,
falsch deshalb, weil er bereits „besetzt“ ist: kann man in einer solchen
Situation die Begegnung als solche leugnen bzw. abbrechen und darauf hoffen,
das Problem sei damit gelöst? Löse ich es tatsächlich dadurch, dass ich jenen
Menschen einfach nicht mehr sehe bzw. ignoriere und so tue, als existiere er
nicht (mehr) in meinem Leben, getreu dem Motto: aus den Augen, aus dem Sinn?
Kann ich, nachdem ich mit jenem Menschen gebrochen habe, meiner Frau anders
begegnen und ihr jubelnd und mit einem bunten Blumenstrauss in der Hand
zurufen: ach meine Liebe, wie liebe ich dich doch!
Ich
nenne dies reine Symptombekämpfung, weil dadurch das Problem nicht an der Wurzel gepackt wird, und das hiesse: zu problematisieren, weshalb ich meine Frau oder meinen
Mann nicht mehr liebe. Dies wäre die ehrliche, radikale Frage, die ich zunächst
einmal im stillen Kämmerlein für mich zu beantworten hätte. Der nächste Schritt
wäre, mit meiner Frau offen darüber zu sprechen und auszuloten, weshalb dies so
ist, weshalb es dazu gekommen ist, was mir fehlt bzw. auch was ihr fehlt, was meine
Sehnsüchte sind und weshalb sie diese nicht (hinreichend) erfüllen kann. Daraus
resultierte der logische Folgeschritt: was, wenn überhaupt, können wir
gemeinsam tun, um die Partnerschaft zu retten?
Oder
anders gesagt: ich lege meine Lebenslüge ab und versuche, in der Wahrheit zu
leben.
Aber
oftmals gehen wir nicht so weit. Wir klemmen ab und wägen sorgsam ab, einem Richter gleich, der eine Güterabwägung vornimmt. Stecken den Kopf in den Sand
und denken: schwamm darüber, ich arrangiere mich in meinem Lebenskompromiss
(huch, ich fühle mich am Rande auch ertappt). oder sollte ich eher sagen: in
meiner Lebenslüge? Nun ja, das ist durchaus eine mögliche Haltung, die ich
nicht verurteile, weil auch ich kein Held bin und radikale Veränderungen in
meinem Leben nicht unbedingt suche oder schätze. Oder weil ich Angst habe vor tatsächlich oder vermeintlich unangenehmen Konsequenzen, die da wären: Scheidung, Trennung, finanzielle
Einbussen, und ja ja, mein guter Ruf könnte ja leiden!! Ich kenne auf Anhieb mindestens drei
Paare aus meiner nächsten Umgebung, die so leben. Die sich nicht mehr viel zu
sagen haben, die sich zwar gegenseitig durchaus unterstützen, der eine kocht,
der andere wäscht ab, nun ja, man tut, was man kann, und abends ist man
zusammen (zuerst zur Tagesschau, dann zu einem netten Spielfilm) und ist es
doch nicht, und das Thema Sexualität will ich hier in diesem Kontext schon gar
nicht thematisieren.
Als zeitweiliger Zauderer kenne ich den vermeintlich bequemen Weg des Lebenskompromisses. Doch weil
ich diesen Weg kenne, weiss ich auch, wohin er früher oder später führen wird und
zu welchem Preis er aufrecht zu erhalten ist.
Kompromisse "leben" heißt, den einfachen Weg zu wählen. Einfach, nur leider meistens nicht glücklich.
AntwortenLöschenIch spreche aus Erfahrung und habe das Wort "Kompromisse" aus meinem Wortschatz gestrichen.
Nicht immer einfach.