Samstag, 12. Oktober 2013

Vom würdigen Abschied

Ich habe heute Nachmittag Peter Bieris (das ist jener Schweizer Autor, der unter dem Pseudonym "Paul Mercier" den "Nachtzug nach Lissabon" verfasste) neues Buch "eine Art zu leben" gekauft und beginne nun, es zu lesen. Darin geht es um die Vielfalt menschlicher Würde.

Und ich schlage Seite 154 auf: würdige Abschiede
Im Schmerz der Trennung ist das Bewusstsein von der Zerbrechlichkeit aller Beziehungen enthalten, das Bewusstsein von der Vorläufigkeit allen Erlebens und Teilens, allen Versprechens und Hoffens (...), ein Bewusstsein einer letzten Einsamkeit. Würde ist eine Art, diese schmerzhafte Erfahrung zu bestehen (...). 

  • Da geht es einerseits um das Bemühen zu verstehen: was war, wie alles begann und sich alles entwickelte, wo die ersten Risse sichtbar wurden....was schön war und was man an seinem Partner verstand und eben auch nicht. Und auch: was einem immer fremd blieb. 
  • Anerkennung: anerkennen, was das Gegenüber ist, was er kann, wie wichtig er einem war, was er für die Beziehung geleistet hat. Vorwürfe relativieren, Wichtiges von Bedeutungslosem trennen. 
  • Fähigkeit zur Selbstkritik: einräumen, dass man Fehler gemacht hat und die Einsicht haben, Grobheiten begangen zu haben, Grausamkeiten auch, und um die Ungerechtigkeit eigener Vorwürfe. Sich die verbindenden Empfindungen vergegenwärtigen, ohne Beschönigung, ohne Kitsch 
  • Versöhnung: den anderen gelten lassen, Vorwürfe ruhen lassen, Schuld ruhen lassen. Eingestehen, dass nicht alles möglich war und dass zwei Menschen sich unterschiedlich entwickeln können. 
  • Und es geht auch nicht zuletzt darum, dem anderen das Recht auf eine offene Zukunft zuzubilligen, auch wenn dieser Weg in die Zukunft wegführt von einem selbst. 
Und ich füge dazu: den Mut haben, ein gemeinsames Abschiedsritual zu begehen und dabei das Risiko nochmaliger Schmerzen und Tränen auf sich zu nehmen in der Hoffnung auf Erlösung derselben und darauf, dass danach die Erinnerungen übrig bleiben an die gemeinsame Zeit.
Erinnerungen, die immer da und nie zu tilgen sind.
vgl. auch hier

4 Kommentare:

  1. Lieber Peter,

    Du hast es wunderbar beschrieben, danke!
    Und: Deine Worte machen Lust, das Buch zu lesen.
    Mit lieben Grüßen und guten Wünschen für einen schönen Tag,

    Anja

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  2. Genau, das möchte ich auch sagen, was Anja meint! Habe diesen Post von Dir weitergeleitet an eine nach zwei Jahren Trennung immer noch sehr leidende Freundin. Vielleicht trägt es zu ihrer Genesung bei...Danke!

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  3. Puh, wie sehr musste ich schlucken, als ich deine Worte las. Wie sehr hätte ich mir solch einen würdigen Abschied gewünscht! Und wie entsetzlich war der, den wir tatsächlich hatten! (Und das, obwohl wir mit dem Verstehen, Anerkennen, Versöhnen und der Selbstkritik sogar erstaunlich weit gekommen waren.) Allerdings braucht es für einen würdigen Abschied wohl: zwei Menschen, die frei und aufrecht auf ihren eigenen Beinen stehen können. Tut sich im Moment des Abschieds ein Abgrund auf, ist es vorbei mit der Würde.

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    1. Dem ist nichts hinzuzufügen.
      Danke, Schattentänzerin.

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