Ich beteilige mich seit einigen Monaten an einem Weiterbildungskurs der reformierten Ortskirche zum Thema "religiöse Erziehung von Kindern". Morgen Abend ist es wieder soweit mit dem Thema: "beten mit Kindern und religiöse Rituale im Alltag".
Dazu muss ich folgendes sagen: ich selber bin Agnostiker, d.h. die Frage, ob es einen Gott gibt oder nicht gibt, will und kann ich nicht mit Ja oder Nein beantworten. Vielleicht ist die Frage auch irrelevant, auch das weiss ich nicht. Das heisst aber auch, dass ich keineswegs ein Atheist wäre, denn wer sich zum Atheismus bekennt, ist auch ein Gläubiger, weil er glaubt, dass es keinen Gott gibt. Der Atheist ist aber, genauso wie der Gläubige, nicht in der Lage, seinen Glauben bzw. Nichtglauben zu beweisen. Er behauptet - genauso wie der Gläubige.
Ich bin in einem protestantischen Milieu aufgewachsen. Ich habe meinen Vater als nicht praktizierenden Protestanten kennengelernt, den weltlichen Genüssen alles andere als abgeneigt. Meine Mutter, mittlerweile 86 Jahre alt und bei noch sehr guter Gesundheit, katholisch im volksfrommen Sinn, versuchte, mich nach ihrer Façon religiös zu erziehen. Das gelang ihr denn auch, bis ich etwa 12/13 Jahre alt war. Ab diesem Zeitpunkt besuchte ich den reformierten Kirchenunterricht und begann, mich gegen den Katholizismus aufzulehnen. Ich machte damals so etwas wie einen inneren Bildersturm durch und wurde zum überzeugten Antikatholiken, was meine Mutter sehr kränkte und traurig machte. Doch "gläubig" im strengen Sinn wurde ich nie, aber ich bin trotzdem dem reformatorischen Glauben bzw. der reformatorischen Kultur nicht abgeneigt. So mag ich aus dem Werk von
Karl Barth lesen, nicht systematisch, sondern punktuell, d.h. suchend, es ist für mich auch und vor allem eine intellektuelle Herausforderung, die Texte nachzuvollziehen.
Kinder stellen noch Grundsatzfragen nach dem Ursprung und dem Sinn menschlicher Existenz- was wir Erwachsene nicht mehr tun oder zumindest nicht mehr in jener Radikalität, wie es Kinder eben noch tun. Auf grundlegende Fragen der Existenz möchte ich Antworten liefern, nicht im Sinne von Dogmen, ganz im Gegenteil, aber im Sinne von Orientierungen und Möglichkeiten. Wichtig ist mir, authentisch zu bleiben. Ich bete nicht und werde demzufolge mit meiner Tochter auch inskünftig nicht beten, das käme mir lächerlich vor. Trotzdem bin ich gespannt auf die morgige Veranstaltung. Ich werde in dieser Runde vielleicht als etwas exotischen Vogel wahrgenommen, der dann und wann Einspruch erhebt gegen m.E. allzu einfache Erklärungsmuster. Aber der Streit gehört zur protestantischen Kultur, ja, ohne ihn ist für mich der Protestantismus nicht möglich. So gesehen bin ich sehr wohl Protestant, aber ohne festen Glauben.