Mittwoch, 31. Oktober 2012

Der Fremde

Notiert beim Lesen im städtischen Bus:
Heute ist Mama gestorben. Vielleicht auch gestern, ich weiss es nicht. Aus dem Altersheim bekam ich ein Telegramm: «Mutter verschieden. Beisetzung morgen. Vorzügliche Hochachtung.» Das besagt nichts. Vielleicht war es gestern.
Albert Camus, der Fremde

Lorenzo, der heisse Jüngling



Der 28 Jährige heisst ganz unspektakulär Leutenegger, sein Vorname Lorenzo lässt immerhin so etwas wie mediterrane Lockerheit aufkommen. Und mindestens sein Oberkörper lässt die Herzen vieler Damen offenbar höher schlagen.

Diese 21 Tussis Frauen, so kann man erfahren, buhlen um die Gunst des Schwarzenegger-Verschnitts. Sie alle wünschen sich Lorenzo zum Mann ("das ist kein Kind, das ist ein Mann!") und sind dabei bereit, zur kleinen Freude des TV-Publikums allerhand Kurioses auf sich zu nehmen.

Wie war das genau mit der Emanzipation?
Ach ja, ist ja schon ein Weilchen her.

Und noch dies:
On ne naît pas femme, on le devient 
(man ist nicht als Frau geboren, man wird es)
Simone de Beauvoir

Sonntag, 28. Oktober 2012

Herbstliche Winterimpressionen







































...der Schneemann freut sich über sein frühzeitiges Leben....die Freude dürfte jedoch von kurzer Dauer sein.

Freitag, 26. Oktober 2012

Der Winter kommt....



....und macht sich langsam aber sicher bei uns sicht- und bemerkbar....

Donnerstag, 25. Oktober 2012

Pantomime

Es gibt Momente des Schweigens,
vor allem mit sich selbst.
Dann findet kein innerer Dialog statt.
Das Leben findet sehr wohl statt,
nur dass man das Gefühl hat,
es finde parallel zu unserem Dasein statt,
nur nicht mit uns bzw. durch uns.
Und manchmal beobachtet man sich dabei
und weiss nicht,
wie man dies einordnen muss.


Vielleicht dies:
das Leben als gelegentliche Pantomime,
als Raum des noch nicht gelebten Lebens -
oder auch als Vorraum des gelebten Lebens. 

Montag, 22. Oktober 2012

Liebeslied


Ich danke deinem Körper, weil er mich erwartet hat-
ich musste mich verlieren, um an deine Seite zu gelangen.
Ich danke deinen Armen, weil sie mich erreicht haben.
Ich musste mich entfernen, um an deine Seite zu gelangen.
Ich danke deinen Händen, weil sie mich ertragen haben.
Ich musste mich verbrennen, um an deine Seite zu gelangen.

Herr Schuhmacher will ausziehen

Der Herr Schuhmacher und mit ihm weitere 5'000 Personen in der Schweiz geniessen ein Steuerprivileg, das sich hier ganz unscheinbar-bescheiden "Pauschalbesteuerung" nennt. Nur wer über kein Einkommen in der Schweiz erzielt, kann davon profitieren. Nun ist eine Volksinitiative eingereicht worden, die just dieses Privileg abschaffen will. Da hat Herr Schuhmacher gewissermassen präventiv erklärt, er würde die Schweiz allenfalls -ja, allenfalls- verlassen, sollten die Stimmberechtigten dem Volksbegehren dereinst zustimmen. Ho ho, der Herr Schuhmacher droht mit seinem Auszug aus seiner pompösen Trutzburg. Es fragt sich erstens, wohin er denn ziehen möchte, um dieses Privileg unter gleichzeitiger Inanspruchnahme zahlreicher Annehmlichkeiten aufrechtzuerhalten. Und zweitens: wer droht, kommt schlecht an und wirkt vor allem kontraproduktiv. Mancher wird sich hier bloss achselzuckend denken: nun ja, dann soll er doch, wenn ihm das Geld -und scheinbar nur dies- so verdammt wichtig ist.

Nichts verrät so sehr einen beschränkten und kleinlichen Geist wie die Geldgier.
Cicero

Sonntag, 21. Oktober 2012

An einem gewöhnlichen Herbsttag

Herbstlich unterwegs in der näheren Umgebung....


....und hier zu Besuch im Paul-Klee-Zentrum....
...und dort an einer Teilnahme an einem Workshop, der nicht nur Kinder zu begeistern vermochte....

Und später nochmals und immer wieder unterwegs....

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr 
wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, 
wird lesen, wachen, lange Briefe schreiben 
und wird auf den Alleen hin und her 
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

Rainer Maria Rilke

Freitag, 19. Oktober 2012

Aber Vati!

Ich liebe Filmserien aus der DDR. Zum Bügeln schaue ich mir jeweils den Polizeiruf 110 an (die Produktion war wohl als "Gegenderrick" gedacht). Darin zeigt sich die Volkspolizei besonders höflich und verständnisvoll. Und den Schwank "aber Vati" finde ich besonders gelungen. Mal ganz abgesehen vom Unterhaltungswert sind diese Filme, die den DDR-Mief geradezu sympathisch darstellen, hervorragende Zeugnisse der Zeitgeschichte, indem sie offenbaren, welches Bild sich die offizielle DDR geben wollte. In den Serien, die ich kenne, sind  da und dort auch erstaunlich kritische Voten zu vernehmen. Und bald kann man das Gefühl haben, die DDR sei eigentlich etwas ganz Kuscheliges gewesen.

Nun gönne ich mir Erichs Luxusbad. Wenn auch die Duftnote kaum definierbar scheint, wirkt das Produkt wunderbar entspannend. Und danach ziehe ich mir eine alte DDR-Produktion rein. Aber Vati!

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Verzweifelt auf der Suche nach Liebe

Man stelle sich folgende Geschichte vor:

Eine Frau, 47 Jahre alt, alleinstehend, lernt auf einer Internetplattform einen Mann aus Südafrika, wie er erklärte, kennen. Sie nimmt mit ihm Kontakt auf, worauf sich bald ein intensiver Mail-Austausch entwickelt. Er liebe sie, schreibt er kurz nach der ersten Kontaktaufnahme, und wiederholt dies gebetsmühlenartig. Und ja, er wolle sie heiraten.

Die Frau glaubt ihm und will ihn bald sehen. Da teilt ihr der Mann mit, er brauche dringend Geld für seine kranke Mutter. 5'000 Euro wären schön. Und sie schickt ihm dieses Geld ohne lang zu zögern, worauf er sich überschwänglich bedankt. Wenige Tage später bittet er um nochmalige Überweisung, dieses Mal sollten es 8'000 Euro sein, er brauche das Geld, weil ihn die Polizei bedrohe und er sich einen Anwalt leisten müsse. Die Frau zögert wiederum nicht und rundet den Betrag grosszügig auf 10'000 Euro auf.

Und danach war Funkstille.
Kein Besuch aus Südafrika, keine Heirat, nichts.
Dafür ein Verlust von 15'000 Euro.
Und ein abruptes, ja brutales Ende einer gigantischen Illusion.

Wohlgemerkt: dies hier ist keine Kopfgeburt meiner Phantasie. Diese Geschichte trug sich vor wenigen Wochen real zu - nicht irgendwo, sondern in meiner näheren Umgebung. Als ich davon hörte, war ich schlicht sprachlos. Wie verzweifelt muss ein Mensch sein, dass er sich auf solche Täuschungen einlässt? Oder naiv, grenzenlos naiv. Die Frau sprach unmittelbar nach der ersten virtuellen Kontaktaufnahme gar davon, dass sie "in einer Beziehung" lebe. Sie glaubte fest daran, dass dieser Südafrikaner -er kann ebenso gut aus den USA stammen oder aus einem Provinznest in Deutschland oder woher auch immer- sie tatsächlich heiraten wolle. Sie haben doch so oft auch per Skype miteinander diskutiert, sich ausgetauscht und geturtelt, bis die Leitungen zu glühen begannen.

Stattdessen: ein halbwegs ausgeplündertes Konto.
In der Zwischenzeit ist die Frau erwacht.
Und ist daran, diese groteske Episode zu verarbeiten.
Was soll man da sonst noch sagen? 

Mittwoch, 17. Oktober 2012

Tief ins Glas geschaut

Heute Abend habe ich schlicht zu viel Alkohol getrunken. Nicht, weil es mir schlecht ginge, sondern aus Lust, den Augenblick als solchen mit interessanten Leuten zu zelebrieren. Mein Tag war erfüllt und voller Eindrücke. Ich war heute unter jungen Menschen, die ohne weiteres meine Kinder sein könnten. Und sie sangen aus allen Rohren, Mozart und Wagner und Puccini, alles gehörig durcheinander, schön emotional und präzis zugleich, mit grösster Lust und gleichzeitiger Konzentration. Wunderbar.
Morgen habe ich eine Marathonsitzung, aber es ist mir Wurscht, die Feier findet dann statt, wenn es etwas zu feiern gibt, und sei es bloss aus Freude am Gegenwärtigen. Denn morgen um diese Zeit kann ich schon längstens tot sein. 

Sonntag, 14. Oktober 2012

Fliehkräfte


Fliehkräfte

Klappentext

Hartmut Hainbach ist Ende fünfzig und hat alles erreicht, was er sich gewünscht hat: Er ist Professor für Philosophie und hat seine Traumfrau geheiratet, die er nach zwanzig Jahren Ehe immer noch liebt. Dennoch ist Hartmut nicht glücklich. Seine Frau ist nach Berlin gezogen, sodass aus der Ehe eine Wochenendbeziehung geworden ist, die gemeinsame Tochter hält die Eltern auf Distanz, der Reformfuror an den Universitäten nimmt Hartmut die Lust an der Arbeit. Als ihm überraschend das Angebot zu einem Berufswechsel gemacht wird, will er endlich Klarheit: über das Verhältnis zu seiner Tochter, über seine Ehe, über ein Leben, von dem er dachte, dass die wichtigen Entscheidungen längst getroffen sind.

Was vermag gute Literatur? Ich denke, dass gute Literatur sich vor allem darin auszeichnet, dass sie seelische Landschaften in all ihren Verästelungen, Widersprüchen und Nuancen zu erfassen vermag. Sie ist in der Lage, ein Gespräch zwischen Personen so zu beschreiben, als glaubte man als Leser, unmittelbar dabei zu sein und jegliche Bewegung, Erregung, Zuspruch und Ablehnung zu registrieren. Gute Literatur erzählt uns eine Geschichte über Raum und Zeit hinweg, in der die handelnden Personen Prozesse durchmachen, sich häuten und Bilanz ziehen. Gute Literatur will nicht bloss unterhalten, sondern auch ausloten, verunsichern, beunruhigen und Optionen skizzieren, ohne dabei pathetisch Partei zu ergreifen. All dies und manch Anderes mehr finde ich im grossartigen Roman von Stephan Thome vor. Was für eine gewaltige Sprache hier angeschlagen wird, was für eine Gabe, auch feinste Harmonien und Disharmonien menschlicher Kommunikation exakt auf den Punkt zu bringen. 

Dienstag, 9. Oktober 2012

...and I love her

Und jetzt ein abendliches Melissenbad Eukalyptusbad zum Herunterfahren
und im Hintergrund Sir Paul.
Nostalgie, jawoll.


Vor dem Schaufenster

Heute während der Mittagspause schlenderte ich durch die Gassen unserer Stadt. Vor einem Schaufenster mit Kinderkleidern blieb ich stehen und sah mir gedankenversunken die kleinen Kleidchen an ab Grösse 56. So schnell geht das also, dachte ich mir, jetzt muss ich Grösse 146 kaufen. Und bald wird es 152 sein. So verweile ich eine Weile vor dem Schaufenster, während Lebensepisoden scheinbar willkürlich durch meinen Kopf schiessen: meine Tochter als Kleinkind beim unbeschwerten Spiel oder auch: Geburtstagstorte mit 3 Kerzen. Und ich erinnere mich vor dem Schaufenster auch daran, wie ich als Kind mit meinem Vater -es muss Hochsommer gewesen sein- im Meer badete und herumblödelte.

Wo gehen sie hin, all diese Momente des Glücks und der verdichteten Gegenwart? Vielleicht bleibt am Schluss der Blick durch unser Schaufenster als Bilanz unseres gelebten und ungelebten Lebens. 

Sonntag, 7. Oktober 2012

Im Kinderspital

Ein Kinderspital ist etwas ganz Besonderes. Nicht zuletzt deshalb, weil hier die Konfrontation mit Sterben und Tod unmittelbar absurd daherkommt. Die kürzlich erfolgte zufällige Begegnung mit einer mir völlig unbekannten Mutter, deren Kind soeben gestorben war, bleibt als Bild haften, ihr von unendlicher Trauer durchtränktes Schluchzen verfolgt mich immer wieder. Und ich lese bei Anton Gramsci: ich bekenne mich zum Pessimismus des Verstandes und zum Optimismus des Willens. Es ist manchmal kräftezehrend, diesen Willen aufzubringen.

Dienstag, 2. Oktober 2012

Der Agnostiker

Ich bin Agnostiker. 
Ich glaube an nichts, bin aber bereit, an alles zu glauben. Es ist mir unmöglich zu glauben, dass Gott nicht existiert, und es ist mir unmöglich zu glauben, dass er existiert. Ich hoffe auf Gnade.
Ionesco

Schlichte Sätze, die im diametralen Gegensatz stehen zu Fanatismus, Rechthaberei und Hass. Anders gesagt: Sätze, die von einer tiefen humanistischen Haltung zeugen und gerade jetzt so wichtig sind -  nicht nur in Bezug auf religiöse Fragen.