Montag, 16. Mai 2011

Strauss-Kahn

Was sehen wir hier auf diesem Bild?

Wir sehen einen etwas älteren Herr, der ganz offensichtlich von Sicherheitskräften schnellen Schrittes abgeführt wird.

Er scheint gefährlich zu sein, darauf deuten die Handschellen (zwar nicht sichtbar, aber die Haltung der Arme hinter dem Rücken lassen diese Vermutung zu) und die Anzahl Beamten, die diesen Mann abführen.


Er macht ein sehr ernstes, beinahe verbittertes Gesicht. Er sieht müde und abgekämpft aus.

Was sagt uns dieses Bild?
Es konstruiert eine Wirklichkeit, welche uns folgendes mitteilen könnte (Stichworte, nicht abschliessend):
  • die amerikanische Justiz ist unerbittlich in ihrem Bestreben, Gerechtigkeit walten zu lassen, unabhängig von Rang, sozialer Klasse und Namen der Angeklagten.
  • in den USA herrscht das Recht und nur das Recht.
  • die amerikanische Justiz fackelt nicht lange - der mächtige Mann des IWF soll bald vor dem Haftrichter erscheinen. Bei einer Verurteilung drohen ihm theoretisch maximal 20 Jahre Gefängnis.
  • die amerikanischen Behörden arbeiten sehr effizient: Strauss-Kahn wurde aus dem bereits abflugbereiten Flugzeug abgeführt, aus der First-Class notabene. Das muss für die Passagiere ein Spektakel gewesen sein.
Es gilt die Unschuldsvermutung.

Ein Medienereignis sondergleichen, und wir schauen hin, natürlich.

Ist Strauss-Kahn Opfer einer politischen Intrige geworden? Die ersten Verschwörungstheorien machen die Runde. Doch wer hätte Interesse daran, ihn in eine solche Lage zu manövrieren? Und vor allem: wer ist in der Lage, solches in die Wege zu leiten?

Was passierte genau in seiner Suite an jenem Morgen? Er habe sein Zimmer offensichtlich überstürzt verlassen, liest man in den Zeitungen. Das Handy habe er jedenfalls im Zimmer zurückgelassen, sagt die Polizei. Was natürlich nichts heisst.

Die umtriebige Tochter von Le Pen, die Anführerin des rechtsextremen Front National, erklärt schon mal auf Vorrat, man wisse ja, was dieser Herr Strauss-Kahn für ein problematisches Verhalten gegenüber Frauen an den Tag lege.

Oder war alles viel banaler? Das Zimmermädchen kommt in sein Zimmer, will aufräumen, Strauss-Kahn ist noch unter der Dusche, hört etwas, kommt vom Badezimmer ins Zimmer (im Bademantel), stolpert über den Teppich und sagt bei seinem Sturz "ooooohh", und das Zimmermädchen versteht dann bloss "blooooow".

Satire ist wohl nicht angebracht.

Niemand weiss zum jetzigen Zeitpunkt etwas genauer. Aber die politische, allenfalls auch die berufliche Laufbahn von Strauss-Kahn ist vorzeitig beendet worden.

Eine Intrige?

Oder ist Strauss-Kahn im Gegenteil ein unberechenbarer, von Trieben beherrschter Mann, der sich schlicht nicht im Griff hat?

Es ist selbstredend richtig, Anklagen auf den Grund zu gehen, wer immer der Beschuldigte sei.

Nur: das Theater rund um seine Verhaftung, namentlich aber den Pathos der amerikanischen Untersuchungsbehörden, finde ich widerlich.

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